Kristof Magnusson – Das war ich nicht

|Paartherapeuten betonen oft, wie wichtig ein gemeinsames Hobby für die Beziehung sei. Eine Sportart, ein Garten oder Kinder; ein Hobby, das bleibt, wenn die Liebe gegangen ist. Auch Arthur und ich hatten etwas, das wir gern gemeinsam taten: Wir rauchten.|

So bitter lautet Meikes Resümee ihrer Beziehung zu Arthur. Zeit für sie also, ihre Zelte in Hamburg abzubrechen, sang- und klanglos aus der gemeinsamen Wohnung zu verschwinden und sich auf dem Land ein neues Leben aufzubauen. Als Übersetzerin ist sie räumlich nicht gebunden, und ihre so genannten Freunde gehen ihr längst gehörig auf den Keks. Allerdings ist das neue Leben auf dem Dorf auch nicht Friede, Freude, Eierkuchen, denn im neuen Haus funktioniert die Heizung nicht und das Manuskript ihres Lieblingsautors Henry LaMarck lässt komischerweise auf sich warten. Und da Meike nichts zu übersetzen hat, bleibt ihr genügend Zeit, über sich und ihr Leben zu philosophieren.

Jasper ist jung und erfolgreich. In der Bank ist er vom Back Office aufgestiegen zu den Futures und Optionen. Nur leider handelt er kleine Aufträge, die Karriereleiter hält also noch einige Stufen für ihn bereit. Als sein Kollege eines Tages gefeuert wird, wittert Jasper seine Chance. Er spekuliert auf eigene Faust und – gewinnt. Jedenfalls zunächst. Anschließend drehen sich die Kurse und Jaspers Verluste wachsen schneller, als er gucken kann.

Bestsellerautor Henry LaMarck plagen derweil andere Sorgen: Unvorsichtiger Weise hat er in einer Talkshow angedeutet, einen Roman über den 11. September schreiben zu wollen. Und nun erwartet jedermann einen Jahrhundertroman von ihm. Der Abgabetermin für sein Manuskript ist längst überfällig – sonst würde Meike im entfernten Norddeutschland schließlich nicht auf den zu übersetzenden Roman warten -, doch was niemand ahnt: Henry hat noch keine einzige Zeile geschrieben … Dann aber sieht Henry ein Bild in der Zeitung, von einem jungen Investmentbanker – Jasper – das ihn so sehr inspiriert und fasziniert, dass er den jungen Mann unbedingt treffen muss. So lauert er Jasper vor dessen Bank in Chicago auf.

_Drei Schicksale_

Kristof Magnusson erzählt die Geschichte dreier Menschen, die zunächst nichts bzw. nur wenig miteinander zu tun haben. Doch im Laufe der Zeit verstricken sich ihre einzelnen Schicksale immer mehr ineinander. Meike macht sich in Chicago auf die Suche nach Henry LaMarck, um ihn zur Abgabe seines Manuskripts zu bewegen und trifft dort zufälliger Weise auf Jasper. Den wiederum sucht Henry LaMarck Hände ringend, da Jasper zu seiner Inspiration, seiner Muse, werden soll. Und schon verändert sich das Leben aller drei Menschen auf eine Art und Weise, wie niemand das hätte vorausahnen können.

Dabei beginnt Kristof Magnusson zunächst mit einer recht nüchternen Vorstellung seiner Protagonisten, sodass man in den ersten Kapiteln noch keinerlei Zusammenhang erkennen kann. Aber das ändert sich bald, wenn die Ereignisse erst einmal ins Rollen gekommen sind. Dann wiederum kann man das Buch praktisch nicht mehr aus der Hand legen, da die Handlung immer abstruser wird, die Ereignisse sich praktisch überschlagen und man einfach wissen muss, wie Magnusson dieses Wirrwarrr bloß auflösen will.

Das Buch entwickelt einen regelrechten Sog, das Erzähltempo steigt immer mehr an, sodass ich das vorliegende Buch tatsächlich an einem Abend verschlingen musste, sonst hätte ich nicht ruhig schlafen können.

_Verrückt, verrückter, Magnusson_

Was Kristof Magnusson wie schon in seinem Roman „Zuhause“ auszeichnet, sind sein unglaubliches Sprachgefühl, seine lebhafte Fantasie und seine schrägen Charaktere. Der Autor kann sich darauf verlassen, dass er stets den richtigen Ton trifft, stets den richtigen Gag bringt und stets Wortwitz einstreut, wo er sich denn anbietet. Seine Schreibe ist einfach nur wunderbar, erfrischend, herrlich und genial. Was in Magnussons Erstling schon anklang, perfektioniert er hier, denn sein neuer Roman ist dermaßen abgefahren, lebendig und herzerfrischend komisch, dass er für mich schon jetzt zu den Entdeckungen des Jahres zählt.

Magnussons lebhafte Fantasie zeigt sich in erster Linie darin, dass er aus einer zunächst alltäglich erscheinenden Geschichte etwas so Abstruses zaubert, dass einem fast die Nackenhaare zu Berge stehen könnten, wären die Geschichten nicht gleichzeitig auch so komisch. Aus einer kleinen Fehlspekulation bei Jasper entwickelt sich nahezu eine weltweite Finanzkrise, und aus der Schreibkrise eines erfolgreichen Autors erwächst eine Dreierkonstellation, wie sie komplizierter kaum sein könnte. Denn Henry verliebt sich in Jasper, der wiederum wirft ein Auge auf Meike, die ihn wiederum aber überhaupt nicht ausstehen kann und nur darauf bedacht ist, Henry zur Abgabe seines Manuskripts zu bewegen. Hier spielen Eifersüchteleien eine Rolle, Fehlspekulationen und Missverständnisse, die schlussendlich dafür sorgen, dass drei Menschen an einem Scheideweg in ihrem Leben angekommen sind und sich völlig neu orientieren müssen.

So ist auch „Das war ich nicht“ wieder ein Roman über Menschen, die ihr Leben neu ordnen müssen, die ein neues Ziel brauchen, neue Freunde und eine neue Aufgabe. Am Ende des Buches ist für alle drei nichts mehr, wie es zu Beginn noch war. Und auch wenn für den einen oder anderen eine Welt zusammen brechen mag und er alles aufgeben muss, so lässt Kristof Magnusson seinen Roman doch positiv und hoffnungsvoll ausklingen, sodass man zufrieden und mit einem breiten Lächeln auf den Lippen zurück bleibt.

_Unbedingt lesen!_

Kristof Magnussons zweiten Roman |muss| man einfach lesen. Seine Charaktere sind so liebenswert chaotisch, so herrlich komisch und verzweifelt, dass man sie sofort ins Herz schließen muss – auch wenn sie so kauzig sind wie Henry LaMarck. Magnussons Schreibe muss man einfach lieben, beim Lesen fliegt man nur so über die Seiten, lacht lauthals los oder schmunzelt doch zumindest in sich hinein und amüsiert sich köstlich über Magnussons gute Beobachtungsgabe und seinen genialen Humor. An diesem Buch gibt es nichts auszusetzen – höchstens, dass es gefühlt viel zu kurz ist. Dafür verlockt es aber zum sofortigen nochmal Lesen. Dieses Buch macht einfach süchtig!

|Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3888975820|
http://www.kunstmann.de

_Kristof Magnusson beim Buchwurm:_
[Zuhause 1699

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