Demaegd, Cyril – Ys

_Ys … Ys … Ystari_

Es war einmal ein französischer Verlag, der nannte sich |Ystari|, veröffentlichte bereits zu Debützeiten einige angehende Klassiker und erhielt spätestens mit dem Reichtum an Auszeichnungen für das viel gepriesene „Caylus“ in internationalen Spielerkreisen die gebührende Aufmerksamkeit. Während die Erfolgsgeschichte des einst so kleinen Verlags auch rechtzeitig zur |SPIEL ’07| kein Ende zu nehmen scheint, stöbern immer mehr Neulinge im wirklich interessanten Fundus von |Ystari Games| und werden dort früher oder später auf einen Titel stoßen, der einst parallel zu „Caylus“ präsentiert und publiziert wurde, im Trubel um das fantastische Strategiespiel jedoch beinahe gänzlich unterging: „Ys“. Erst jetzt rückt das Spiel immer deutlicher in den Fokus und hat sich nun, zwei Jahre nach deutscher Erstveröffentlichung, völlig zu Recht als kleiner Bruder des Taktikriesen etabliert. Definitiv Zeit also, „Ys“ einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

_Spielidee_

Der mächtige König Gradion beschloss dereinst, seiner Tochter Dahut die herrliche Stadt Ys zu erbauen und sie zur wertvollsten Stadt der gesamten Bretagne zu machen. Gesagt, getan: Nach der Errichtung der schützenden Deiche florierte das Leben in der Stadt, und auch der Handel stand nie still, nachdem die Königstochter ihren Drachen aussandte, um sich der prall gefüllten Handelsschiffe zu bemächtigen, die fortan den Hafen von Ys ansteuern sollten. Edelsteine sind seitdem auch das wichtigste Gut der Stadt und somit auch das Prestigeobjekt für die Spieler des gleichnamigen Brettspiels. Diese nämlich mimen nun die Händlerprinzen von Ys und übernehmen mit Hilfe ihres Netzwerks von Mittelsmännern den Edelsteinvertrieb der Stadt, um so ihr Gold stetig anzuhäufen. Verdeckt bieten sie in den vier Stadtvierteln für Edelsteine, Einfluss und Gold und bestimmen überdies auch den Marktpreis der begehrten Waren. Letztendlich bleibt Gold jedoch das wertvollste Gut – und wer hiervon am Ende der vier Spielrunden das meiste besitzt, gewinnt.

_Spielmaterial_

• 1 Spielplan
• 56 Mittelsmänner
• 5 Markierungssteine
• 145 Edelsteine
• 1 Set Aufkleber
• 4 Sichtschirme
• 19 Personenkarten
• 24 Schiffskarten
• 6 Spielerreihenfolge-Karten
• 1 Spielregel

Bei der Gestaltung des Spielmaterials haben sich Ystari ganz klar auf die beiden Werte Anschaulichkeit und Stabilität konzentriert, ohne dabei die Optik in irgendeiner Form auszublenden. Der bunte Spielplan macht nämlich definitiv auch etwas fürs Auge her, wenngleich man bei der Kreation der Stadtviertel vielleicht noch etwas mehr Abwechslung hätte einbringen können. Allerdings entschädigt die sehr gute Übersicht diesbezüglich Enttäuschte auf Anhieb wieder, wobei man generell erstaunt sein muss, dass so viele Handlungsräume auf einem vergleichsweise kleinen Plan untergebracht werden konnten – sehr schön, was die beiden Geschwister Cyril und Amaud Demaegd hier aus ihren Möglichkeiten gemacht haben.

Darüber hinaus gefallen die schlichten, aber eben jederzeit stabilen Holzmaterialien, hier verwendet für Mittelsmänner und Edelsteine. Kurzum: Echte Qualitätsarbeit!

_Vorbereitung_

Vor dem ersten Spiel werden zunächst die Aufkleber auf die Mittelsmänner geklebt und diese für alle folgenden Spielrunden präpariert. Anschließend wird der Rundenzähler auf das erste Feld in der entsprechenden Leiste gelegt. Die Schiffskarten werden gemischt und verdeckt neben dem Spielfeld platziert. Dort hält man auch die Karten der Spielerreihenfolge bereit. Die Personenkarten hingegen werden zunächst in blaue und gelbe Karten getrennt. Letztere werden ebenfalls gemischt und zwölf von ihnen blind gezogen. Nun wird auf das Ablagefeld eines jeden Stadtviertels zunächst eine blaue und darauf jeweils drei gelbe Personenkarten gelegt. Am Markt werden die Edelsteinpreisleisten mit jeweils einem Stein in blau, grün, gelb und rot gefüllt. Als Letztes bekommen die Mitspieler ihre aktiven Spielmittel, soll heißen Mittelsmänner und Sichtschirm. Drei Mittelsmänner mit dem Wert ‚2‘ werden nicht benötigt und bleiben in der Spielschachtel, so dass elf Mittelsmänner übrig bleiben.

_Spielablauf_

„Ys“ gliedert sich pro Runde in genau vier Spielphasen, die von den Spielern weitestgehend aktiv gestaltet werden. Eine Runde gliedert sich dabei wie folgt:

|1.) Die Aufstellung|

In jedem Stadtviertel wird die oberste Personenkarte aufgedeckt. Des Weiteren werden die obersten vier Schiffkarten gezogen und jeweils eine in die vier Häfen der Stadt gelegt. Eine fünfte Schiffskarte bestimmt schließlich die Steine, für die man am Markt bieten kann. Sind alle Karten und Edelsteine platziert, endet die Phase bereits.

|2.) Ermittlung der Spielerreihenfolge|

Die Spieler haben nun bereits die Mittelsmänner hinter ihren Sichtschirmen versteckt und beginnen nun zu taktieren. In Phase 2 wird nämlich die Reihenfolge ermittelt, in der die Spieler fortan ihren Zug machen können – und dies per Gebot. Es ist nämlich nicht so, dass bei „YS“ im Uhrzeigersinn gespielt wird. Jeder Spieler nimmt nun verdeckt zwei Mittelsmänner und setzt sie mit der Wertziffer nach unten vor den Sichtschirm. Anschließend werden sie gleichzeitig aufgedeckt. Derjenige mit der höchsten Summe darf sich nun für ein Kärtchen mit der gewünschten Position in der Handlungsreihenfolge entscheiden, derjenige mit der zweithöchsten Summe danach, usw. Bei Gleichstand wird die Position in der Vorrunde beherzigt. Spieler, die dort später am Zuge waren, müssen ihren Kontrahenten in diesem Fall den Vortritt überlassen.

Die Spielerreihenfolge ist ein wichtiges Element im Spiel, da es sich durchaus lohnt, hier den letzten Platz zu belegen, um später auf die Züge der Gegner noch rechtzeitig reagieren zu können. Daher sollte man gerade hier nicht zimperlich mit seinen Ressourcen umgehen!

|3.) Das Einsetzen der Mittelsmänner|

Die dritte Spielphase ist gleichzeitig wohl auch die spannendste, zumal hier auch beinahe ausschließlich Taktik und Strategie greifen. In der jeweiligen Spielerreihenfolge setzt man nun reihum im steten Wechsel seine Mittelsmänner ein, und zwar immer zwei zur gleichen Zeit, nämlich einen offen und einen verdeckt. Insgesamt kann man auf diese Weise viermal (also acht Mittelsmänner) einsetzen. Der Einsatz erfolgt sowohl in den drei Gegenden der Stadtviertel als auch auf dem Markt. Wer sich für Letzteren entscheidet und dort einen Mittelsmann unterbringen kann, bekommt aufgrund des so genannten Marktbonus sofort einen Siegpunkt gutgeschrieben. Lediglich ein Mittelsmann bleibt nun noch übrig; er gesellt sich zu den bereits für diese Runde ausgeschiedenen Mittelsmännern, die seit der Wahl der Spielerreihenfolge vor dem Sichtschirm warten.

|4.) Abrechnung|

Sobald jeder Spieler acht Mittelsmänner auf dem Plan untergebracht hat, erfolgt die Abrechnung. Zunächst wird nun jedes Stadtviertel einzeln gewertet, und darin noch einmal separat die drei Gegenden Hafen, Geschäfte und Palast. Alle verdeckten Mittelsmänner werden nun umgedreht; anschließend wird die Summe im gesamten Stadtviertel verglichen; derjenige mit den meisten Punkten erhält nun zwei der vier angepriesenen Edelsteine im Hafenviertel, der zweite darf aus den übrigen beiden wählen und der Drittplatzierte bekommt immerhin noch den verbliebenen. Dann wird in genau diesem Viertel ein ähnlicher Vergleich im Hafen geführt. Wer hier führt, erhält einen schwarzen Edelstein. Im Geschäft bekommt der Bestplatzierte indes drei Goldstücke (sprich Siegpunkte auf der Zählleiste), und wer im Palast auftrumpft, darf sich die aufgedeckte Personenkarte des Viertels nehmen, die einige interessante Zusatzmöglichkeiten für die nächsten Runden offenbart.

Auch auf dem Markt wird gewertet. Auf dem 4×4 Felder großen Marktplatz betrachtet man zunächst waagerecht die einzelnen Summen zur Ermittlung der zuvor platzierten Edelsteine, die anschließend an die meistbietenden verkauft werden. Bei Gleichstand entscheiden dann jedoch zunächst die Anzahl der Mittelsmänner und dann erst eventuell noch die drei Mittelsmänner vor dem Sichtschirm in ihrer Summe. Doch auch die Summe in senkrechter Form – unabhängig von den Besitzern der Mittelsmänner – wird gewertet. Die Edelsteinfarbe mit der höchsten Gesamtsumme steigt im Preis um zwei Felder, Platz zwei steigt um einen, wohingegen die Ränge drei und vier in dieser Ermittlung sogar einen respektive zwei Preispunkte fallen.

Sobald nun alle Punkte verteilt sind und jeder Spieler seine Edelsteine bekommen hat, beginnt die nächste Runde. Die Spieler nehmen wieder ihre Mittelsmänner auf und beginnen erneut in Phase 1.

_Spielende_

Nach genau vier vollendeten Runden schließt das Spiel mit der großen Abschlusswertung. Jetzt werden die Edelsteinposten der Besitzer noch einmal gesondert abgerechnet und dementsprechend auch das Gold untereinander aufgeteilt. Der Spieler, der die meisten Edelsteine der wertvollsten Sorte besitzt, bekommt für die entsprechende Farbe die meisten Punkte, usw. So wird schließlich jede Edelsteinsorte separat gewertet. Auch die schwarzen Steine bringen Punkte, jedoch ist hier lediglich die Gesamtsumme relevant. Alle Punkte werden anschließend addiert und entsprechend auf der Zählleiste für Gold/Siegpunkte festgehalten. Derjenige, der nun die größte Punktzahl erzielt hat, gewinnt.

_Persönlicher Eindruck_

Auch wenn ich auf der vergangenen Messe des Öfteren bei „Caylus“ hereingeschaut habe und sprichwörtlich von der Ideenfülle und den taktischen Inhalten begeistert war, so gibt es dennoch nur wenige moderne Brettspiele, in denen das Gleichgewicht von Strategie und Glück so sehr in den Bereich des Erstgenannten fällt, wie nun bei „Ys“. Von der ersten Phase der ersten Runde an entscheidet jeder Spieler wirklich unabhängig über sein Glück und hält Zug für Zug alle Trümpfe selber in der Hand. Dabei ist der Spielablauf grundsätzlich eigentlich weniger komplex, jedoch gilt es bei der Verteilung seiner Mittelsmänner allerhand zu bedenken. Man darf wirklich kein Stadtviertel aus den Augen lassen, muss darauf achten, dass die Gegner im Gleichgewicht gehalten werden und sich keinen individuellen Vorteil verschaffen, ist gezwungen, auf dem Markt mitzubieten, um den Preis für die bereits im eigenen Besitz befindlichen Edelsteine hochzudrücken, und sollte auch nicht vergessen, den einen oder anderen schwarzen Edelstein oder doch eine Personenkarte einzuheimsen. Selbst vermeintliche Kleinigkeiten wie die Spielerreihenfolge spielen eine übergeordnete Rolle und müssen in das strategische Denken immer wieder von neuem einbezogen werden, um nicht plötzlich unverhofft ins Hintertreffen zu geraten. Doch je mehr man hier bietet, desto weniger Potenzial bleibt für die Verteilung der Mittelsmänner – und so ist es ein ständiges Abwägen um den eigenen Spielraum, auf dem man immer wieder neue Mittel, Wege und auch Taktiken finden wird, die einem später zum Sieg verhelfen könnten.

Das Potenzial von „Ys“ ist folglich auch beinahe unerschöpflich, weil einfach keine Runde wie die vorherige sein wird. Man wird lernen, mit Prioritäten zu experimentieren, neue Schwerpunkte zu setzen und auf der Suche nach dem besten Mittelweg einiges an Erfahrung sammeln, dabei aber letzten Endes doch nicht wissen, ob er gegen die Strategien der Kontrahenten wirklich wirksam ist.

Um es auf den Punkt zu bringen: „Ys“ ist ein herrliches und gleichsam faszinierendes, in seiner Vielfalt nahezu unbegrenztes Mehrheitenspiel, welches ob der strategischen Nichtlimitierung regelrecht süchtig macht. Und gleichzeitig ist es genau eines dieser Spiele, welche glasklar definieren, warum dieser französische Verlag mitunter die derzeit hochwertigsten Genre-Veröffentlichungen publiziert und man beim Klang des Namens |Ystari| heuer schon fast bedenkenlos die Geldbörse zücken darf. „Ys“ gehört ohne Wenn und Aber in jede vernünftig sortierte Spielesammlung!

http://www.huchandfriends.de/

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