Louise Cooper – Der Lehrling (Herrscher über die Zeit 1)

Chaos vs. Ordnung: spannender Fantasy-Startband

Seit Ewigkeiten liegen die beiden Mächte Ordnung und Chaos im Kampf um die Vorherrschaft über das Menschengeschlecht. Nun ist das Chaos besiegt. Doch irgendwo wird ein Knabe geboren, ein namenloser Ausgestoßener, der dazu berufen ist, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Denn ohne Chaos kann es keine ordnung und keine Entwicklung geben. Sein Name ist Tarod. Er bemüht sich verzweifelt, die ihm innewohnenden Kräfte des Bösen zu unterdrücken. Doch es ist vergebens…

Die Autorin

Die Britin Louise Cooper war bis zu ihrem Tod 2009 eine Vielschreiberin in der Fantasy für jugendliche Leser. Bekannt wurde sie durch ihren ungewöhnlichen Fantasy-Roman „Book of Paradox“ („Buch der Paradoxe“, Terra Fantasy TB) als innovative Autorin. Nach der Timemaster-Trilogie veröffentlichte sie den achtbändigen INDIGO-Zyklus und viele Bücher über Zauberpferde.

Nachdem Michael Moorcock in den 60er Jahren die Vorstellung des Multiversums eingeführt hatte, in dem sich auch die Götter persönlich in den Kampf zwischen Chaos und Ordnung einmischen, kam auch Cooper nicht an diesem Konzept vorbei – sie gewann aber dieser strapazierten Thematik interessante Aspekte ab, nachzulesen in der Time-Master-Trilogie.

1) Der Lehrling (23938)
2) Der Verbannte (23945)
3) Der Meister (24500)

Handlung

Es ist eine Welt, in der die Herrschenden inbrünstig froh sind, dass die Götter der Ordnung vor Jahrtausenden endgültig über das Chaos gesiegt und dessen Götter vertrieben haben. So berichtet es der Prolog. Das eherne Gesetz einer unverbrüchlichen und an sich schon sinnentleerten Gesellschaftsordnung wird von den drei höchsten Repräsentanten der Ordnung aufrechterhalten: dem Hochinitianten des Zirkels, der aus Männern und Frauen mit übernatürlichen Kräften besteht; dem Hochmarkgrafen, der die weltliche Ordnung repräsentiert; und der Matriarchin der dem Gott Aeoris, dem Hauptgott der Ordnung, geweihten Schwesternschaft, die den Überlieferungen zufolge gemeinsam in der Stunde höchster Not ein Konklave einberufen und Aeoris selbst zu Hilfe rufen können. Aeoris hat zu diesem Zweck ein kleines goldenes Kästchen in der Obhut der Drei gelassen.

In letzter Zeit aber machen sich rätselhafte Sturmerscheinungen, die Vertexstürme, immer stärker bemerkbar, und Unruhe und Verbrechen erfassen das Land. Solch ein Sturm tritt in einem entscheidenden Augenblick auf. Tarod kennt seinen Vater nicht, seine Mutter verschweigt ihm dessen Namen, und seitdem will auch ihr Clan nichts mehr mit ihr zu tun haben. Folglich wächst Tarod bis zum dreizehnten Lebensjahr ohne Aufsicht sowie geächtet auf und ahnt nicht, was in ihm schlummert.

Doch er spielt gerne Rollenspiele mit seinem besten Freund Coran, dem Sohn eines angesehenen Hauses der Stadt Sommershaven. Plötzlich entlädt sich ein Blitz aus Tarods Körper und verbrennt Coran, der auf der Stelle stirbt. Tarod ist fassungslos und starr. Nicht genug damit: Die Szene passierte mehr oder weniger vor den Augen einer alljährlich stattfindenden Prozession. Das Entsetzen über Tarods Untat ist so groß, dass er auf der Stelle von Pöbel und Stadtoberen zum Tode verurteilt wird. Doch er kann auf die Straße entkommen. Unversehens wird er von einem Vertexsturm, der sich bereits zusammengebraut hat, zur Burg, dem Sitz des Zirkels, verschlagen. Doch weil eine Oberin des Matriarchenordens, Domina Kael Amion, Zeugin seiner Kraft wird, wird Tarod gesundgepflegt und auf der Sternenhalbinsel, am anderen Ende der Welt, als Adept ausgebildet.

Doch düstere Träume und Vorahnungen von schlimmen Ereignissen suchen ihn heim. Ein Gott, der nichts mit Aeoris geimsam hat, ruft ihn zurück. Er solle sich erinnert. Weder der Hochinitiant, noch dessen Sohn, Tarods Freund, noch die Seherin der Matriarchen können diese Träume erklären. Rastlos vergräbt sich Tarod in alten Büchern und entdeckt dort die Anfänge der Herrschaft der Ordnung. Er steigt mit seiner großen Kraft zum höchsten Rang der Adepten auf. Doch was soll er nun mit seiner Kraft anfangen?

Es dauert weitere Jahre, bis er erkennt, dass er als Werkzeug dazu ausersehen ist, den Göttern des Chaos, der Archäi, wieder Zutritt zur Welt zu verschaffen. Doch Tarod, der den Gesetzen der Ordnung gemäß erzogen und ausgebildet worden ist, weigert sich, dies zu tun, auch als seine wahre Herkunft offenbar wird. Seine vermeintlichen Freunde unter den Initianten und die Frau Sashka, die er liebt, sich von ihm abwenden und ihn schließlich verraten.

Doch die Geschehnisse, die allein schon durch seinen Auftreten eingeleitet wurden, entwickeln eine eigene Dynamik. Dem neuen Hochinitianten, dessen Vater er getötet hat, verurteilt Tarod zum Tod. Dafür ein spezielles Ritual vonnöten, schließlich kann ein so mächtiger Adept nicht von jedem Dahergelaufenen ins Jenseits befördert und gebannt werden. Wird sich Tarod seinem Vater, einem Gott des Chaos, stellen oder lieber den Tod erleiden? In höchster Not entdeckt er das Geheimnis, wie er die Zeit beherrschen kann…

Mein Eindruck

Ich habe diesen ersten Band in nur zwei Tagen gelesen. Die Lektüre war ziemlich spannend, denn die Autorin versteht es geschickt, das Geheimnis von Tarods Abkunft bis zur entscheidenden Phase zu verbergen. Denn es ist klar, dass die Entdeckung von Tarods Vater zur sofortigen Verstoßung aus dem Zirkel der Magie-Adepten führen muss. Sie repräsentieren die Ordnung und sollen für deren Durchsetzung in der Bevölkerung mit magischen Mitteln sorgen. Ein Lord des Chaos hat hier nichts zu suchen, schon gar nicht sein Sohn, der Verräter.

Auf dem Weg zur Enthüllung dieses Geheimnisses und seiner schweren Konsequenzen muten die Liebesgeschichten, die Tarod erlebt, schon fast ein wenig hinderlich an. Allerdings würde Tarod als junger Mann völlig unglaubwürdig wirken, wenn er keine emotionalen Ambitionen hinsichtlich einer Verbindung mit einer Frau an den Tag legen würde. Nachdem die junge Fuhrfrau Cyllan alles andere als standesmäßig für ihn ist (sie aber über ihre eigene, wilde Magie verfügt), wendet sich Tarod der jungen, höchst ehrgeizigen Fürstentochter Sashka zu – oder ist es nicht eher umgekehrt? Sie ist ein durchtriebenes Luder, das seinen maximalen Vorteil sucht. Und was könnte vorteilhafter sein, als erst die Nr. 2 in der Adeptenburg zu verführen (Tarod) und von dort die Nr. 1 (Keridil) in Angriff zu nehmen?

Wir können durchaus von Anfang an Anteil an Tarods Werdegang nehmen und mit ihm bangen, als er in Sashkas Falle tappt und gefangengenommen wird. Wie Tarod sollte es uns mit Entsetzen erfüllen, dass sich sein Vater als ein Lord des Chaos entpuppt. Doch ich verspürte vielmehr Zufriedenheit über diese Wendung des geschehens, denn es ist eigentlich von vornherein logisch, dass Tarod auf der falschen Seite der Ordnung geboren und aufgewachsen ist. Das erklärt auch seine magischen kräfte, die das Maß aller anderen Adepten übersteigen. Da er jedoch der Ordnung die Treue geschworen, befindet er sich nun im Zwiespalt. Selbst noch dann, als die Adepten über ihn zu Gericht sitzen, will er ihnen entgegenkommen. Ein alter Widersacher macht diesen Plan zunichte. Der Weg ins Chaos ist vorgezeichnet.

Die finale Frage ist jedoch, ob es den Vertretern des Chaos gelingen wird, Tarod zu ihrem Diener zu machen. Doch Tarod würde es vorziehen, wie stets sein eigener Herr zu bleiben und nicht der Sklave des Chaos zu werden. Seine Seele wohnt in einem magischen Stein, den er um jeden Preis schützen muss. Wird es ihm mit dessen Hilfe gelingen, die Zeit selbst zu bezwingen, um so Tod oder Sklaverei zu entgehen? Mehr soll nicht verraten werden. Aber nachdem die Reihe noch zwei weitere Bände weitergeht, dürfte die Antwort klar sein.

Die Übersetzung

Die Titel der deutschen Ausgabe sind leider nicht immer zutreffend gewählt. Statt „Adept“ heißt es dann „Lehrling“ und statt „Outcast“, also Verstoßener, eben „Der Verbannte“. Lediglich beim dritten Band konnte der Verlag nichts falsch machen: Ein „Master“ bleibt eben auch im Deutschen ein „Meister“, auch wenn „master“ auch „Gebieter“ und „Besitzer“ bedeuten kann.

Die Übersetzerin hat es geschafft, viele Fachbegriffe aus Mystik, Magie und Religion wie etwa „Adept“ gut ins Deutsche zu übertragen, aber ich bin nicht sicher, ob „Initiant“ eine korrekte Übertragung „Initiate“ ist. „Initiate“ bedeutet „Eingeweihter“.

Was mich immer wieder bei der Lektüre störte, waren die zahlreichen Flüchtigkeitsfehler, die zu falschen Wortendungen und dergleichen führten. Wenigstens kann sich der Leser in der fiktiven Welt anhand einer schön gezeichneten Landkarte orientieren.

Unterm Strich

Louise Cooper stellt auf besonders geschickte Weise bekannte Elemente zu einem neuen, homogenen Ganzen zusammen und verschmilzt sie miteinander. Diese Geschichte ist so beeindruckend geschildert, dass es mir schwerfällt, mich an ein ähnlich faszinierendes Fantasy-Epos der letzten Jahre zu erinnern –so etwa die erste Darwath-Trilogie von Barbara Hambly oder die Zauberschule-Trilogie von Patricia McKillip. Wer eine eigenständige Fantasy sucht, die untersucht, wie sich Gut und Böse sowie Ordnung und Chaos zueinander verhalten, der ist mit der Timemaster-Trilogie gut unterhalten.

Taschenbuch: 312 Seiten
Info: Timemaster: The Initiate, 1985, bei TOR Books
Aus dem Englischen übertragen von Sylvia Brecht-Pukallus
www.randomhouse.de/Verlag/Goldmann

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