Klewe, Sabine – Schattenriss

Die 38-jährige Sabine Klewe, selbstständige Literaturübersetzerin und Dozentin in Düsseldorf, gibt mit „Schattenriss“ ihr Romandebüt. Der Inhalt ihres 227 Seiten umfassenden Erstlingswerkes ist schnell erzählt. Die Landschaftsfotografin Katrin Sandmann fotografiert für einen Artikel über Sterbehilfe des Niederkassler Kuriers Gräber auf dem Düsseldorfer Südfriedhof. Am nächsten Morgen wird auf einem dieser Gräber eine Leiche gefunden. Alles sieht danach aus, als hätte die 15-jährige Schülerin Tamara Arnold Selbstmord begangen, doch Katrin entdeckt auf den Fernsehbildern, dass etwas auf dem Grab fehlt. Auf den von ihr aufgenommenen Bildern wird der Grabstein von der Figur eines kleinen steinernen Engels geziert. Sie zeigt ihre Fotos der Polizei und tatsächlich ist der steinerne Engel verschwunden. Zuerst glauben die Ermittler Komissar Klaus Halverstett und Rita Schmitt nicht an einen Zusammenhang, doch dann ergeben sich neue Hinweise.

Tamara war nicht allein auf dem Friedhof, laut Obduktionsbericht hatte sie kurz vor ihrem Tod noch Geschlechtsverkehr. Dabei ist beunruhigend, dass Tamaras Körper mit Schnittwunden und Striemen übersäht ist. Einige dieser Wunden sind fast schon vernarbt. Wurde Tamara über längere Zeit missbraucht?
Als Katrin nach einer weiteren Befragung vor dem Polizei-Präsidium Tamaras Eltern kennen lernt, fühlt sie sich verpflichtet, zur Aufklärung des Falles beizutragen, und fängt an auf eigene Faust zu ermitteln. Mehr zufällig als aufgrund detektivischer Fähigkeiten, gelingt es ihr auch den Fall zu lösen, dabei gerät sie in tödliche Gefahr.

Die Geschichte um den Mord an Tamara Arnold hätte sehr großes Potenzial geboten, einen „psychologisch-intelligenten“ (Klappentext) Krimi zu schreiben, Sabine Klewe schafft es jedoch nicht, aus einem zweitklassigem Krimi – den man innerhalb weniger Stunden gelesen und in genauso kurzer Zeit auch wieder vergessen hat – einen wirklich erstklassigen Psycho-Thriller zu machen. Möglichkeiten dazu hätte sie genug gehabt, denn „Schattenriss“ bietet einen äußerst interessanten Plot, der sich im Verlauf der Geschichte auch spannend entfaltet. Leider hat der Roman aber ein paar Ecken und Kanten, die dem Lesevergnügen eher abträglich sind.

Die Geschichte des Opfers Tamara Arnold, mit ihrem Hang zur Selbstverstümmelung und Masochismus, und die Motivation zu ihrem Mord bleibt zum größten Teil im Dunkeln. Was hat dieses Mädchen dazu getrieben, sich selbst zu verletzen? Warum erpresste die ehemals sehr gute Schülerin ihren Chef in der Videothek und versteckt dann das Geld in ihrem Zimmer? Sabine Klewe benutzt den Mord an Tamara nur als etwas, das aufgeklärt werden muss, unter der Prämisse: Wenn der Mörder gefunden wurde, wird schon wieder alles gut. Der Mörder in „Schattenriss“ ist aber kein Serienkiller, der sich ein x-beliebiges Opfer ausgesucht hat, Tamara wurde gerade wegen ihrer drastischen Veränderung vom netten Mädchen in eine selbstzerstörerische, erpresserische Masochistin umgebracht. Was hat Tamara Arnold so verändert, dass der Mörder sich gezwungen sah, sie umzubringen? Die Beantwortung dieser Fragen hätte dem Leser sicherlich einen emotionaleren Blick auf den Mord verschaffen können.

Profitiert hätte der Roman auch von einer sorgfältigeren Ausarbeitung der übrigen Figuren. Manche der aufgeführten Charaktere hätte man komplett streichen können, so nutzlos und uninteressant sind sie für den Verlauf der Geschichte (Rita Schmitt). Einige spielen nur Hinweisgeber für die Hauptfigur, bleiben für die Geschichte jedoch völlig bedeutungslos und austauschbar. Ein „Schuss Romantik“ sollte sich wohl aus der Beziehung von Katrin Sandmann mit Manfred Kabritzky ergeben, man erfährt jedoch so gut wie nichts über den Reporter. Eine Zeitlang gibt er Hinweise, dann ist er Katrins Hauptverdächtiger (aufgrund eines unglaubwürdigen Indizes), dann darf er die Heldin aus einer lebensbedrohlichen Situation retten, trotzdem ist während des ganzen Romans von Gefühlen zwischen den beiden nichts zu spüren.

So richtig schlecht ist dann aber die Aufklärung des Falles durch Katrin Sandmann. Das Indiz, das sie letztendlich zum Mörder führt, ist vollkommen lächerlich. Ohne einen richtigen Hinweis, nur einem Gefühl nach, besucht sie am Ende den Mörder, der, obwohl sie noch keine Frage gestellt hatte, sofort gesteht. Dann legt er Katrin Handschellen an, die dabei völlig passiv bleibt und holt erst danach einen Messer, mit dem er sie bedroht. Anschließend muss sie natürlich vom strahlenden Helden gerettet werden, den sie vorher zu Unrecht beschuldigt hat (s. o.).

Fazit: „Schattenriss“ ist ein durchaus spannender Krimi, bei dem der Mörder nicht schon auf den ersten Seiten klar ist. Dabei bleibt er allerdings meilenweit unter seinem Potenzial, die Figuren bleiben leblos und die Aufklärung des Falles ist nicht wirklich nachvollziehbar.

Zu erwähnen wäre noch ein merkwürdiger Druckfehler, der sich durch das gesamte Buch zieht, anstelle der Buchstabenkombination vera wurde rita gedruckt also z. B. „ritabreden“ für „verabreden“. Das stört den Lesefluss an manchen Stellen dann doch erheblich.