Ellroy, James – Black Dahlia – Die schwarze Dahlie

James Ellroy gehört zu den großen Kriminalautoren unserer Zeit, und so ist es kein Wunder, dass sein Erfolgsbuch „Die schwarze Dahlie“ im letzten Jahr mit einer Starbesetzung und unter der Regie von Brian de Palma in die Kinos kam. Für |Ullstein| ist das Grund genug, um den Roman von 1988 nochmals herauszubringen.

Im Mittelpunkt steht Ich-Erzähler Bucky Bleichert, Polizist in Los Angeles, der in Lee Blanchard, einem hochgewachsenen, meist skrupellosen Polizisten, der mit der ehemaligen Freundin eines Gangsters zusammenwohnt, nicht nur einen Partner, sondern auch einen guten Freund findet.

Das Ermittlungsgeschick der beiden ist gefragt, als 1947 die schrecklich zugerichtete Leiche einer 22-jährigen vor einem heruntergekommenen Haus gefunden wird. Bei der Toten handelt es sich um die naive Elizabeth Short, die nach L. A. gekommen war, um beim Film groß herauszukommen – wie so viele andere Mädchen. Tatsächlich landete sie ständig in den Betten anderer Männer und verstrickte sich in Lügengeschichten von Ehen mit tapferen Soldaten anstatt ein Filmstudio auch nur von außen gesehen zu haben.

Der gesamte Polizeiapparat steht unter großem Druck, denn einen Fall, der so hohe Wellen in der Öffentlichkeit schlägt, sollte man nicht ungelöst lassen. Doch obwohl Bleichert und Blanchard ihr gesamtes Repertoire an legalen und illegalen Ermittlungsmethoden ausschöpfen, kommen sie nicht voran. Währenddessen wird der Fall für Blanchard eine Art Obsession, da ihn die Tote, die aufgrund ihres exzentrischen Aussehens – sie färbte sich die Haare schwarz und trug nur schwarze Kleider – von der Presse als Schwarze Dahlie bezeichnet wird, an seine verschwundene kleine Schwester erinnert.

Und auch Bucky verliert den Bezug zur Realität. Er fühlt sich nicht nur von Kay, der Freundin Blanchards, angezogen, sondern beginnt auch ein Verhältnis mit der verwöhnten Unternehmertochter Madeleine Sprague, die sich auffällig für den Fall der Schwarzen Dahlie interessiert …

Was Ellroys Roman vor allem auszeichnet, sind der hohe Realismus und das hohe Maß an Misstrauen, das er seinen Charakteren entgegenbringt. In „Black Dahlia – Die schwarze Dahlie“ gibt es keinen strahlenden Protagonisten – jeder hat Dreck am Stecken und das, obwohl die meisten Personen Gesetzeshüter sind. Aber gerade dieser Dreck am Stecken lässt die Charaktere unglaublich authentisch aussehen und ihre undurchsichtigen Verwicklungen sorgen innerhalb der Handlung immer wieder für Überraschungsmomente.

Diese Überraschungsmomente kann die Handlung ab und an ganz gut gebrauchen. Obwohl die Atmosphäre des Buches stimmt, zieht sich die Handlung an einigen Stellen etwas zu sehr in die Länge. An anderen Stellen weiß sie dagegen zu überraschen und ein beträchtliches Maß an Spannung aufzubauen. Allerdings ist gerade die Auflösung des Falls, die zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr im Vordergrund steht, ein wenig zu haarsträubend geworden.

Was steht denn dann im Vordergrund, wenn nicht der Kriminalfall? Ganz einfach. Es ist Buckys Leben nach dem Verschwinden seines Partners Lee Blanchard. Denn „Black Dahlia – Die schwarze Dahlie“ ist mehr als ein Kriminalfall und geht weit über den stereotypen Ermittlerroman hinaus. Es behandelt viel mehr das Leben von Bleichert, zusammen mit seinen Frauengeschichten und der Männerfreundschaft zu Blanchard. Dadurch bekommt das Buch sehr viel psychologische Tiefe und hebt sich wohltuend von anderen Kriminalromanen ab.

Der Autor zeichnet folglich ein sehr düsteres Bild vom L. A. der 40er Jahre, das er mit dem ebenfalls recht düsteren Ich-Erzählerschreibstil noch eindrücklicher gestaltet. Bucky Bleichert zeichnet sich auch sprachlich nicht gerade durch Überkorrektheit aus, was zu einigen Flüchen und politisch unkorrekten Äußerungen führt. Dadurch und durch die lakonische Schreibweise entsteht eine beinahe schon filmische Atmosphäre, die an alte Ermittlerstreifen erinnert. Da sowohl Bleichert als auch Blanchard früher leidenschaftliche Boxer waren (und auch mal gegeneinander im Ring standen), würzt Ellroy seine Schreibe noch mit ein wenig Boxerslang, was das Ganze noch verruchter erscheinen lässt.

In der Summe ist „Black Dahlia – Die schwarze Dahlie“ das gestochen scharfe Portrait der Traumfabrik L. A. in den 40er Jahren und eines Ermittlerpaares, das sowohl im dienstlichen als auch im privaten Leben keine weiße Weste aufweist. Auch wenn der Kriminalroman an einigen Stellen in der Handlung schwächelt, tut er sich mit einer wunderbar düsteren Atmosphäre, großartigen Charakteren und einem dreckig-authentischen Schreibstil hervor.

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