Barclay, James – Himmelsriss (Die Chroniken des Raben 4)

Band 1: [Zauberbann 892
Band 2: [Drachenschwur 909
Band 3: [Schattenpfad 1386

Jetzt, da ich dies schreibe, mag es ungefähr zehn Minuten her sein, dass ich die letzte Seite von „Himmelsriss“ gelesen habe, doch ich möchte die noch immer anhaltende Euphorie, vor allem aber die weiterhin sicht- und fühlbare meterdicke Gänsehaut, die mich im letzten Kapitel dieses Buches ergriffen hat, für diese Rezension nutzen. Mit dem vierten und wahrscheinlich auch düstersten Teil der „Chroniken des Raben“ ist es dem britischen Autor James Barclay erneut gelungen, eine fesselnde Fantasy-Geschichte zu erzählen bzw. den Faden weiterzuspinnen und somit die Geschichte noch weitschweifender auszubauen. Mehr denn je beschleicht mich mittlerweile das Gefühl, dass „Die Chroniken des Raben“ nur so nach einer Verfilmung schreien, denn wenn ich mir überlege, welches Kopfkino sich in den letzten Kapiteln dieses vierten Teils wieder in meinem Kopf abgespielt hat, dann hätten wir es hier bei einer entsprechenden Umsetzung mit einem Unterfangen zu tun, das selbst die Verfilmung von „Der Herr der Rings“ übertreffen könnte. Und das ist jetzt keine dramatisierte Übertreibung, sondern eine Tatsache, die lediglich von meiner Begeisterung für diese Reihe ein wenig getrübt sein könnte.

_Story:_

Der Riss im interdimensionalen Raum wird von Tag zu Tag größer, und die Drachenbrut der Kaan kann das Loch am Himmel nicht mehr lange gegen die verfeindete Brut der Naik verteidigen. Doch in Balaia ist sich nur die legendäre Söldnertruppe des Raben über die Tragweite dieses Himmelsrisses bewusst und macht sich auf den direkten Weg zum Kolleg von Julatsa, das weiterhin unter starkem Beschuss durch die Wesmen liegt. Den Rabenkriegern gelingt es, in das Kolleg einzudringen, um in der dortigen Bibliothek nach Hinweisen des genialen Magiers Septern zu suchen, mit Hilfe derer man schließlich das Loch im Himmel wieder schließen könnte. Tatsächlich finden sie einige Manuskripte und begeben sich anschließend wieder zurück zum Haus des Dimensionsmagiers Septern. Für Ilkar ist diese Entscheidung besonders schwer, denn er verlässt sein Heimatkolleg in dem Bewusstsein, dass er es bei einer eventueller Rückkehr nur noch in Schutt und Asche wiederfinden wird. Doch die gemeinsame Sache ist von größerer Bedeutung, und so entfernt sich der Rabe wiederum unbemerkt aus Julatsa.

Derweil haben die Wesmen große Teile von Balaia eingenommen und einen erheblichen Teil der gegnerischen Streitkräfte besiegt. Lediglich eine kleine Garnison unter der Führung des berüchtigten Generals Darrick leistet noch Widerstand. Verbündet mit den einflussreichen Baronen Grese und Blackthorne, bekämpft er die übermächtige Wesmenarmee unter der Führung von Lord Tessaya und gewinnt so wichtige Zeit für den Raben. Dieser nämlich hat sich durch das Tor in Septerns Haus in die Welt der Drachen begeben, um von dort aus gemeinsam mit dem ehemaligen Herrscher von Xetesk, Styliann, den entscheidenden Spruch zur Schließung des Himmelsrisses zu wirken. Doch die Söldner mitsamt ihrer Magier haben nur noch wenig Zeit, denn das Loch kann nicht mehr lange verteidigt werden. Und rund um Septers Haus können Stylianns Protektoren die heranstürmende und zahlenmäßig deutlich überlegene Wesmenarmee, die mittlerweile von der Mission des Raben erfahren hat, nicht mehr lange in Schach halten. Der Krieg kommt somit in seine entscheidende Phase, sowohl in Balaia als auch in der Dimension der Drachenbruten …

Es vergehen jeweils drei Monate, bis endlich die deutsche Fortsetzung dieser Serie auf den Markt kommt, und diese drei Monate sind jedes Mal von Neuem eine ziemlich harte Zeit, gerade nach dem ereignisreichen und offenen Ende des Vorgängerbandes „Schattenpfad“. Doch nachdem man dann die ersten Seiten des neuen Buches gelesen hat, fühlt man sich sofort wieder heimisch – heimisch in der Welt von Balaia und in der Welt von James Barclay.

In diesem Fall weicht die Spannung jedoch erst einmal der Brutalität der Vorgänge an den verschiedenen Schauplätzen der Handlung. „Himmelsriss“ steht besonders im Zeichen der Schlachten zwischen den Wesmen und den Streitkräften von Korina, die das Land Balaia verteidigen wollen, und dementsprechend ausführlich beschreibt Barclay auch die Verläufe der Gefechte und deren blutige Folgen, ganz besonders im ersten Drittel. Dann jedoch holt der Autor wieder sehr weit aus und wechselt fast von Seite zu Seite den Schauplatz, springt vom Raben zur Situation in Julatsa, dann wieder in die Drachendimension, anschließend zu den Kämpfen an Septerns Haus und schließlich zum taktischen Gefecht zwischen Lord Tessaya und den beiden Baronen Blackthorne und Gresse sowie ihrem Verbündeten, General Darrick.

Hier zeigt sich wieder die ganze Klase von James Barclay, indem er alle Punkte bis ins letzte Detail schildert, kurz vorm finalen Moment aber wieder in eine andere Szene springt und den Leser somit auch spielend ans Buch fesselt. Der Drang, schnellstmöglich Lösungen und Entscheidungen in Erfahrung zu bringen, ist enorm groß; ergo verschlingt man auch dieses Buch mit derselben Intensität, wie es bei den drei Vorgängerbänden der Fall war.

Weiterhin ausgezeichnet finde ich, wie Barclay die einzelnen Rollen der Charaktere sehr offen lässt; man weiß nicht immer, ob man Xetexk-Magier Styliann, dem Brutführer Sha-Kaan, dem Gestaltenwandler Thraun oder aber den Protektoren trauen kann, und das macht einen nicht unerheblichen Reiz bei diesem Buch und der Serie im Gesamten aus.

Und doch sind es im Endeffekt die Beschreibungen der Szenarien, die für die eingangs erwähnte Gänsehaut verantwortlich zeichnen. Ich würde gerne vorgreifen und erklären, was mich am Ende so euphorisch gestimmt hat, aber damit würde ich zu viel über den Verlauf der Geschichte preisgeben. Nur so viel: Es ist ein wahrlich erhabenes Gefühl, das ich in dieser Form nur bei den finalen Momenten der „Herr der Ringe“-Filme verspüren konnte – und damit habe ich jetzt wahrscheinlich doch schon zu viel verraten …

„Himmelsriss“ ist wiederum all das, was den modernen Fantasy-Autor James Barclay auszeichnet und diese Reihe so wertvoll macht, und ein Grund mehr, sich mit den „Chroniken des Raben“ auseinanderzusetzen. Selten hat mich eine Fantasy-Reihe derart ergriffen, wie es hier der Fall ist. Und jetzt folgen eigentlich wieder drei harte Monate bis zur Veröffentlichung von „Nachtkind“, aber aufgrund einer längeren Lesepause meinerseits darf ich mich bereits in wenigen Wochen auf die Lektüre des fünften Bandes freuen.

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