Irvine, Ian – magische Relikt, Das (Die drei Welten 2)

Band 1: [„Der Spiegel der Erinnerung“ 3928

Llian und Karan sind den Whelm vorerst entwischt. Aber sie sind mitten in den Bergen, ihr Proviant ist verbraucht, und Llian leidet an der Höhenkrankheit. Karan entschließt sich, Shazmak aufzusuchen, die Feste der Aachim, in der sie sechs Jahre lang gelebt hat. Obwohl sie die Aachim als Freunde betrachtet, hat sie kein gutes Gefühl dabei, denn ihr ist klar, dass Tensor, der Oberste der Aachim, den Spiegel für sich beanspruchen wird. Als Karan und Llian Shazmak erreichen, ist Tensor nicht da. Doch er weiß bereits von dem Spiegel und setzt den Bibliothekar Emmant auf Karan und Llian an. Schon bald schweben die beiden in höchster Gefahr …

Maigraith kämpft derweil gegen die Folter an. Sie ist kurz davor zu zerbrechen; schon ist ihr eine Andeutung über Karan entschlüpft, die ihre Freundin in größte Gefahr bringen wird. Da erscheint eine Illusion von Faelamor und befreit sie aus Fiz Gorgo. Wir Maigraith erwartet hat, ist Faelamor über ihr Versagen höchst verstimmt. Maigraith plagen die üblichen Schuldgefühle, zum ersten Mal jedoch regt sich auch Trotz in ihr. Faelamor spürt diesen Trotz, nimmt ihn allerdings nicht allzu ernst. Ein Fehler …

_Charaktere_

Wurde im ersten Band neben den Hauptfiguren Karan und Llian vor allem Yggur etwas deutlicher dargestellt, so sind diesmal Faelamor und Tensor an der Reihe.

Tensor ist Oberster eines einst stolzen und mächtigen Volkes. Mächtig sind die Aachim heute trotz gewisser magischer Fähigkeiten nicht mehr, aber ihr Stolz ist ungebrochen. Tensor erhebt nicht allein deshalb Anspruch auf den Spiegel von Aachan, weil die Aachim ihn einst geschaffen haben, sondern vor allem, weil er glaubt, mit dessen Hilfe die Charon besiegen zu können, die vor langer Zeit den endlosen, blutigen Krieg des Kataklysmus für sich entschieden. Tensor will Rache und die Rückkehr seines Volkes zu seiner alten Macht. Dafür nimmt er sogar in Kauf, dass sein Verhalten seine Ehre beschmutzt, obwohl die Ehre einem Aachim sonst über alles geht.

Faelamor ist die Oberste der Faellem. Mehrmals wird betont, dies bedeute, dass Faelamor nicht nur die Oberste sei, sondern sie sei die Faellem. Was das allerdings genau bedeutet, wurde bisher nicht erklärt. Faelamors einziges Ziel ist, die Faellem wieder in ihre eigene Welt Tallallame zurückzuführen, aus der sie einst kamen, um das Gleichgewicht zwischen den Welten zu bewahren. Die Faellem haben sich in Santhenar nie wirklich zu Hause gefühlt, und inzwischen ist das Heimweh so übermächtig geworden, dass Faelamor jedes Mittel recht ist, ihr Ziel zu erreichen.

Karan wird derweil immer schwächer. Wurde sie im ersten Band hauptsächlich körperlich bedroht, wächst nun die Bedrohung ihres Geistes. Sie fürchtet sich vor Emmant, der geradezu von ihr besessen ist, und kann den Verlust ihrer Freundschaft mit den Aachim nur schwer verwinden. Am meisten setzen ihr jedoch schwere Alpträume zu, die mit den Whelm zusammenhängen. Das Einzige, was sie davon abhält, dem Wahnsinn zu verfallen, ist Llians Gegenwart.

Llian ist immer noch ungeschickt, sowohl mit den Händen als auch im Umgang mit anderen Leuten. Immerhin sorgt seine wachsende Zuneigung zu Karan dafür, dass er allmählich anfängt, auch einmal die Initiative zu ergreifen. Seine Ideen sind meist ziemlich verrückt, und manchmal auch nicht wirklich gut durchdacht. Deshalb halten ihn alle für ziemlich töricht, was ihm gelegentlich zum Vorteil gereicht.

Letztlich gilt für die Charakterzeichnung des zweiten Bandes dasselbe wie für den ersten: Karan und Llian sind wirklich gut getroffen, vor allem Karans wachsende, geistige Angegriffenheit. Tensors und Faelamors Entwurf ist ebenfalls interessant, die Darstellung allerdings ist eher oberflächlich geblieben. Zwar kann man ihre Beweggründe nachvollziehen, sie sind aber nicht intensiv genug geraten, um sie auch nachfühlen zu können. Anders als Yggur oder Idlis bleiben diese beiden fern und kalt.

_Handlung_

Mit ein Grund dafür ist, dass das Hauptgewicht der Erzählung auch hier wieder auf der Handlung liegt. Und wieder besteht diese fast ausschließlich aus Flucht. Zu den ursprünglichen Verfolgern haben sich neue hinzugesellt, das macht es ein wenig komplexer, vor allem die Szenen, die in Narne spielen. Abwechslungsreicher wird das Geschehen dadurch allerdings nicht.

Der Auftritt Faelamors und Tensors hat den Blickwinkel auf die Welt ein wenig mehr ausgeweitet, das meiste besteht jedoch aus Andeutungen, die eine Menge neuer Fragen aufwerfen. Antworten erhält der Leser keine, auch nicht auf diejenigen Fragen, die sich bereits im ersten Band stellten. Die Ausarbeitung ist bisher äußerst grob. Man erfährt kaum etwas über die Aachim – über ihre Magie, ihre Kultur oder dergleichen -, und über die Faellem noch weniger. Der historische Hintergrund zeigt sich lediglich in Llians Geschichten etwas ausführlicher, diese Geschichten sind aber äußerst rar.

Dadurch entsteht der Eindruck, als diene Karans und Llians Flucht nur dazu, Stück für Stück die Spielfiguren auf einem Schachbrett aufzustellen. Tatsächlich ist eine allmähliche Erweiterung der verschiedenen gegnerischen Parteien das Einzige, was am Ende des Buches übrig bleibt.

_Schade_, ich hatte mir mehr von der Fortsetzung erwartet. Nach achthundert Seiten weiß der Leser noch immer nicht, was dieser Spiegel, auf den alle so scharf sind, eigentlich genau vermag; vom eigentlichen Gegner weiß er lediglich den Namen, aber nicht, wer oder was dieser Gegner genau ist; er weiß, dass Karan, die Aachim und Faellem besondere Fähigkeiten besitzen, aber nicht, welche. Alles ist diffus und schwammig und lässt sich nicht richtig fassen, irgendwie weiß man selbst jetzt noch nicht, worum es hier eigentlich geht!

Zwar bietet der zweite Band einige gute neue Ansätze – so zum Beispiel Maigraiths verändertes Verhalten, Karans Alpträume und Faelamors Skrupellosigkeit -, da sie aber so schwach ausgearbeitet sind, bleiben auch sie vorerst nur eine Randerscheinung.

Vielleicht hätte mich das nicht einmal gestört, wenn diese Ansätze in eine neue Entwicklung der Ereignisse eingebettet gewesen wären. Stattdessen hat der Autor seinen Lesern weitere vierhundert Seiten Flucht angetan, welche nicht mehr in der Lage war, Spannung aufzubauen, sondern spätestens in Sith einen gewissen Überdruß verursachte. Bei einem so detailschwachen Hintergrund und solchen eher blassen Figuren muss die Handlung schon etwas mehr hergeben als eine verworrene Verfolgungsjagd. Und was nutzt der Aufbau einer Vielzahl gegnerischer Parteien, wenn keine von ihnen Biss hat?

Hier muss sich noch einiges tun, wenn der Zyklus den Leser bei der Stange halten soll.

_Ian Irvine_ ist Doktor für Meeresbiologie und hat einen Großteil des südpazifischen Raums bereist. Die Idee zu seinem Drei-Welten-Zyklus entstand bereits während des Studiums. Die damals entstandenen Karten und Skizzen dienten später als Basis für die Ausarbeitung, die inzwischen zwei Tetralogien umfasst und noch weiter ausgebaut werden soll. Abgesehen davon hat Ian Irvine den Öko-Thriller „Human Rites“ geschrieben sowie den Zyklus |Runcible Jones|. Der nächste Band des Drei-Welten-Zyklus „Der Turm von Katazza“ erscheint im November 2007.

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