E. C. Tubb – Planet der Stürme (Earl Dumarest 1)

Auf seiner langen, bisher vergeblichen Suche nach der verschollenen Erde strandet Earl Dumarest auf Gath. Dort steht der jährliche ‚Sturm‘ bevor, der nicht nur die Luft bewegt, sondern auch Menschenhirne mit lebensgefährlichen Folgen beeinflusst. Der Versuch einer rechtzeitigen Abreise scheitert, stattdessen wird Dumarest in eine politische Intrige verstrickt und legt sich mit dem mysteriösen Cyclan an … – Der erste von mehr als 30 Serienbänden bietet ein flaches, leidlich unterhaltsames Science-Abenteuer und erstaunt bzw. deprimiert durch ein düsteres, keineswegs fortschrittliches Zukunftsbild: SF von gestern, simpel, aber passagenweise durchaus effektvoll.

Das geschieht:

In einer fernen Zukunft hat sich die Menschheit über die Galaxis ausgebreitet. Die Erde ist dabei in Vergessenheit geraten; sie gilt als Mythos, dessen reale Existenz angezweifelt wird. Earl Dumarest weiß es besser, denn er wurde auf der Erde geboren, hat diese aber schon in jungen Jahren verlassen. Seither durchstreift er das All auf der Suche nach dem Heimatplaneten. Dabei kam er bisher höchstens dem Tod, jedoch nicht seinem Ziel näher.

Auch dieses Mal bleibt das Pech ihm treu. Dumarest reist tiefgefroren und deshalb kostengünstig, weshalb er zu spät merkt, dass sein Schiff einen ungeplanten Stopp auf Gath einlegt. Reiche Passagiere haben ihn angeordnet. Zu ihnen gehören der dekadent-sadistische Fürst von Emmened und Lady Gloria, die alternde Matriarchin von Kund. Sie sucht eine Antwort auf die Frage, ob sie in ihrem jungen Mündel Seena Thoth die richtige Nachfolgerin favorisiert. Dabei sollen ihr die geheimnisvollen Kristallbänke von Gath helfen: Nehmen die Planeten des Systems eine bestimmte Konstellation ein, beginnt es auf Gath zu stürmen. Der Wind ‚aktiviert‘ die Kristalle, die angeblich Botschaften verbreiten und sogar Tote wiedererwecken sollen.

Wider Willen gerät Dumarest, der Gath so rasch wie möglich verlassen will, in ein Komplott. Oppositionelle Kräfte wollen Seena als Thronfolgerin ausschalten, um nach Glorias Tod die Macht auf Kund zu übernehmen. Zudem will der Fürst von Emmened Seena freien, um seinen erotischen Gewaltträumen zu frönen. Dumarest gerät zwischen die Fronten, als der Fürst ihn ‚bittet‘, sein Spion zu werden, während Seena ein Auge auf den stattlichen Vagabunden wirft. Die Situation eskaliert, als der Sturm mit nie gekannter Gewalt losbricht und seine Opfer erst in den Wahnsinn und dann in den Tod zu treiben droht …

Der Weg ist das Ziel

In der Rückschau fällt es schwer zu verstehen, wieso Earl Dumarest so erfolgreich war; sogar erfolgreicher, als es seinem geistigen Vater lieb war. E. C. Tubb war ein professioneller Vielschreiber, der sehr genau wusste, wann er das Pferd wechseln sollte. Er hätte Dumarest deutlich früher die Erde finden lassen, aber weil dessen Abenteuer in den USA gut ankamen, ließ er sich überreden, die Serie künstlich zu verlängern, was grundsätzlich kein Problem war: Der Weg zur Erde war das Ziel, weshalb es Tubb leichtfiel, ein paar Stationen mehr einzuschieben.

Doch schon „Planet der Stürme“ war ein eher unspektakulärer Auftakt. Offensichtlich gab es ein Publikum für schlichte Science-Fiction, die auf das reine Abenteuer setzte, während „die Zukunft“ ansonsten Kulisse blieb. Gath ist ein Außenposten, der an eine Kleinstadt des Wilden Westens erinnert. Recht und Moral kämpfen meist vergeblich gegen Korruption und Eigennutz, Hightech kommt spärlich zum Einsatz: Tubb belässt es bei Andeutungen.

Vor allem spart er an Informationen über diese seltsame Zukunft. Heute werden SF-Autoren gern ausführlich bzw. gehen in die Breite, denn oft bieten sie zu viel des Guten und schwelgen in ihren Einfällen. In diesem Punkt bleibt Tubb jederzeit der erwähnte Profi: Er verschiebt Beschreibungen einfach in spätere Serienbände. Was der Leser erfährt, ist primär im Rahmen der Handlung wichtig. Darüber hinaus bleibt Tubb vordergründig.

Zukunft ohne Lerneffekt

„Star-Trek“-Leser können mit dem Dumarest-Kosmos nichts anfangen. Es fehlt die von Gene Roddenberry formulierte Vision, nach welcher der Mensch nicht nur technische Fortschritte machen, sondern auch Vorurteile, Unrecht oder Unterdrückung überwinden wird. Fall Tubb sich über die ‚menschliche‘ Seite der von ihm geschilderten Zukunft tiefere Gedanken gemacht hat, müssen diese düster gewesen sein.

Solidarität oder gar Nächstenliebe ist in Dumarests Welt ein Zeichen von Schwäche. Die Demokratie ist offensichtlich ausgestorben. Es regieren feudale „Fürsten“, „Lords“ oder „Matriarchinnen“, aber eigentlich herrschen sie – wortwörtlich, denn sie beanspruchen die Befehlsgewalt über Leben und Tod. Menschenrechte existieren nicht, sie wurden vom Recht des Stärkeren ersetzt. Das Individuum ist unwichtig. Auf die Spitze treibt dies der Cyclan, der in seiner Struktur an einen Ameisenstaat erinnert: Irgendwo existiert eine Zentral-Intelligenz, die telepathisch ihre über den bewohnten Kosmos verstreuten, emotional hirnkastrierten Schergen fernsteuert. Auch die „Bruderschaft der Galaxis“, eine kirchenähnliche Organisation, ist kaum religiös, sondern unterstützt ihre ‚Gläubigen‘ mit Nahrung und Medikamenten. Ihre Gegner zögern nur deshalb mit der Vernichtung, weil auch die Bruderschaft ihr eigenes Süppchen kocht und längst nicht so machtlos ist, wie sie wirken möchte.

Selten hat jemand die Zukunft so erbarmungslos (oder zynisch) wie Tubb geschildert. Earl Dumarest passt in diese Welt. Er ist gleichermaßen Opfer wie Täter. Tiefgefroren wie Fleisch ‚reist‘ er durch den Kosmos, obwohl die Sterberate erschreckend hoch ist. Um Geld zu verdienen, verdingt sich Dumarest notfalls als Gladiator oder übernimmt andere Jobs mit geringer Überlebenschance. Er kommt davon, weil er noch gemeiner und härter zuschlägt als seine Gegner. Dumarest besitzt höchstens eine Achillesferse: Er hilft Freunden und rettet in Not geratene Maiden. Dafür muss er immer wieder mächtig einstecken, denn solche ‚Schwäche‘ wird gnadenlos ‚bestraft‘.

Hirnsturm als laues Lüftchen

Obwohl der Titel einen stürmischen Höhepunkt ankündigt, bleibt diese Naturgewalt für das Geschehen von nebensächlicher Bedeutung. Tubb schaltet in Sachen Fantasie zwar einen Gang höher, wenn er ein Phänomen beschreibt, das für (gefährliche) Gedankenassoziationen und Halluzinationen sorgt. Dann ebbt der Sturm ab – und erst jetzt folgt der eigentliche Höhepunkt.

Gath ist als Schauplatz beliebig. Nie wird plausibel deutlich, wieso es die Sturm-Touristen hierherzieht. Tubb benötigt sie höchstens als Statisten. Die eigentliche Story ist simpel und wäre (zu) rasch erzählt. Sie handelt von einer politischen Intrige, die der Autor selbst nur bedingt ernst nimmt: Bevor die Karten auf den Tisch gelegt werden, unterbricht Tubb den Handlungsfluss mit einer willkürlichen Episode, in der ein endgültig dem Irrsinn verfallener Fürst die Nachfolgerin der Matriarchin entführt und mit ihr durch die Wüste von Gath stolpert, bis Dumarest die beiden findet und letztere rettet – zweimal sogar, denn der tausendfach verletzte, dreivierteltote Dumarest wird final noch mit dem den Ober-Intriganten konfrontiert, den er ebenfalls ausschaltet.

Danach ist Gath abgehakt. Dumarest verlässt den Planeten, um auf einer anderen Welt erneut in Lebensgefahr zu geraten. Erhalten bleibt die Feindschaft des Cyclans, dessen mordlustigen Vertretern Dumarest nunmehr oft begegnen wird. Sogar das Abenteuer kann zur Routine werden, und E. C. Tubb hat die Bereitschaft seines Publikums genutzt, sich damit zufriedenzugeben. Wer sich auf diese Weise unterhalten lässt, dürfte die (ungekürzte) Neuauflage dieses Romans und seiner Fortsetzungen begrüßen.

Autor

Edwin Charles Tubb wurde am 15. Oktober 1919 in London geboren. Bevor er hauptberuflicher Autor war, verkaufte er Maschinen für Druckereien. Als Schriftsteller konzentrierte er sich auf die Science-Fiction, für die er sich schon in jungen Jahren zu begeistern begann. „No Short Cuts“, Tubbs erste Story, erschien 1950 im britischen SF-Magazin „New Worlds“. Ihr folgte in den nächsten Jahren ein wahrer Papiersturm aus Kurzgeschichten und Romanen; Tubb war so präsent, dass nicht selten mehrere Storys in einer Magazin-Ausgabe erschienen, was er durch etwa fünfzig Pseudonyme zu verschleiern versuchte. Trotz seines erstaunlichen Outputs war Tubb kein Zeilenschinder. Seine Geschichten kamen bei Lesern und Kritikern gleichermaßen an. So zeichnete ihn das Magazin „Nebula“ fünfmal (hintereinander!) als besten SF-Autoren des Jahres aus. 1956 wurde Tubb Herausgeber des Magazins „Authentic Science Fiction“.

Anfang der 1960er Jahre begann sich Tubb auch auf dem US-amerikanischen SF-Markt einen Namen zu machen. Er behielt sein Schreibtempo bei, doch die Qualität seiner Werke ließ nach. Das Abenteuerliche stand im Vordergrund, wobei Tubb vor Schablonen und Grobschlächtigkeiten nicht zurückschreckte; berüchtigt ist die von ihm begonnene und einige Jahre im Alleingang (als Gregory Kern) geschriebene Serie um den Geheimagenten Captain „Cap“ Kennedy, die als „Commander Scott“ (um die übelsten Brutalitäten bereinigt) auch in Deutschland erschien. Überhaupt wurde Deutschland ein wichtiger Markt für Tubb. Bis in die 1980er Jahre wurden die meisten seiner SF-Bücher übersetzt. (Zwischen 1983 und 1986 gab es sogar eine eigene Tubb-Taschenbuchreihe.) Sehr beliebt wurde die 1967 gestartete Serie um den Raumfahrer Earl Dumarest, der nach der verschollenen Erde sucht und dabei ständig in gefährliche Abenteuer gerät.

Ende der 1980er Jahre geriet Tubb als Autor mehr und mehr ins Abseits. Gesundheitliche Probleme machten ihm zusätzlich zu schaffen. Sein Publikationstempo nahm rapide ab, doch gelegentlich ließ er noch mit einem neuen Titel von sich hören. Am 10. September 2010 ist E. C. Tubb kurz vor seinem 91. Geburtstag gestorben.

Taschenbuch: 156 Seiten
Originaltitel: Gath/The Winds of Gath (New York : Ace Books 1967)
Übersetzung: Thomas Michalski
Cover: Timo Kümmel
https://atlantisverlag.wordpress.com

E-Book (Kindle): 563 KB
ISBN-13: 978-3-8640-2089-6
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