Meyer, Kai – Wunschkrieg (Die Sturmkönige 2)

Mit „Wunschkrieg“ führt Kai Meyer seine Trilogie um |Die Sturmkönige| fort. Den Leser erwartet kein mittelalterliches Fantasysetting, sondern eine Abenteuergeschichte im Stil von 1001 Nacht. Das würzt der Autor mit einer Prise Phantastik, die in Gestalt von Elfenbeinrossen, Dschinnen und Sturmreitern daherkommt.

_Handlungsverlauf_

Die Gruppe der beiden Brüder Tarik und Junis und ihrer Begleiterin Sabatea ist zerbrochen. In [„Dschinnland“, 5340 dem ersten Band der Trilogie, haben sich die drei Gefährten – mit einigen Komplikationen vor und während der Reise – von ihrer Heimatstadt Samarkand aus durch das wilde Dschinnland nach Bagdad aufgemacht. Erreicht haben es aber nur zwei von ihnen, und keiner auf die erhoffte Weise.

Tarik, der Einlass in den Palast des Kalifen Harun-al-Raschid begehrte, wird sogleich wieder vor die Tür gesetzt. Doch so leicht will er nicht aufgeben. Mit allen Mitteln versucht er, unbemerkt in den Palast zu huschen. Sabatea, die im Gegensatz zu Tarik hineingelangen konnte, wird wiederum nicht als Gast behandelt, sondern als Gefangene des Kalifen – ein Grund mehr für Tarik, in das schmucke Gebäude einzudringen, um auch seine Freundin zu befreien.

Früher, bevor die Dschinne die Wüste kontrollierten, war Tarik oft als Schmuggler in Bagdad unterwegs. So ist es für ihn ein Leichtes, alte Kontaktmänner aufzuspüren und einen fliegenden Teppich zu organisieren. Schwieriger gestaltet sich allerdings sein Unterfangen, von der Luft aus unbemerkt in den Palast einzudringen. Die Falkengardisten, die persönliche Leibwache Harun-al-Raschids, kontrollieren die Mauern mit Argusaugen. Ihnen entgeht nichts, das weiß auch Tarik.

Nach einem gescheiterten Versuch gibt er vorerst auf und holt stattdessen Informationen über den mysteriösen Dritten Wunsch ein, von dessen Existenz er im Dschinnland zum ersten Mal gehört hat und hinter dem der Dschinnfürst Amaryllis persönlich her war. Von dem Stummen Kaufmann erfährt Tarik endlich Einzelheiten. Bei dem Wunsch soll es sich um einen Ring handeln. Keinen aus Gold, sondern aus Menschen, die sich alle von einem Ifrit um ihren dritten Wunsch betrogen fühlten. Für gewöhnlich erfüllt ein Ifrit, hat er erst einmal eingewilligt, drei Wünsche. Doch zu einem Dritten sei in letzter Zeit keines der magischen Wesen mehr fähig gewesen. Tarik forscht weiter, und entdeckt schließlich, dass der Dritte Wunsch unweigerlich mit seinem Schicksal verbunden ist.

In der Zwischenzeit lernt Sabatea in einem zweiten Handlungsstrang den Kalifen persönlich kennen und sieht in ihm nach einem Gespräch nicht mehr den harten Herrscher (und sich nicht mehr als rechtlose Gefangene), sondern den freundlichen Harun-al-Raschid, der sein erstaunlich gutes Wissen über Sabateas Heimat Samarkand offenbart. Doch wie gut sie auch behandelt wird und wie viele Privilegien ihr im Palast gewährt werden, die Palastmauern bleiben für sie ein goldener Käfig. Ein Käfig, dem sie um jeden Preis entkommen will. Auf sich allein gestellt hat sie keine Chance zur Flucht. Doch plötzlich erfährt sie Hilfe von unerwarteter Seite und kann Tarik bei seiner neuen Queste unterstützen.

Über zu wenig Freiraum kann sich Junis hingegen nicht beklagen. Nach dem Untergang der Hängenden Städte findet er sich mitten zwischen Sanddünen in einem Rebellenlager wieder: dem Lager der Sturmkönige. Deren Anführerin entpuppt sich als Maryam, Tariks frühere Geliebte, die sein Bruder und er schon seit vielen Jahren vermisst haben. Doch sie hat sich stark verändert, ihre Züge wie auch ihr Aussehen sind härter, kantiger geworden und ganz dem rauen Leben in der Wüste angepasst. Die ihr untergeordneten Sturmreiter führen einen fast aussichtslosen Kampf gegen die Dschinne. Als Vagabunden ziehen sie von Düne zu Düne, immer auf der Hut vor Angriffen. Junis will sich ihnen in ihrem Kampf anschließen. Doch obwohl Maryam ablehnt, bekommt Junis bei einem überraschenden Dschinnüberfall die Chance, sich zu profilieren: Ausgerechnet einer Schwarmschrecke wirft er sich mutig – in den Augen der Sturmreiter beinahe lebensmüde – entgegen.

_Bewertung_

Kai Meyer versteht es, die Geschichten der im ersten Band eingeführten Charaktere in drei parallelen Handlungssträngen spannend weiterzuerzählen. Ihre Beziehungen zueinander werden vertieft und stringent weiter entwickelt. Das geschieht auf der einen Seite vor der Kulisse des magischen-zauberhaften, aber ebenso düster-dreckigen Bagdads, auf der anderen Seite vor der Kulisse der rauen Wüste, in welcher der tägliche Überlebenskampf gegen Dschinne und die flirrende Sonne an den Kräften zehren.

Angenehmerweise verliert sich Meyer nicht in einem Meer von Nebenfiguren, deren Namen man als Leser nach ein paar Seiten bereits vergessen hat. Dieses Mittel ist selten förderlich, wird aber gerne eingesetzt, um der Geschichte eine epische Breite zu verleihen bzw. diese vorzugaukeln. Meyer beschränkt sich stattdessen auf eine kleine Zahl von Nebencharakteren, die er mit der nötigen Tiefe in Erscheinung treten lässt und die Entwicklung der Hauptfiguren beeinflussen. Gerade durch diese Beschränkung auf das Wesentliche wirkt seine Welt lebendig und gewinnt im Kleinen an Konturen. Meyer lässt bewusst Lücken, die der Leser mit seiner Fantasie füllen kann. Er beschreibt Bagdad nicht in allen Einzelheiten, sondern wählt einen kurzen, aber prägnanten Ausschnitt und schafft gerade dadurch ein Verständnis für das Große. Allein auf der erzähltechnischen Ebene weiß dieses Stilmittel zu überzeugen. Dass er es am Ende des Romans auch noch harmonisch und mittels einer überraschenden Wendung auf die Handlungsebene projiziert, verstärkt den positiven Eindruck.

Als problematisch stellt sich für einen Mittelband einer Trilogie stets heraus, dass er weder ein richtiges Ende noch einen richtigen Anfang aufweist. Damit muss sich auch Meyer herumschlagen. Bot Teil eins eine klare Struktur und ein Ziel (das Erreichen von Bagdad), so verläuft die Handlung im zweiten Teil wesentlich freier. Bis zum Ende ist nicht ganz klar, wohin die Reise gehen wird. Aufgefangen wird diese Orientierungslosigkeit dadurch, dass Meyer die Figuren nach ihrer Trennung wieder zusammenführt und seinem Roman somit auf diesem Weg eine Struktur überstülpt. Vielleicht nicht der beste Weg, aber doch ein adäquates Mittel, um die Fäden auszulegen, die im abschließenden dritten Teil ein großes Finale ergeben sollen.

Eine zauberhafte, magische Welt, glaubwürdige Charaktere und ein stringentes Erzählkonzept: Meyers |Sturmkönige|-Trilogie weiß zu gefallen und erfährt mit „Wunschkrieg“ sogar noch eine Steigerung zum ersten Teil.

|428 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und Karte
ISBN-13: 978-3-7857-2356-2|
http://www.sturmkoenige.de
http://www.kai-meyer.com
http://www.luebbe.de

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