Azzarello, Brian (Autor) / Risso, Eduardo (Zeichner) – 100 Bullets Bd. 6 – Sechs im roten Kreis

_Story_

Agent Graves sinnt auf Rache für den Verrat seitens der mysteriösen Geheimorganisation namens Trust. Ebenso wie sein Kontrahent Shepherd versucht er, einige berüchtigte und gefährliche Figuren auf seine Seite zu ziehen und mit ihnen das Ende seines größten Feindes zu bewirken. Doch seine Pläne schlagen erst einmal fehl; Dizzy Cordova, gerade erst aus dem Knast entlassen, erteilt ihm eine Absage und schlägt sich auf die Seite Shepherds. Cole hingegen hat nichts Besseres zu tun, als aus lauter Frust eine Bande von Ganoven auszuhebeln und sie in einem blutigen Gemetzel niederzustrecken. Und die übrigen Figuren auf dem Schachfeld der beiden Kontrahenten? Benito Medici, Sohn von Trust-Leader Augustus, ist noch nicht dazu imstande, die Führung zu übernehmen. Lono hat erst mal nur einen Blick für Bares und lässt sich von Shepherd für eine hohe Summe engagieren. Für Graves wird’s daher auch eng. Er wendet sich an Wylie Times und unterbreitet ihm ein Angebot, dass dieser kaum ausschlagen kann. Doch der Mann will nicht morden …

_Meine Meinung_

Nachdem |Panini| den gesamten Vertrieb der |Vertigo|-Comics übernommen haben, sind auch einige längst angelaufene Serien ins Programm übergegangen, so zum Beispiel die preisgekrönte Serie „100 Bullets“ des Star-Gespanns Brian Azzarello und Eduardo Risso. Mittlerweile ist hier schon der sechste Band erschienen, der gleichzeitig auch das |Panini|-Debüt markiert, jedoch aufgrund seines komplexen Inhalts den Einstieg in die Serie nicht gerade einfach gestaltet.

Zwar bekommt der Leser nach dem umfassenden Vorwort und der darin enthaltenen Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse einen groben Überblick über die vergangenen Geschehnisse in der Welt der beiden Kontrahenten Graves und Shepherd, doch weil man sich im Zuge der sechs Kurzgeschichten in „100 Bullets Bd. 6 – Sechs im roten Kreis“ erst noch mit allen Charakteren vertraut machen muss und im Grunde genommen nicht die gesamte Tiefe des Inhalts erfassen kann, ist der Einstieg in diese kunstvolle Comicserie definitiv zu diesem Zeitpunkt recht ungünstig. Gott sei Dank kann man aber auch schon wieder Entwarnung geben, denn in Bälde werden die ersten Bände von „100 Bullets“ neu aufgelegt, so dass man sich den gesamten Komplex erarbeiten kann.

In der vorliegenden sechsten Episode werden sechs Figuren, die unmittelbar mit dem Trust in Verbindung stehen und auch Kontakte zu Graves und Shepherd haben, noch einmal näher beleuchtet. Sie sind allesamt skurrile, teils auch vollkommen kranke Personen, damit aber auch genau die richtigen Puzzlesteine, die die beiden Protagonisten im Kampf gegeneinander einzusetzen vermögen. Der bösartige Graves bereitet sich dabei auf die letzte Auseinandersetzung mit dem Trust vor, dem er einst vorstand. Lediglich die Kaltstellung Shepherds kann ihm die ersuchte Genugtuung bringen, doch der ist sich seiner Situation bewusst und lässt seine finanziellen Mittel spielen, um sich einerseits zu schützen und andererseits ebenfalls eiskalte Killer anzuheuern, die Graves ein für allemal erledigen sollen.

In sechs Kurzgeschichten werden diese mutmaßlichen Killer vorgestellt bzw. ein Teil ihrer Vergangenheit in minimalen Reflexionen aufgearbeitet. Daraus geht allerdings nicht genau hervor, welche Rolle sie einst gespielt haben bzw. wie man sie einschätzen kann – und genau dies entwickelt sich an einigen Stellen zu einer ernsten Problematik, die einem erst verständlich wird, wenn man ein Wissen über die Vergangenheit und damit über die bisherigen fünf Bände hat. Doch dies kann man weder dem Autor noch sonst irgendwem zum Vorwurf machen, sondern es ist lediglich das Manko einer Veröffentlichungsproblems, welches aber schon in Kürze durch die Neuauflage der ersten Bände wieder ausgemerzt wird.

Die sonstigen Eindrücke dieses Comics sind indes überwältigend. Jede Kurzgeschichte wird für sich auf den Punkt gebracht und enthüllt einige der markantesten Charaktere der modernen Comicwelt. Mit fiesen Methoden kämpfen sie sich durch eine Welt von Verschwörungen, Unwahrheiten, Korruption und Skrupellosigkeit und übernehmen darin Rollen, denen sie zum Teil gar nicht gewachsen sind, und die sie gar nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren wollen. Doch die Macht anderer und der Einfluss materieller Dinge treiben sie dazu, ein Marionettendasein einzunehmen und sich von den beiden einflussreichsten Männern ihres Umfelds zu mehreren unmoralischen Aktionen hinreißen zu lassen.

Insofern ist „Sechs im roten Kreis“ auch ein wirklich genialer Comic und darüber hinaus auch ein kleines Stück echte Kunst. Azzarello hat eine verdammt harte Story mit brutaler Action, mentaler Gewalt und einer „Pulp Fiction“-artigen Coolness entworfen, deren makaberen Inhalten man sich nach kurzer Eingewöhnungszeit nur schwer entziehen kann. Dennoch plädiere ich dafür, erst einmal zu warten, bis die Serie in chronologischer Form erhältlich ist, denn ein umfassendes Grund- und Vorwissen ist für den sechsten Band dringend erforderlich. Aber bei einer solch lohnenswerten Sache und einer inhaltlich derart brillant abgestimmten Story nimmt man selbst längere Wartezeiten gerne in Kauf. Ich jedenfalls danke |Panini|, dass sie solch eindrucksvolle Schmankerl in ihr Programm aufgenommen haben.

http://www.paninicomics.de

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