Laymon, Richard – Nacht

Eigentlich wollte Alice nur das luxuriöse Haus ihrer Freunde nahe dem Wald hüten, solange seine Bewohner verreist sind. Als kurz nach Mitternacht ein Fremder aus dem Wald kommt, sie beobachtet und provoziert, beginnt für Alice allerdings ein mörderischer Albtraum. Ein junger, hilfsbereiter Mann, der sich verwählt hat und Alice vor dem sonderbaren Fremden retten will, endet mit einem Säbel im Schädel. Nun muss die junge Frau die Konsequenzen aus ihrer folgenschweren Verwechslung ziehen. Die Polizei zu verständigen, kommt für Alice mit ihrer bewegten Vergangenheit schon mal gar nicht in Frage, und so will sie den Toten spurlos und sicher entsorgen. Dazu muss sie aber nicht nur die Leiche loswerden, sondern auch das Telefon des toten Mannes finden, auf dem ihre Nummer mit Hilfe der Wahlwiederholung einwandfrei festzustellen ist. Und damit kommt eine Lawine ins Rollen, in welcher Alice nicht nur ihre eigenen Kaltblütigkeit bis an die Grenzen belasten, sondern sich darüber hinaus auch eines Kannibalen und eines Psychopathen erwehren muss …

Seit Kurzem wird Richard Laymon als neuer Stern am Horror-Himmel gefeiert und seine Bücher werden in der Reihe |Heyne Hardcore| auch dem deutschen Publikum zugänglich gemacht. |“Es wäre ein Fehler, Richard Laymon nicht zu lesen!“|, meint beispielsweise Stephen King, und Dean Koontz behauptet angeblich sogar: |“Richard Laymon hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. So schreiben kann niemand!“| Der vorliegende Roman ist zweifelsohne ganz gut geschrieben worden. Solcherlei Lobhudeleien sind allerdings weit von der Wahrheit entfernt und übertreiben maßlos.

Häufig werden die Romane Laymons als Horror-Geschichten eingeordnet. Tatsächlich sind es eher Psycho-Thriller, die vornehmlich durch exzessive Beschreibungen von Gewalt und Sex die Leserschaft zu schocken versuchen. Im vorliegenden Roman erzählt eine junge Frau namens Alice von zwei Nächten voller absonderlicher, ja geradezu grotesker Erlebnisse, die sonst keinem Menschen widerfahren würden.

Der Stil ist dabei locker, flüssig und beinahe schon satirisch zu nennen. Mit viel Witz und Ironie, bisweilen auch ein wenig Zynismus, berichtet Alice von einem unabsichtlichen Mord und ihrem Versuch, diesen zu vertuschen. Die Originalität des Romans basiert vor allem auf der Tatsache, dass Alice selbst eine völlig skrupellose und kaltschnäuzige Psychopathin ist. Kleine Nebensätze und Berichte aus ihrer Vergangenheit sollen dem Leser unmissverständlich klarmachen, dass die Protagonistin aber im Gegensatz zu ihrem Gegenspieler, einem Spaßkiller, ein Opfer der Gesellschaft ist, beziehungsweise dasjenige einiger echt kranker Individuen.

Die Veröffentlichung innerhalb der Reihe |Heyne Hardcore| sagt es bereits aus, dass diese Lektüre nicht für Leser unter 18 Jahren geeignet ist; einige Beschreibungen von Sex und Gewalt sind wirklich schwere Kost, wenngleich nicht ganz so pervers wie in [„American Psycho“. 764 Ob man allerdings gewillt ist, sich mit Alice zu identifizieren, muss jeder für sich entscheiden. Erstaunlich ist jedenfalls, mit welcher Zufälligkeit die Heldin des Romans innerhalb von 48 Stunden von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt und nur auf Menschen trifft, welche es mit geradezu stoischer Ruhe hinnehmen, wenn in ihrer Nähe jemand ermordet oder aufgefressen wird, wenn sie nicht gerade selbst die Mörder sind.

Die Glaubwürdigkeit des Romans bleibt also zunächst dahingestellt und nach dem „Genuss“ dieser Geschichte kann man leicht dem Irrglauben erliegen, die Welt bestünde nur aus total irren Lustmördern und Kannibalen. Selbst im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo auch die Schattenseiten der menschlichen Natur ihre Existenzberechtigung haben, steckt nicht jeder einsam gelegene Wald voller pervers veranlagter Killer.

Ein wenig irreführend ist allerdings der Klappentext, der beschreibt, dass Alice von einem mysteriösen Anrufer terrorisiert wird. Der arme Tony bietet ihr aber nur seine Hilfe an, als er bemerkt, dass er sich verwählt hat. Der Terror geht eindeutig von dem seltsamen Fremden aus, der mitten in der Nacht nackt im Swiming Pool planscht, um sich anschließend vor Alice‘ Augen an der Terrassentür zu verlustieren. Die Aufmachung des Buches ist ansonsten schlicht und dennoch ansprechend. Titel und |Heyne-Hardcore|-Logo sind leicht erhaben auf den Umschlag gedruckt worden und verleihen dem Taschenbuch eine edle Note.

_Fazit:_ Gut lesbarer, manchmal etwas überzogener und dadurch schon satirisch angehauchter Horror-Trip, der zum Teil jenseits des guten Geschmacks liegt. Potenzielle Käufer sollten eine hohe Toleranzschwelle besitzen und dürfen nicht gerade zimperlich sein. Aber in Zeiten, in denen Folterungen à la „Saw“ und „Hostel“ in brutalen Einzelheiten im Kino vorgeführt werden, ist das, was der Leser in diesem Buch geboten bekommt, geradezu unerheblich.

http://www.heyne-hardcore.de/
http://www.ains.net.au/~gerlach/rlaymon2.htm

_Richard Laymon auf |Buchwurm.info|:_

[„Das Spiel“ 3491
[„Die Insel“ 2720
[„Rache“ 2507
[„Vampirjäger“ 1138

_Florian Hilleberg_

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