Leacock, Matt – Pandemie (Brettspiel)

_Der Untergang naht:_

Die Welt ist von Seuchen befallen, immer mehr Städte wehren sich nahezu chancenlos gegen die sich ausbreitende Epidemie, die Suche nach Gegenmitteln ist absolut nicht von Erfolg gekrönt, und bei genauerer Draufsicht stellt man fest, dass die Hoffnung auf ein Ende der Bedrohung langsam aber sicher gen Null tendiert. Genau jenes Horror-Szenario hat Matt Leacock in seinem inzwischen preisgekrönten Strategiespiel „Pandemie“ zur Ausgangssituation erklärt, aus der sich 2-4 Spieler im kooperativen Modus hinauswinden sollen. Gemeinsam bereisen sie die Weltkarte, sammeln Gegenmittel, rotten die Erreger aus, bekämpfen vor allem die schon bedrohlicher infizierten Gegenden, versuchen einen weiteren Ausbruch zu verhindern und nutzen schließlich das Wissen ihrer jeweiligen Rollenzuteilung, um die Welt vor dem Untergang durch die „Pandemie“ zu bewahren. Doch dies ist wesentlich leichter gesagt als getan!

_Spielidee:_

Die Bekämpfung der Epidemien wurde bereits als Spielthema ausgegeben; doch wie packt man das Ganze an? In „Pandemie“ arbeiten die Akteure – zwei bis vier an der Zahl – zusammen und versuchen von Anfang an, eine Strategie zurechtzulegen, mit der sich die weitere Verbreitung der Seuchen verhindern und gleichzeitig der Kern des Ganzen zerstören lässt. In den jeweiligen Handlungsphasen eines Spielzugs bereist man nun vorrangig infizierte Städte, sammelt Karten in den Farben der insgesamt vier unterschiedlichen Seuchen, um diese einzustampfen, bekämpft die Ausbrüche aber auch direkt am Herd und muss ständig schauen, dass man auch die gesamte Weltkarte im Blick hat. Denn sobald man einen Kontinent halbwegs unter Kontrolle hat, kann es auf einem anderen schon wieder ziemlich heftig eskalieren.

Kooperation ist also gefragt, sei es nun bei der Absprache der individuellen Reisewege, bei der Nutzung der Eigenschaften, die der jeweils zugesprochene Charakter mitbringt, bei der Einteilung von Karten und Spielzügen und schließlich auch bei der Verringerung der eigenen Hektik. Denn in „Pandemie“ kann es schnell passieren, dass ein einzelner Ausbruch eine Kettenreaktion nach sich zieht, die sich verheerend auf die Gesamtsituation auswirkt. Und wenn genau das passiert, sollte man auch gemeinsam die Ruhe bewahren – ansonsten hat das Spiel gewonnen und zeigt einem wiederholt auf, dass man mehr gefordert wird, als man dies anfangs wahrhaben möchte.

_Spielmaterial:_

* 5 Spielfiguren
* 6 Forschungslabore
* 6 Marker für Gegenmittel, Ausbruch und Infektion
* 96 Seuchenwürfel in 4 Farben
* 59 Spielkarten
* 48 Infektionskarten
* 5 Rollenkarten
* 4 Übersichtskarten
* 1 Spielplan
* 1 Spielanleitung

Ein Blick auf den Spielplan und anschließend auch auf das Kartenmaterial bringt erst einmal Ernüchterung; ein grafisches Wunder ist „Pandemie“ sicherlich nicht. Allerdings wird durch die düstere Farbwahl ganz klar auch die Spielatmosphäre mit ihrer bedrohlichen Grundstimmung widergespiegelt, was Designer Leacock sicherlich als positives Element verbuchen kann. Ferner ist die zweckdienliche Gestaltung insofern vorteilig, dass gerade in den hektischen Spielphasen niemals zusätzliche Unruhe durch eventuelle Ungereimtheiten auftritt. Die Aussagen sind klar, die Materialien unterscheiden sich deutlich, und für einen angenehmen Spielfluss ist gesorgt. Daher mag man im Endeffekt auch kaum über die Grafik meckern.

_Spielablauf:_

Bevor man nun ins Spiel einsteigt, wird jedem Spieler eine Rolle zugeteilt, zum Beispiel Arzt, Wissenschaftler oder Forscher. Weiterhin bekommt man abhängig von der Spielerzahl 2-4 Spielerkarten auf die Hand, mit denen man nun die erste Runde bestreitet. In Atlanta wird das erste und bis hierhin einzige Forschungslabor errichtet; die Marker werden jeweils auf der Infektions- und Ausbruchsleiste platziert, die Spielfiguren ebenfalls nach Atlanta beordert.

Nun kommt der unangenehme Teil. Ganze neun Städte werden vom Stapel der Infektionskarten gezogen und jeweils zu dritt mit einem, zwei und drei Seuchenmarkern ausgestattet. Zuletzt werden in den Stapel der Spielerkarten noch die Epidemien eingemischt und dieser anschließend als Nachziehstapel bereitgelegt. Ein ausgewählter Startspieler kann nun beginnen.

Ein Spielzug gestaltet sich nun in genau drei Schritte, ddie immer in der gleichen, festgelegten Reihenfolge ausgeführt werden müssen:

1. Vier Aktionen ausführen
2. Zwei Spielkarten auf die Hand nehmen
3. die Rolle des Überträgers übernehmen

Die wichtigste Phase ist hierbei sicherlich die erste Aktionsphase, da es die Einzige ist, in der man aktiv ins Spiel eingreifen soll. Bis zu vier Aktionen können durchgeführt werden, wobei es einem freigestellt ist, ob man auch alle vier Züge in Anspruch nimmt. Allerdings wird es wohl kaum Situationen geben, in denen man sich diesen Luxus wird erlauben können.

Man unterscheidet in dieser ersten Spielphase zwischen vier einfachen Aktionen sowie einigen besonderen Aktionen, die lediglich situationsabhängig durchgeführt werden können. Folgendes ist dabei im Angebot der jederzeit spielbaren Möglichkeiten:

* Auto (oder Fähre)
–> Man bewegt seine Spielfigur pro Aktion ein Feld weiter, sei es nun über Land oder durchs Meer. Hierbei kann man auch von der einen Seite des Spielplans auf den anderen Reisen, da die Erde auch in „Pandemie“ eine Kugel ist.

* Direktflug
–> Sofern man eine Karte einer anderen Stadt auf der Hand hat, kann man diese abwerfen und von seinem jetzigen Standort direkt dorthin reisen.

* Charterflug
–> Eine beliebige Stadt kann anvisiert werden, wenn man eine Karte mit seinem jetzigen Standort besitzt und abwirft.

* Zubringerflug
–> Befindet man sich in einer Stadt mit einem Forschungslabor, kann man von hier aus in einer Aktion in eine andere Stadt mit einem Forschungslabor reisen.

Spielt man im Übrigen den Dispatcher, darf man für alle Aktionen auch die Figuren seiner Mitspieler in seinem eigenen Zug bewegen. Dabei gelten die Regeln der Fortbewegungen aus dem normalen Aktionsmodus.

Die entscheidenden Aktionen sind unterdessen die besonderen, die lediglich in bestimmten Situationen gespielt werden können:

* Ein Forschungslabor errichten
–> Mit der Karte des aktuellen Standorts auf der Hand kann an Ort und Stelle ein Labor errichtet werden. Der Spieler, der die Rolle des Betriebsexperten übernommen hat, kann dies auch ohne diese Karte erledigen

* Ein Gegenmittel entdecken
–> Mit genau fünf Karten einer Spielfarbe (bzw. vier beim Wissenschaftler) ist es möglich, eine Seuche erfolgreich auszurotten. Dann nämlich ist ein Gegenmittel gefunden. Voraussetzung ist, dass man die fünf Karten zum Forschungslabor bringt. Von nun an können Seuchen effizienter bekämpft werden. War vorab eine Aktion pro Seuchenwürfel notwendig, um eine Seuche zu bekämpfen, können nun mit einer einzigen Aktion alle Seuchenwürfel der entsprechenden Farbe entfernt werden.

* Seuche behandeln
–> Seuchen behandelt man, indem man, wie gerade beschrieben, Seuchenwürfel mit seiner Aktion aus den Städten entfernt. Sobald kein Würfel einer Farbe mehr auf dem Spielfeld ist und ein Gegenmittel erfolgreich angewandt wurde, ist die betroffene Seuche ausgelöscht. Der Gegenmittelmarker markiert dies entspechend auf dem Spielplan.

* Wissen teilen
–> Gelegentlich ist es schwierig, genügend Karten einer Farbe zu sammeln und das Gegenmittel zu bekommen. Aus diesem Grund dürfen die Spieler auch Karten austauschen, sobald sie sich in der gleichen Stadt befinden. Allerdings kann dann nur die Karte genau dieser Stadt weitergegeben werden. Lediglich der Forscher-Spieler ist im Vorteil, da er auch andere Karten austauschen kann.

In der zweiten Phase werden nun zwei Karten vom Spielerkarten-Stapel nachgezogen. Zu beachten ist dabei, dass es ein Handkartenlimit von sieben Karten gibt. Möglich ist auch, dass man anstelle von Stadtkarten Ereigniskarten zieht. Diese kann man jederzeit ausspielen; sie sind nicht an eine Aktion gebunden. Im weniger günstigen Fall zieht man hingegen eine Epidemie und folgt nun den Weisungen der Karte: Die Infektionsrate weitet sich aus, neue Städte werden infiziert, und mit ein bisschen Pech kommt es in vereinzelten Städten zu einem Ausbruch, der wiederum eine Kettenreaktion allen Nachbarorten auslöst. Die nachfolgend gezogene Infektionskarte wird nun gemeinsam mit den Karten vom Ablagestapel der Infektionskarten gemischt und wieder auf den regulären Stapel gelegt. Soll heißen: Die Karten werden ins Spiel zurückgebracht, für manche Regionen kann sich daher in Windeseile die Situation verschärfen.

Hat man schließlich neue Karten gezogen, mimt man in seiner letzten Zughandlung den Überträger. Abhängig von der derzeitigen Infektionsrate werden vom Stapel der Infektionskarten neue Karten gezogen und die betroffenen Städte mit jeweils einem Seuchenwürfel bestückt. Sollte es hierbei zu weiteren Ausbrüchen kommen, werden die entsprechenden Konsequenzen getragen. Anschließend geht das Spiel im Uhrzeigersinn wieder mit diesen drei Phasen weiter.

_Spielende:_

Sobald eine Seuche so weit fortgeschritten ist, dass keine weiteren Würfel mehr zur Verfügung stehen, ist das Spiel sofort verloren. Gleiches geschieht, wenn es zum achten mal zu einem Ausbruch kommt und der entsprechende Marker nicht mehr fortbewegt werden kann. Und auch wenn keine Spielerkarten mehr bereitstehen, ist die Niederlage die bittere Realität.

Will man indes siegreich aus der Sache hervorgehen, gibt es nur eine Lösung: Alle vier Gegenmittel müssen entdeckt werden. Man hat auch dann als Team gewonnen, wenn noch Seuchenmarker in den Städten übrig sind, sofern man nur die Gegenmittel besorgt hat.

_Persönlicher Eindruck:_

Kooperative sind immer eine heikle Sache, gerade dann, wenn man das Spiel durchschaut und Mittel und Wege entdeckt hat, es problemlos zu überlisten. Mal abgesehen von „Schatten über Camelot“, „Battlestar Galactica“ und dem frühen „Herr der Ringe“-Brettspiel, welches stellenweise auch arg unfaire Züge angenommen hatte, gibt es in diesem Genre kaum Spiele, die mit einem entsprechend hohen Wiederspielwert ausgestattet waren. Daher durfte man anfangs natürlich völlig berechtigt skeptisch sein, ob ein vergleichsweise schlichter Neuling wie „Pandemie“ mit diesen Klassikern Schritt halten kann.

Es bedurfte aber nicht vieler Partien, um diese Frage mit einem klaren ‚Ja!‘ zu beantworten, was vor allem daran festzumachen ist, dass man in Matt Leacock’s Meisterwerk wirklich bis an die Grenzen gefordert wird. Es gibt unglaublich viele Strategien, die zum Sieg führen können, doch oft genug wird man dann wieder vom Spiel selber überrollt, weil sich die Seuchen schlagartig und geballt ausbreiten, ohne dass man überhaupt eine Chance wähnt, alle Krisenherde gleichzeitig zu bekämpfen. Der Schwierigkeitsgrad ist also ansprechend hoch, doch dies ist auch einer der wichtigsten Aspekte, die den Spielreiz von „Pandemie“ beschreiben. Es sind nämlich gar keine wild-ausgefuchsten Mechanismen bzw. völlig innovative Zugaufbauten, die Matt Leacock hier präsentiert, sondern eher vertraute Systematiken, die jedoch in einem ziemlich fordernden Setting eine ganz andere Gewichtung bekommen – zumal man hier wirklich Hand in Hand arbeiten und sich sehr häufig auch mit seinen persönlichen Ambitionen zurücknehmen muss. Und dies will gelernt sein, will man „Pandemie“ irgendwann erfolgreich bestreiten.

Was dieses Spiel weiterhin auszeichnet, sind die vielen kleinen Zahnrädchen, die hier während einer Spielrunde ineinandergreifen. es sind recht viele Gegebenheiten, die man im Blick haben muss, und dennoch ist hier und dort ein bisschen Risikofreude erforderlich, denn sicher ist in „Pandemie“ erst einmal gar nichts. Selbst eine fast schon Erfolg garantierende Ausgangslage kann schnell wieder umschwenken, wenn plötzlich die nötigen Mittel ausgegangen sind, um neue Brandherde sofort wieder zu löschen.
Dennoch ist „Pandemie“ alles andere als frustrierend, da man eine wirklich faire Chance hat, gegen das Spiel zu gewinnen. Und dies ist letztendlich der noch verbliebene Faktor, der hier erwähnt werden muss. Fairness, Spannung, reichlich Taktik und bedingungslose Kooperation: All diese Attribute finden sich in einem der besten Brettspiele der letzten Jahre wieder. Folgerichtig hat man wirklich etwas verpasst, wenn man sich vom eher schlichten Game-Design vorschnell beeindrucken lässt. Denn in der Schachtel von „Pandemie“ steckt wesentlich mehr, als das Auge im ersten Blick erfasst! Die Nominierung für das ‚Spiel des Jahres 2009‘ erfolgte schließlich auch nicht ohne Hintergrund!

|Für 2-4 Spieler
Ab 12 Jahren
Spieldauer: 45-60 Minuten|
http://www.pegasus.de

_Matt Leacock bei |Buchwurm,info|:_
[„Im Wandel der Zeiten – Bronzezeit“ (Gesellschaftsspiel)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6523

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