King, Stephen – Wind (Der Dunkle Turm VIII)

|Der Dunkle Turm|

Band 1: [Schwarz 5661
Band 2: [Drei 5839
Band 3: [tot. 5864
Band 4: [Glas]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6034
Band 5: [Wolfsmond 153
Band 6: [Susannah 387
Band 7: [Der Turm 822

_Bereits 2009 gestand Stephen King_, sich auch in Zukunft um sein Lebenswerk, den „Dunklen Turm“, zu kümmern. Die Geschichte sei „noch nicht beendet“ und nur Teil eines langen „Über-Romans“. Er wollte sich bei der Fortsetzung allerdings auf Nebencharaktere konzentrieren. Nähere Einzelheiten zum Was, Warum und vor allem Wann nannte er nicht, und so vergingen die Jahre und die treue Anhängerschaft verblieb im Dunkeln. Ohne größere Vorankündigung ließ Stephen King dann ein Lebenszeichen von sich und von seinem Turm-Zyklus hören, der „Wind“ kam durch das Schlüsselloch, ein neuer Teil des „Dunklen Turms“ war geboren.

Zu Recht muss sich Stephen King die Frage gefallen lassen, ob ein weiterer Band des Turms denn nötig gewesen ist. Denn entweder, er wollte mit der Lizenz und der ganzen von ihm erschaffenen Welt noch einmal verdienen, oder er konnte sich von seinem Lebenswerk einfach nicht trennen. Befasst man sich näher mit Stephen King, muss man zweifellos letztere Option in Betracht ziehen. Für ihn war „Der Dunkle Turm“ das wichtigste Werk seines Lebens, etwas, um das sich alles andere drehte, und in seiner Epik stellt es sogar den „Herrn der Ringe“ in den Schatten. Er hat im Turm-Zyklus frühere Personen aufgegriffen, spinnt geschickt Handlungsfäden um ganze Bücher aus seinem Repertoire und lässt so nicht nur den Turm als geschlossenes Werk, als eigene Welt erscheinen, sondern bezieht auch sämtliche früheren Werke mit ein und erschafft so ein Universum, das alle seine Bücher beinhaltet und jede Geschichte für sich innerhalb des Turms einordnet. Eine „Stephen-King-Welt“, wenn man so will.

Nun, der neue Teil des „Dunklen Turms“ hört auf den Namen „Wind“ (im englischen „The wind through the keyhole“, also der Wind durchs Schlüsselloch) und ist, wie King selbst bei Veröffentlichung verraten hat, eine Art Turm 4.5. Er ist also romanzyklisch nach „Glas“ und vor „Wolfsmond“ einzuordnen, und so schließt die Geschichte nahtlos daran an. Roland und seine Gruppe haben den Grünen Palast verlassen und marschieren unaufhaltsam weiter Richtung Turm. Auf dem Weg dorthin treffen sie auf einen alten Mann, der sie über einen nahegelegenen Fluss bringt und vorerst der letzte Kontakt mit anderen Menschen bleiben sollte. Billy-Bumbler Oy ist schon den ganzen Weg über, bis sie den Fluss erreicht hatten, nervös und der Grund soll ihnen Bix, der alte Mann am Fluss, verraten: Ein Sturm zieht auf. Ein Sturm, so kalt und unbarmherzig, dass er alles in seinem Weg Stehende sofort zu Eis gefrieren lässt und durch den Druck des Windes umknickt bzw. zersplittert. So suchen Roland, Susannah, Jake, Eddie und selbstverständlich Oy Schutz in einem Versammlungshaus inmitten einer verlassenen und runtergekommenen Geisterstadt. Verbarrikadiert und vorerst sicher vor dem grausamen Sturm, sitzt die Gruppe an einem Feuer im Gebäude, und Roland beginnt aus seiner Jugend zu erzählen.

_Im Grunde ist „Wind“_ in drei Bereiche aufgeteilt. Zu Beginn erfährt der Leser, wie Roland mit seinen Leuten die Hütte erreicht. Dieser Einstieg dient als Rahmen für die Rückblicke. Dem folgt der eigentliche Rückblick, der wiederum in zwei Teilen den Mittelpunkt des Buches bildet und als „Fellmann“ betitelt wird. Der „Fellmann“ soll ein Gestaltwandler sein, den der junge Roland finden und töten muss. Der dritte Teil des Buches durchbricht die beiden Abschnitte des „Fellmanns“ und ist das Märchen „Der Wind durchs Schlüsselloch“. Interessanterweise ist das Märchen so geschrieben, als wäre es von Rolands Mutter erzählt worden. Ausdrücke wie „… lange bevor der Großvater deines Großvaters …“ finden sich demnach reichlich. Überhaupt ist bis auf die Rahmenhandlung alles in einer direkten Form geschrieben worden. Rolands Erzählungen aus seiner Jugend sind in der Ich-Form verfasst und lassen den Leser so geschickt und beinahe sofort eins werden mit der Gruppe, die sich dort im heruntergekommenen Haus vor dem Sturm versteckt.

Die Art und Weise, wie Stephen King seine Gedanken umsetzt, ist nach wie vor großartig. Der Schreibstil ist leicht und flüssig, die Sprünge aus früheren Bänden des Turms (oder gar ganz anderen Werken) kommen nicht mehr oder nur in geringer Form vor. Hier verlaufen keine parallelen Handlungsstränge, wenn man von dem Märchen in der Mitte des Buches absieht. Der Leser kann sich direkt auf die Erzählungen aus Rolands Jugend konzentrieren und durch die erwähnte Ich-Form ist das Erlebnis intensiv und ohnehin spannend sowie interessant. Das Interesse an der Geschichte, auch wenn es nur zusätzliche Ereignisse aus Rolands Vergangenheit sind, ist ab der ersten Seite an vorhanden und reißt bis zum Ende nicht ab. Das Märchen in der Mitte wird zu einem Märchen für den Leser. Roland erzählt nicht nur seiner Gruppe von der Jugend, sondern auch uns. Der eine oder andere Leser wird sich wohl dabei ertappen, wie er noch etwas mehr unter die Decke kriecht, in dem Glauben, Jake und Eddie neben sich sitzen zu haben. Die Lagerfeuerromantik, die sich dabei als Gefühl zu Beginn einstellt, weicht jedoch im Verlauf der Erzählung einer Ungläubigkeit über die Taten, die der junge Roland überstehen muss. Der Charakter des Revolvermannes bekommt natürlich noch mehr Tiefgang. Es entspricht zwar der Tatsache, dass der Leser schon in „Schwarz“ mehr über Roland und seine Vergangenheit erfährt, durch die Detailfülle in „Wind“ und die schiere Größe der Erzählung aber wirkt der neue Band zu keiner Zeit wie ein Aufguss oder eine unnötige Ergänzung.

Stephen King selbst hatte verlauten lassen, dass auch Neulinge in der Welt des „Dunklen Turms“ in „Wind“ eintauchen können. Man muss nicht zwangsläufig die vorher veröffentlichten sieben Bände gelesen haben, um Spaß an dem Roman zu haben. Natürlich ergibt in dem Fall aber vieles einfach keinen Sinn, weil das Grundwissen fehlt. Ist man Kenner der Materie, entfaltet sich die Geschichte ganz wunderbar und regt zum Nachdenken an. Liest man dann bei „Wolfsmond“ weiter, ergeben sich Szenen, die jetzt mit den neuen Erkenntnissen aus Rolands Jugend nachvollziehbarer werden und die Geschichte noch runder und in sich logischer erscheinen lassen.

Der vielleicht größte Pluspunkt, den man dem Buch attestieren muss, ist die Auswirkung, die es auf Leser des gesamten Zyklus hat. Man will gerne noch einmal von vorn anfangen und dieses Mal „Wind“ direkt nach „Glas“ mit einbeziehen, um eine noch stimmigere Gesamtwirkung zu erzielen. Es bringt den Leser also im besten Fall dazu, Erlebtes noch einmal erleben zu wollen, sich noch einmal in die Welt zu werfen und Band für Band zu verschlingen. Ein mit Sicherheit irgendwo einkalkulierter Schachzug des großen Stephen King.

Die Wirkung auf neue Leser kann allerdings nur sein, sich nach dem Genuss von „Wind“ entweder auf eBay oder in die Bibliothek des Vertrauens zu begeben und sich die Werke nachzukaufen. So angelt man sich treue Leser auf Lebenszeit. Das Resümee kann nur positiv ausfallen. „Wind“ lässt sich gewohnt leicht lesen, ist, wie auch die restlichen Bände des Turms, in seiner inhaltlichen Bildgewalt enorm und wird entweder neue Leser für den Zyklus begeistern oder mit dem Stoff vertraute Leser zum erneuten Lesen animieren. Eine klare Empfehlung.

|Originaltitel: The Wind through the Keyhole
Originalverlag: Scribner
Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 416 Seiten
ISBN: 978-3-453-26794-7|
http://www.heyne.de
http://www.stephenking.com
http://www.stephen-king.de

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_Dennis Hogrefe_

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