Lolly Winston – Himmelblau und Rabenschwarz

Der Tod ist gemeinhin eine ernste Angelegenheit – todernst sogar. Ein Buch, das sich der „Trauerarbeit“ einer Witwe widmet, muss folglich eine tieftraurige, trockene und gleichsam tränenfeuchte Angelegenheit sein. Aber muss es das wirklich? Dass ein Roman um Tod und Verlust durchaus leichtfüßig, unterhaltsam und witzig sein kann, beweist die Amerikanerin Lolly Winston mit ihrem Debütroman „Himmelblau und Rabenschwarz“.

Sophie Stanton ist 36, als ihr Mann Ethan an Krebs stirbt. Sie ist am Boden zerstört, fällt in eine tiefe Sinnkrise und hat Schwierigkeiten, die einfachsten Dinge des Alltags zu bewältigen. Freunde und Familie versuchen sie aufzubauen, schließlich geht das Leben weiter, doch Sophie mag das nicht glauben und droht zu verzweifeln.

Sie bemüht sich redlich, eine „gute Witwe“ zu sein, ohne auch nur einen Schimmer zu haben, wie sie das anstellen soll. Sie besucht Trauer-Selbsthilfegruppen, wird psychologisch betreut und scheitert doch schon an den kleinsten Aufgaben des Alltags. Ethan fehlt ihr an allen Ecken und Enden. Sie stopft sich mit Cremetütchen voll und verliert ihre Taille. Sie steckt bei ihrer Arbeit als PR-Beraterin den Kopf in den Sand und verliert ihren Job.

Sophie sieht einfach keine rechte Chance, ihr aus der Spur gekommenes Leben wieder in die richtige Bahn zu lenken, bis sie sich dazu aufraffen kann, einen Neuanfang zu versuchen. Sie verkauft ihr (und Ethans) Haus, zieht nach Oregon und schlüpft zunächst einmal bei Freundin Ruth unter. Dort wagt sie dann den Neuanfang. Sie mietet ein Haus, jobbt als Kellnerin (was sich als Desaster entpuppt) und nimmt die 13-jährige kratzbürstige Göre Crystal unter ihre Fittiche. Und dann lernt sie noch den Schauspieler Drew kennen. Doch kein Tag vergeht, ohne dass Sophie an Ethan denkt und sie sich nach ihm zurücksehnt …

„Ein Roman für alle, die auch nach einem großen Verlust noch an das Leben glauben“, so umreißt der Klappentext „Himmelblau und Rabenschwarz“ und scheint damit schon eine scheinbare Zielgruppe einzugrenzen. Wer nun aber glaubt, er wäre an einen Roman für Witwen mit verheulten Augen und dauerverzweifeltem Gesichtsausdruck geraten, der irrt. „Himmelblau und Rabenschwarz“ ist kein Buch zur Lebenshilfe, sondern unterhaltsame Lektüre, die Trauriges mit Lustigem verbindet.

Es ist schon ein mitunter gewagtes Unterfangen, über die Trauerzeit einer Witwe eine humoristische Abhandlung zu verfassen, doch Lolly Winstons Humor ist eher von der leise tretenden Sorte und wird dadurch der Sache gerecht. Schenkelklopfer sucht man vergeblich, dafür erwischt man (bzw. Frau, denn die überwiegende Zielgruppe dürfte weiblich sein) sich des Öfteren beim Schmunzeln. Winston bedient sich eines (selbst-)ironischen Untertons und eines leichtfüßigen, eher melancholischen Humors. Das passt zur Thematik ganz gut und man braucht sich nicht zu schämen, wenn man sich über Sophies Verhalten hier und da ein Grinsen verkneift.

Insgesamt ist Sophie eine Figur, über die man gerne schmunzelt. Vor allem im ersten Drittel des Buches erweckt sie noch den Eindruck einer verwitweten Bridget Jones, die im Job kein Fettnäpfchen auslässt und im ständigen Kampf gegen ihre ausdehnungsfreudige Taille die stets Unterlegene ist. Und so schnell, wie man Bridget ins Herz schließen muss, wenn man ihr zum ersten Mal begegnet, schließt man auch Sophie in sein Herz.

Doch eine ganz einwandfreie Komödie hält man eben doch nicht in Händen, wenn man „Himmelblau und Rabenschwarz“ liest, und so verliert sich der Bridget-Jones-Effekt auch mit zunehmender Seitenzahl, je mehr Sophie beginnt, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Die Übersiedlung von San Jose in eine Kleinstadt in Oregon ist ein tiefer Einschnitt in Sophies Leben. Dieser komplette Neuanfang verlangt nach einer gewissen Ernsthaftigkeit, und so gibt es zwar durchaus noch lustige Momente, aber eben mit sich ausbreitender positiver Lebenseinstellung auch mehr Selbstsicherheit, die dann den Bridget-Jones-Effekt minimiert. Das mag man als Leser einerseits bedauern, andererseits lebt die Geschichte auch von dieser Wendungen zum Positiven.

Es soll eine Geschichte sein, die Mut macht, sein Leben in die Hand zu nehmen, sich nicht treiben zu lassen und sich in Selbstmitleid und Trauer zu suhlen. Ein Stück weit will „Himmelblau und Rabenschwarz“ eben auch eine Geschichte mit einer positiven Botschaft sein. Das tut der Unterhaltung allerdings keinen Abbruch. Zuzusehen, wie Sophie sich durch den Alltag schlägt, wie sie zaghaft neue Lebenswege sucht und wie sie mit größter Vorsicht und vielen Bedenken auch der Männerwelt wieder entgegentritt, liest sich sehr angenehm, leicht und unterhaltsam.

Doch trotz einer sympathischen Hauptfigur, einer Erzählweise mit hohem Unterhaltungswert und einer locker-humorvollen Sprache geht Lolly Winston in ihrer Entwicklung der Figur Sophie Stanton einen Schritt zu weit. Sie prescht über das Ziel hinaus. Auch jenseits der Trauer warten im Alltag viele Probleme auf Sophie, die ihr neues Leben mit sich bringt. Je weiter der Roman fortschreitet, desto mehr lösen sich diese Probleme aber in Wohlgefallen auf.

Sophie sucht ihr Glück als Konditorin und es herrscht im wahrsten Sinne des Wortes Friede, Freude, Eierkuchen (vor allem natürlich Letzteres). Nichts hindert sie daran, ihr Glück zu vervollkommnen, und das mutet dann doch ein wenig arg kitschig überzeichnet an. Etwas mehr Bodenständigkeit hätte vor allem zum Ende hin nicht nur der Hauptfigur, sondern auch dem gesamten Roman gut getan. Ein wenig mag man Lolly Winston diesen Ausrutscher verzeihen, hat man bis zu diesem späten Zeitpunkt des Romans Sophie Stanton doch schon längst in sein Herz geschlossen. Dennoch trübt diese Schwäche ein wenig die Freude an einem ansonsten durchaus gelungenen Buch.

„Himmelblau und Rabenschwarz“ ist in jedem Fall ein Roman, dem es gelingt, Trauer und Humor zu verbinden. So unmöglich einem diese Kombination auch erscheinen mag, man darf sie in diesem Fall als durchaus geglückt bezeichnen, was nicht zuletzt auf Lolly Winstons gefühlvolle Erzählart zurückzuführen ist. Sie trifft in traurigen wie in lustigen Momenten stets den richtigen Ton. Sie kleidet die erstickenden, dunklen Gedanken der Trauer treffsicher in die richtigen Worte, und das macht eben das gewisse Etwas aus. Sie macht sich zu keinem Zeitpunkt über Sophie lustig. Sie fühlt mit der Hauptfigur und lässt den Leser mitfühlen. Durchaus vorstellbar, dass Hollywood an diesem Stoff Gefallen findet. „Himmelblau und Rabenschwarz“ verbindet seichte, humorvolle Unterhaltung mit den ernsten Seiten des Lebens und hat obendrein ein kitschiges Happyend – perfekt nach Hollywood-Art zu verfilmen …

„Himmelblau und Rabenschwarz“ ist alles in allem ein Buch, das größtenteils zu gefallen weiß. Unterhaltsame, locker-leichte Lektüre mit einer sympathischen Hauptfigur, die einen immer wieder zum Schmunzeln bringt und die dennoch durchaus ernsthafte und traurige Seiten hat. Nur schade, dass Lolly Winston am Ende ein wenig zu dick aufträgt und ein kitschiges Friede-Freude-Eierkuchen-Finale inszeniert, das dann an der Glaubwürdigkeit der Figuren kratzt. Dennoch solide und vor allem sicherlich für die weibliche Leserschaft empfehlenswerte Lektüre für die Momente, in denen man leichtfüßige und locker-flockige Unterhaltung mit Herz und Witz sucht.

Gebundene Ausgabe: 464 Seiten
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