Meyer, Kai – Faustus

Der Name „Faust“ oder „Faustus“ ist uns geläufig, nicht nur durch den Dichterfürsten Goethe mit seiner Interpretation der Faust-Legende, die zweifellos die berühmteste ist. Auch in Werken von Christopher Marlowe oder Thomas Mann und anderen zahllosen bekannten wie auch unbekannten Autoren hat die Figur des Dr. Faust, der einen Pakt mit dem Teufel eingeht, zu Gedichten, Dialogen, Romanen, Dramen und Theaterstücken inspiriert.

Es gibt ein Faust-Museum in Knittlingen und die Weimarer Bibliothek verfügt über 13000 wissenschaftliche und literarische Werke zu dem Thema. Doch es gibt auch viele widersprüchliche Quellen, viele rätselhafte Geheimnisse um den Dr. Faust, der neben der Theologie auch Medizin, Astrologie und Astronomie studiert hat.

Was Dr. Faust oder Faustus interessant und zur mystischen Legende gemacht hat, sind seine Interessen an den dunklen Künsten, der schwarzen Magie und am Hexenwerk, die ihn zu einen mächtigen Schwarzkünstler stilisierten.

Sein gewaltsamer Tod – letztlich hat ihn der Teufel doch seiner Seele beraubt – hat ihm abschließend eine Hauptrolle in der Weltliteratur eingebracht.

1587 – fünf Jahrzehnte nach seinem Tod setze in der Erzähltradition ein wahrer Faustboom ein, der dem guten Doktor wahrlich die erwünschte Unsterblichkeit eingebracht hat, wenigstens in der Literatur und auf der Bühne.

Mehr zum historischen Faust gibt es bei [Wikipedia]http://de.wikipedia.org/wiki/Johann__Faust nachzulesen.

In „Faustus“ vom deutschen Autor Kai Meyer wurde dieser legendären Figur ein neues Bild verliehen. Mit dem historischen Dr. Faust hat dieser nur am Rande Ähnlichkeit, doch Meyers historisch-phantastischer Roman ist unabhängig davon lesenswert.

_Die Geschichte_

Anno Domini 1515. Überall in Europa brennen im Namen der Heiligen Inquisition die Scheiterhaufen. Die Opfer: Männer und Frauen, die als Ketzer denunziert wurden, weil sie anderes glaubten, anders lebten oder einfach nur jemand anderem persönlich im Wege standen. Aber nicht nur diese wurden durch die Kirche gejagt, gerade Mediziner, Astrologen, eben jene intelligenten Menschen, die nicht einfach durch die Drohung von Verdammnis, den endlosen Qualen der Hölle oder durch Enteignung des kargen Besitzes und Androhung der notpeinlichen Folter im Zaum zu halten und daher den Kirchenfürsten ein Dorn im Augen waren. Diese Personen wurden verdächtigt, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen oder die abartigen und sonderbaren Künste der schwarzen Magie auszuüben.

Dr. Faustus ist dem Hexenjäger und Inquisitor Konrad von Asendorf nach langer Jagd in die Falle gegangen. Auf dem Wittenberger Dorfplatz steht Dr. Faustus auf einem Scheiterhaufen, verurteilt in den Augen der Kirche wegen schwarzer Magie und ähnlicher Vergehen; die Henker stehen bereit, den Schwarzkünstler Faustus dem reinigen Feuer zu übergeben.

Doch inmitten der Hinrichtung taucht eine Gruppe von „Pestkranken“ auf und Panik breitet sich aus; ein jeder hat Angst vor dem Schwarzen Tod, der unter der Bevölkerung von Unfreien und Adligen keinen Unterschied kennt. Es ist eine List; die „Pestkranken“ verwandeln sich in todbringende und brandschatzende Attentäter, die die Kirche zu Wittenberg in Brand setzen und den Priester erbarmungslos verbrennen. Einer der Attentäter befreit wahrscheinlich aus Mitleid den fast schon brennenden Faustus, dessen Scheiterhaufen im Tumult Feuer gefangen hat. Es ist eine junge Frau, maskiert und selbst durch die züngelnden Flammen schwer verletzt.

Dr. Faustus verwirrt, versucht in dem Durcheinander auf dem Marktplatz zu fliehen, wird aber von den Landsknechten gefangen genommen. Der Inquisitor von Asendorf schlägt Dr. Faustus einen Handel vor – die Identität der Attentäter zu lüften, um der Gefangennahme zu entgehen. Von Asendorf lässt Dr. Faustus eine Bedenkzeit bis zum nächsten Morgen, ansonsten wird er in den Flammen brennen.

In der Nacht wird Faustus von Christof Wagner befreit, dem jungen Schüler des Priesters Martinius, der sich später mit seinen Theorien unter dem Namen Martin Luther noch mehr Feinde unter den Klerikern machen wird. Christof Wagner wird fortan ein Schüler des Dr. Faustus sein und diesen auf seinen Reisen und Abenteuern begleiten. Er wird vieles erlernen, viel erleben und sich in gewisser Weise auch einen Namen machen.

Auf der Flucht vor den Landsknechten des Inquisitors treffen Dr. Faustus und Christof Wagner eine herumziehende Schar von Gauklern und Zirkusartisten, die den Vogelfreien für eine Nacht Unterschlupf und Nahrung gewähren. Aber nicht nur den beiden Flüchtigen wurde in dieser Nacht geholfen, eine schwer durch Brandwunden entstellte junge Frau mit merkwürdigen, tiefen Schnittwunden auf dem Rücken, dem Tode näher als dem Leben, nehmen sich die Gaukler rührend auf.

Dr. Faustus erkennt in dem schwer verletzten Mädchen seine Retterin wieder, die Person, die ihn vor der Hinrichtung bewahrt hat. Die Gaukler sagen über diese junge Frau, sie wäre ein gefallener Engel! Dr. Faustus empfindet Mitleid und Interesse an dem Mädchen und überredet die Gaukler dazu, Angelina, wie sie genannt wird, in seiner Obhut zu geben.

Dr. Faustus will herausfinden, was es auf sich hat mit dem „gefallenen Engel“ und den Attentätern, die in den Augen der Kirche eine Gefahr darstellen. Gehetzt von den Schergen der Inquisition, beschreiten Faustus und Wagner einen unheilvollen Weg bis in das Zentrum der Heiligen Kirche nach Rom. Doch bis dahin müssen sie noch mysteriöse Morde im verfluchten Schloss des Schlangenkönigs im Spreewald aufklären, bis sie die Lösungen in den Fundamenten des Vatikans finden.

_Kritik_

Wie schon oben erwähnt, hat die Figur des Dr. Faustus mit der historischen Person des Schwarzkünstlers nicht viel gemein. Trotzdem ist der Roman von Kai Meyer spannend und unterhaltsam geschrieben und kann den Leser wirklich für Stunden an das Buch ketten.

Der Roman bzw. die Trilogie – „Der Engelspakt“, „Der Traumvater“ und „Die Engelskrieger“ – wird in der Ich-Form aus der Sicht des „Zauberlehrlings“ Christof Wagner erzählt. Für den Leser ist es wichtig, die Romane der Reihe nach zu lesen; zwar ist jeder Roman in sich eine abgeschlossen Erzählung, doch um die Charakter und ihr Streben verstehen zu können, ist es unabdingbar, die Geschichte fortführend zu erfahren.

Die Charaktere und ihre Beziehung zu- und miteinander entwickeln sich stetig weiter. Die Hauptperson, um die es geht, stellt zwar die Figur des Dr. Faustus dar, doch alle drei Protagonisten spielen faktisch gleich wichtige Rollen. Der Autor hat es gut verstanden, den Spannungsbogen auszubauen und die Geheimnisse der gefallenen Engel und des Vatikans dem Leser plausibel zu beschreiben.

Mir haben besonders die Passagen gefallen, in denen der Lehrling Wagner versucht, Dr. Faustus seine Geheimnisse zu entlocken. Die Sage, Dr. Faustus hätte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, wird in dem Roman dagegen nicht aufgelöst. Dr. Faustus weiß das Thema geschickt zu umgehen, er bezieht keine eindeutige Stellung, weder pro noch contra. Es bleibt dem Leser überlassen zu entscheiden, welchen tatsächlichen Pakt Dr. Faustus geschlossen hat, doch es gibt genügend Hinweise, die zu Interpretationen führen.

Der Charakter des Christof Wagner ist am besten beschrieben. Mal Großmaul und sehr arrogant, dann wieder ein Feigling und doch ein über seinen Schatten springender mutiger junger Mann. Vielleicht ist diese Figur zwangsläufig deswegen so vielschichtig, weil diese die Geschichte des Dr. Faustus dem Leser erzählt, doch in jedem Falle hat sich der Autor hier wirklich die größte Mühe gegeben.

Wer aber einen gut recherchierten historischen Roman erwartet, dem sei leider zu sagen, dass dieser in keiner Form auf Fakten beruht. Auch das Leben im Zeitalter von Hexenverbrennungen und Inquisition wird nicht abschließend und historisch korrekt wiedergegeben. Hier hat sich der Autor viele, viele Freiheiten gelassen, was aber hinsichtlich der Spannung und des Unterhaltungswertes akzeptabel ist. Im Nachwort erklärt der Autor Kai Meyer auch seine Motivation.

Dr. Faustus wird zwar als Person interessant dargestellt, aber es bleiben viel zu viele Fragen offen. Es stellt sich die Frage, was den Dr. Faustus zu der erklärten Legende machte. Hier bleibt vieles im Dunkel der Geschichte verborgen und ich hätte gerade in der Entwicklung der Figur mehr erwartet. Die Lebensgeschichte des Dr. Faustus wird nicht zu Ende erzählt, der Roman endet nicht mit dem Tod der Hauptfigur, was vielleicht, wie Kai Meyer es selbst erwähnt, auf eine Fortsetzung schließen lässt.

_Der Autor_

Kai Meyer wurde 1969 geboren. Durch Romane wie „Das Buch von Eden“, „Herrin der Lüge“, „Frostfeuer“ und „Die Fließende Königin“ sowie die „Wellenläufer“-Trilogie wurde er international bekannt, seine Romane wurden in zwanzig Sprachen übersetzt. Kai Meyer lebt und schreibt zurzeit in der Eiffel.

Startseite


http://www.bastei-luebbe.de

Schreibe einen Kommentar