McCall Smith, Alexander – verschmähten Schriften des Professor von Igelfeld, Die

Einen Platz in der Reihe der skurrilsten Romantitel hat Alexander McCall Smith mit seinem aktuellen Werk „Die verschmähten Schriften des Professor von Igelfeld“ in jedem Fall verdient. Der Inhalt steht dem Titel in Sachen Skurrilität im Grunde in nichts nach. Wir Deutschen dürfen es mal wieder über uns ergehen lassen, dass ein Brite sich über uns lustig macht. Wie gut, dass McCall Smith wenigstens Schotte ist und nicht Engländer …

Doch so schlimm zieht McCall Smith auch schon wieder nicht über deutsche Gepflogenheiten her. Objekt seine Spottes ist eben in erster Linie besagter Professor von Igelfeld, und der hat sich den Spott ob seiner Verschrobenheit redlich verdient.

Professor Moritz-Maria von Igelfeld ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der romanischen Philologie. Er ist der vielgepriesene Autor des über 1000-seitigen Standardwerks „Portugiesische unregelmäßige Verben“ – ein Werk, das in der Philologie an sich und in der Wissenschaft ganz allgemein seinesgleichen sucht. Dennoch führt Professor von Igelfeld ein akademisches Schattendasein. So unübertroffen sein Werk auch sein mag, es ist in mindestens gleichem Umfang auch unverkäuflich. Und so kämpft von Igelfeld mit dem unermüdlichen Eifer eines Don Quijote um Anerkennung und Wertschätzung.

Mit einem zielsicheren Gespür für Fettnäpfchen und einem nicht immer ganz so fein ausgeprägten Sinn für den Umgang mit anderen Menschen, kämpft er gegen die Bedeutungslosigkeit seines eigenen Schaffens und nicht zuletzt gegen die Intrigen, die sein Regensburger Kollege Detlef Amadeus Unterholzer stets zu spinnen scheint. Von Igelfeld ist eine Ausgeburt deutscher Tugenden und akademischer Werte, stets darum bemüht, dass ihm die Ehre zuteil wird, die er verdient zu haben glaubt.

Alexander McCall Smith skizziert das wissenschaftliche Wirken und Leben des Professor von Igelfeld in insgesamt fünfzehn Episoden. Die englische Originalausgabe erschien 2003 in drei einzelnen Bänden, die für die deutsche Ausgabe zu einem Buch zusammengefasst wurden.

„Die verschmähten Schriften des Professor von Igelfeld“ ist ein durchweg humoristisches Werk, das vor allem auf den ersten Blick schwierig in einen zeitlichen Kontext einzuordnen ist. Von Igelfeld und seine beiden Kollegen Florianus Prinzel und Detlef Amadeus Unterholzer haben selbstverständlich in Heidelberg studiert, und so bekommen die Geschichten einen Anstrich von deutschem Studententum und Burschenschaften. Man ordnet das Ganze im ersten Moment irgendwo in Richtung 19. Jahrhundert ein und hat das Gefühl, McCall Smith hätte sich von Mark Twains „Bummel durch Europa“ inspirieren lassen hat, in dem Mark Twain mit einem Augenzwinkern die Erlebnisse seiner Deutschlandreise schildert, die ihn unter anderem in Heidelberger Studentenkreise geführt hat.

Umso überraschter ist man, wenn man dann im weiteren Verlauf auf immer mehr Anzeichen stößt, die belegen, dass von Igelfeld eine Figur der Gegenwart sein soll. Das verleiht dem ganzen Buch eine recht eigenartige Note, denn von Igelfelds ganze Art und Weise, sein hölzernes Benehmen, sein ständiges Schielen auf Ansehen und Ehre passen doch ins 19. Jahrhundert sehr viel besser als in die heutige Zeit. Und obwohl es ja gerade diese Züge seiner Persönlichkeit sind, welche die Lektüre würzen (allem voran seine chronische Überschätzung der eigenen Bedeutung für den Fortbestand von Kultur und Wissenschaft), so wirkt dieser Gegensatz doch etwas unstimmig.

Dennoch hat man gerade zu Beginn der Lektüre durchaus so manchen Anlass nicht nur zu schmunzeln, sondern herzhaft zu lachen. McCall Smith hat durchaus ein Händchen für die humoristische Betrachtung seiner Figuren und zieht so manche Begebenheit durch von Igelfelds sonderbare Eigenarten so herrlich ins Lächerliche, dass man wirklich seinen Spaß hat.

Sehr amüsant liest sich beispielsweise eine Episode um ein Duell, das von Igelfeld für seinen unsportlichen Kommilitonen Florianus Prinzel mit hartgesottenen Burschenschaftlern organisiert, in dem Glauben, Prinzel sei der geborene Athlet. Auch von Igelfelds Erlebnisse als vermeintlicher Veterinärmediziner und Dachshund-Experte in Amerika lesen sich sehr unterhaltsam, ebenso wie die Geschehnisse während mehrerer Arbeitsaufenthalte in Italien. Von Igelfeld hat ein Talent dafür, sich selbst in die unmöglichsten Situationen zu manövrieren, und zu beobachten, wie er immer wieder versucht, einen möglichst ehrenvollen Abgang zu machen, ist schon sehr komisch.

Dennoch schlägt man das Buch am Ende mit gemischten Gefühlen zu. Von Igelfelds steife, hölzerne Art ist zwar ganz lustig, lässt sich aber auch nicht als endloses Gagfeuerwerk strapazieren. Hat man anfangs noch seine helle Freude an der Absurdität der Figur von Igelfeld an sich und dem Augenzwinkern, mit dem McCall Smith ihn beschreibt, so zieht sich die Lektüre im Laufe der Zeit doch immer mehr in die Länge. Es gibt zwar immer noch Stellen, über die man herzhaft lachen kann, doch tendenziell wird es zum Ende hin dünner. Der Humor nutzt sich ab und man kommt gerade im dritten Teil des Buches zum unausweichlichen Schluss, dass die Figur des Moritz-Maria von Igelfeld allein eben doch nicht genug hergibt, um damit 447 Seiten zu füllen. Hätte der dritte Buchteil komplett gefehlt, ich hätte ihn keine Sekunde vermisst.

Unterm Strich sind „Die verschmähten Schriften des Professor von Igelfeld“ ein nicht ganz ungetrübtes Lesevergnügen. Zwar versteht Alexander McCall Smith sich auf eine gewitzte, augenzwinkernde Erzählweise mit einer teils wirklich herrlich absurden Note, dennoch nutzt sich der Humor mit der Zeit etwas ab. Weniger wäre hier mehr gewesen, denn hätte McCall Smith sich auf etwa die Hälfte der Episoden beschränkt, hätte man von vorne bis hinten genüsslich durchlachen können.

So ist die Lektüre eben doch nicht von Anfang bis Ende unterhaltsam, und zum Ende hin macht sich etwas Unmut breit. Ebenso nimmt man McCall Smith auch in zunehmenden Maße die Unstimmigkeit zwischen den dem 19. Jahrhundert entliehenen Figuren und dem Umfeld der modernen Welt krumm. Solange man viel zu lachen hat und durchweg gut unterhalten wird, stört man sich an solchen Aspekten nicht so leicht, hat man aber Zeit, sich um solche Dinge den Kopf zu zerbrechen, weil der Plot müde vor sich hinplätschert, wird ein kleiner Makel schnell zum Störfaktor.

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