Barclay, James – Elfenmagier (Die Chroniken des Raben 6)

Band 1: [„Zauberbann“ 892
Band 2: [„Drachenschwur“ 909
Band 3: [„Schattenpfad“ 1386
Band 4: [„Himmelsriss“ 1815
Band 5: [„Nachtkind“ 1982

Mit sehr viel Freude, gleichzeitig aber auch einigen Tränen ob des Endes dieser fantastischen Fantasy-Reihe, habe ich diesem Moment entgegengeblickt. Endlich ist der letzte Band der „Chroniken des Raben“ auf den Markt gekommen und die wiederum dreimonatige Durststrecke seit dem letzten Buch „Nachtkind“ vergangen. Seit dem Beginn der Serie hier in Deutschland im September 2004 verschlinge ich nun schon die Bücher um das legendäre Söldnergespann und ihre Abenteuer in der Fantasy-Welt in Balaia und bin dabei auch zu der Meinung gelangt, dass James Barclays Serie im Hinblick auf die eher kompakte phantastische Literatur – dazu gehören zum Beispiel nicht die ewig langen Tad-Williams-Epen – die wohl beste und spannendste Story überhaupt bietet. Daher bin ich auch sehr erleichtert über die Tatsache, dass „Elfenmagier“ nicht die letzte Geschichte um den Raben ist. In „Die Legenden des Raben“ werden die Chroniken schon im Mai dieses Jahres eine deutschsprachige Fortsetzung erfahren, deren zweiter Teil ebenfalls schon angekündigt wurde, und zwar für den September dieses Jahres. Und schon jetzt kann man gespannt sein, ob Barclay das hohe Niveau noch einmal wird erreichen können. Aber bei solchen Superhelden braucht er sich eigentlich keine Sorgen zu machen. Aber gut, das ist alles noch Zukunftsmusik, widmen wir uns lieber der aktuellen Veröffentlichung, sprich dem großen Finale in Band 6.

_Story_

Die Hafenstadt Arlen steht kurz vor der Invasion. Sowohl das Kolleg der Dordovaner als auch die Abgesandten aus Lystern unter der Führung von General Darrick sind auf der Suche nach Erienne, deren Tochter auf einer fernen Insel das magische Gleichgewicht der Kollegien durcheinander gebracht hat und zur Gefahr für ganz Balaia geworden ist. Und tatsächlich gelingt es Selik, dem Anführer der Schwarzen Schwingen, die sich wiederum mit den Dordovanern verbündet haben, die Raben-Magierin gefangen zu nehmen und mit dem Elfenschiff |Meerulme| in See zu stechen.

Währenddessen beratschlagen sich Denser, Ilkar und der Unbekannte Krieger darüber, wie es gelingen kann, aus dem Gefängnis auszubrechen. Die Antwort folgt auf den Fuß; Hirad Coldheart eilt seinen ehemaligen Verbündeten und im Streit geschiedenen Kumpanen zur Hilfe. Gemeinsam beleben sie den Raben neu und schließen sich mit dem desertierten Darrick zusammen, um die Streitmacht der Dordovaner aufzuhalten. Doch diese scheint viel zu mächtig, und bereits in Arlen kommt es zu heftigen Gefechten, bei denen der Unbekannte schwer verletzt wird. Dennoch gelingt es dem Team, ein Schiff zu entern und die Verfolgung aufzunehmen. Mit an Bord: der Gestaltenwandler Thraun, der in der Abgeschiedenheit des Waldes mit seinem Wolfsrudel gelebt hat und nach dessen Tod langsam aber sicher wieder menschliche Züge annimmt. Jedoch ist auch sein Leben in Gefahr, und schon seit Tagen regt er sich nicht mehr.

Für den Raben gilt es jetzt, Erienne noch schneller zu befreien, denn das Leben einiger ihrer Mitstreiter hängt von einer zügigen Heilung ab, die nur die verratene Magierin aus Dordover gewährleisten kann. Es beginnt ein Wettlauf auf hoher See, der für beide Gruppen zusätzlich durch die immer wieder aufkeimenden Unwetter behindert werden, welche durch die unkontrollierten Energien aus Lyannas Mana entfacht werden. Und wenn Denser und Erienne nicht rechtzeitig ihre Tochter erreichen und nach alter Überlieferung das Gleichgewicht mit einer magischen Formel wieder herstellen, droht ganz Balaia der Untergang – selbst wenn einer von ihnen dabei den sicheren Tod finden wird …

_Meine Meinung_

Nach dem vierten Band wagte sich James Barclay zeitversetzt noch einmal an eine neue Rahmenhandlung, die er nun auch schon im letzten Band wieder zu Ende bringt. Gab es damals noch einen Zeitsprung, der im Buch eine Periode von circa sechs Jahren umfasste, setzt der Autor die Geschichte im „Elfenmagier“ unmittelbar fort und landet dabei auch direkt in einem brutalen Kampfszenario inmitten der ansonsten so friedlichen Hafenstadt Arlen. Und mit diesem Gefecht beschäftigt sich Barclay schließlich auch ziemlich lange, geht näher auf die einzelnen Duelle ein und zeigt erneut ein sehr gutes Gespür für die Darstellung von Schwertkämpfen und magischen Waffen. Meines Erachtens hätte man aber dennoch diese umfangreiche Beschreibung ein wenig kürzen können und sich stattdessen am Ende ein wenig ausführlicher über die genauen Hintergründe der gesamten Handlung auslassen sollen. Man muss das Buch gelesen haben, um diese Aussage zu verstehen, denn es ist schon so, dass sich der Autor nach dem finalen Showdown ein wenig kurz fasst. Aber wer weiß, vielleicht knüpft ja das nächste Buch schon nahtlos hier an …

Ansonsten ist „Elfenmagier“ wiederum ein makelloser Vertreter dieser Reihe und zeigt den Raben in bester Form. Die Differenzen untereinander sind überwunden und man kämpft wieder stolz Seite an Seite gegen das verräterische Kolleg aus Dordover mit seinem Anführer Vuldaroq und gegen den Anführer der Schwarzen Schwingen, Selik, von dem man eigentlich schon glaubte, er sei tot. Besonders Erienne hat mit ihm schon seit langer Zeit eine Rechnung offen, schließlich war er derjenige, der einst ihre beiden Söhne umgebracht hat. Aus diesem Grunde ist das wahre Böse in „Elfenmagier“ auch klar definiert und wird fast ausschließlich auf die Schultern von Selik übertragen. Während es eigentlich andere sind, die die Hauptlast des Kampfes gegen den Raben auf sich nehmen, steht er als Symbol für die Verlogenheit der ehemals befreundeten Kollegien, gegen das man nach und nach eine echte Abscheu entwickelt. Alleine für seine Charakterisierung verdient Barclay großen Applaus.

Weiterhin sehr schön beschrieben ist der Zwiespalt im Gemüt der Raben-Magier. Denser und Erienne sind sich dessen bewusst, dass einer von beiden sich für den Fortbestand der einen Magie und zugunsten des Weiterlebens ihrer Tochter Lyanna opfern muss. Doch auch ein weiterer Magier hat hart mit sich kämpfen, nämlich der unscheinbare Ilkar. Lyanna zu retten, hieße gleichzeitig, die Magie seines Kollegs aufzugeben, und im entscheidenden Moment bekommt der Elf aus Julatsa diesbezüglich arge Zweifel.

Im Vergleich zu anderen Büchern über den Raben sind die Rollen der Charaktere in „Elfenmagier“ wieder gerechter verteilt. Heimliche Helden wie Denser und Hirad werden nicht mehr bevorzugt und sind den anderen gegenüber – speziell nach dem dummen Streit vor der Ankunft in Arlen – gleichgestellt. Erienne übernimmt zwar eine übergeordnete Hauptrolle, aber dies liegt auch am Verlauf der Geschichte und ihrer Entführung, infolge derer sie zur begehrtesten Person in ganz Balaia wird. Ansonsten kommen hier alle Mitglieder des Raben (ausgenommen Thraun) in gleichem Maße zum Zuge, und das gab es eigentlich schon seit dem ersten Band nicht mehr.

Alles in allem ist „Elfenmagier“ sicherlich eines der actionreichsten Bücher der Serie. Im Gegensatz zum eher Charakter-bezogenen Vorgängerbuch wird der Großteil dieses Bandes von kriegerischen Handlungen bestimmt und entschieden. Barcley baut einen sehr gelungenen Spannungsbogen auf, der in einem unvermeidbaren, finalen Showdown ausartet, bei dem sich die Zukunft von ganz Balaia entscheidet. Wie es ausgeht …? Nun, das muss sich jeder selber erarbeiten. Nur so viel: Es ist ein sehr überraschendes Ende, das der Autor aber unter Umständen auch gebraucht hat, um einen etablierten Rahmen für die demnächst erscheinende Fortsetzungs-Reihe zu schaffen. An meiner erneuten Begeisterung hat sich demnach auch nichts geändert. Einmal mehr fasziniert von der Welt der Rabenkrieger, fiel es mir von Seite zu Seite schwerer, dem Ende entgegenzutreten, und ich kann meine Erleichterung darüber, dass dieses Ende nicht endgültig ist, schon kaum mehr in Worte fassen. All das spricht sicherlich dafür, wie genial und beeindruckend „Die Chroniken des Raben“ sind, und ich bin mir jetzt schon sicher, dass ich mir eines Tages die gesamte Erzählung noch mal von Anfang an durchlesen werde. Aber ich schweife ab. Wer sein Desinteresse an dieser Serie bislang immer damit begründet hat, dass sie noch nicht komplett erhältlich ist, wird jetzt keine Ausrede mehr finden und ist in die Pflicht genommen. Ein Meisterwerk der modernen Fantasy-Literatur steuert in „Elfenmagier“ seinem vorläufigen Ende entgegen und sollte mit sofortiger Wirkung in jede gut sortierte Sammlung aufgenommen werden. Mr. Barclay, Sie haben ein wahrhaft göttliches Werk vollbracht!

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