Parker, Robert B. – Melancholy Baby – Ein Sunny-Randall-Krimi

_Von Lieblingsvätern und Rabenmüttern_

Privatdetektivin Sunny Randall soll die leiblichen Eltern von Sarah Markham suchen. Ihre von Sarah so genannten Adoptiveltern behaupten zwar, die biologischen Eltern zu sein, erbringen aber keinerlei Beweis dafür. Alle drei lügen, ist sich Sunny sicher und macht sich auf die Suche nach Antworten. Unterdessen begibt sie sich in die Therapie bei Dr. Susan Silverman und stößt auf einige beunruhigende Antworten auf ihre eigene emotionale Misere: Wieso kann sie nicht von ihrem geschiedenen Mann Richie lassen?

Eine deutsche Übersetzung liegt noch nicht vor.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) _“Melancholy Baby“_
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die derzeit 39 Romane umfasst, erschienen:

[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
[„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
[„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
[„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
[„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
„Hugger Mugger“, „Small Vices“, „Bad Business“, „Back Story“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Sunny geht es so richtig dreckig – und keiner hat Verständnis dafür. Ihr geschiedener Mann Richie hat endlich geheiratet: Kathryn. Doch Sunny, die kein Anrecht mehr auf ihn hat, kann einfach nicht von ihm lassen und schiebt deshalb den Blues. Einziger Trost für ihr gebrochenes Herz ist ihre Hündin Rosie. Es kommt sie daher hart an, wenn sie Rosie in die Obhut von Richie und seiner neuen Frau geben muss. Am liebsten würde sie Kathryn umbringen. Nur Spike hat Verständnis für sie, rät ihr aber dringend zu einer Therapie. Auf diese Weise lernt sie Dr. Susan Silverman kennen, die jedem Parker-Leser aus den „Spenser“-Krimis bestens vertraut ist: schön und intelligent – und wie Sunny findet, ungewöhnlich scharfsichtig …

Eine Anwältin bittet sie, sich um den Fall Sarah Markham zu kümmern. Die Studentin Sarah behauptet nämlich, ihre angeblich leiblichen Eltern seien nur ihre Adoptiveltern. Sie unterscheide sich in ihrem Aussehen ganz erheblich von ihnen. Und da Sarah von ihrem Großvater ein Treuhandvermögen erhalten hat, kann sie auch Sunny bezahlen. Leider ist Sarah nicht nur ein Kotzbrocken, sondern auch noch eine Lügnerin. Sunny muss ihr jeden Namen von früheren Schulfreunden einzeln aus der Nase ziehen. Und ihre „Eltern“ sind ebenfalls Lügner: Was sie als Einkommensquelle angeben, ist ebenso Unsinn wie eine frühere Stelle des Vaters in Chicago. Oder doch nicht?

Sunny recherchiert in der Nähe von Chicago, um herauszufinden, was George Markham anno 1982 hier gearbeitet hat. Tatsächlich war er von 1979 bis 1984 Radiojockey in Moline – und ein Schürzenjäger. Seine Frau hatte kein Kind namens Sarah und war auch nicht schwanger. Woher stammt also Sarah? Mit diesen Infos und Fragen konfrontiert, leugnet George alles: Er sei nie in Moline gewesen.

Sarah sucht Sunny auf: Zwei Männer haben sie im Studentenwohnheim zusammengeschlagen, ein Anwalt und ein Schläger. Sie soll die Ermittlung stoppen und Ruhe geben. Sunny nimmt sie bei sich auf. Sie stellt sie unter Bewachung, als sie sich im Naturschutzgebiet mit den beiden Typen trifft. Die haben die Aufgabe, sie zum Einstellen der Ermittlung zu bewegen. Zum Glück kann Sunny sie mit Spikes Hilfe dazu „überreden“, alles auszuplaudern, was sie über ihre Auftraggeber wissen.

Dieser Auftraggeber scheint ein Anwalt in New York City zu sein. Ike Rosen verweist sie wiederum an Peter Franklin, einen charmanten Anwalt, der Leute aus der Unterhaltungsindustrie vertritt. Eine seiner Mandantinnen ist Lolly Drake, die angeblich zusammen mit George Markham in Moline zusammengearbeitet hatte. Sunny bittet Peter, ihr einen Termin bei Lolly Drake, der Talkkshow-Moderatorin, zu verschaffen.

Zwei Tage nachdem George Markham berichtet hat, er werde den DNS-Test machen, wird er erschossen aufgefunden. Brian Kelly, Sunnys früherer Lover, arbeitet jetzt in der Mordkommission und ruft sie an. Zusammen fahren sie zu Mrs. Markham. Diese beschuldigt Sarah und Sunny des Mordes, was natürlich Blödsinn ist. Auch Sarah, zu der sie als Nächstes fahren, hat einen DNS-Test machen lassen. Das Labor sagt, die beiden proben stimmten nicht überein. Sarah ist am Boden zerstört: Wenn George nicht ihr Vater war und Mrs. Markham nicht ihre Mutter, wer ist sie dann überhaupt?

Sunny ist entschlossen, dies herauszufinden.

_Mein Eindruck_

Sunny Randall entwickelt sich zusehends mehr selbst zu einer Psychotherapeutin. Von Dr. Susan Silverman, Spensers Freundin, übernimmt sie sogar gewisse Manierismen, wie etwa das leichte Neigen des Kopfes, um Interesse anzuzeigen, oder das leichte Nicken und angedeutete Lächeln. Diese Technik benötigt Sunny auch, um die harten Schalen der drei Markhams zu knacken.

Interessant ist auch die Entwicklung von Sarah Markham von einer drogenabhängigen und auf ständig Selbstbefriedigung durch Sex fixierte Studentin – hin zu einer selbständig und verantwortungsbewusst handelnden Frau. Diese erstaunliche Entwicklung wird allein durch Sunnys beispielgebendes Vorbild möglich gemacht. (Das war ja schon in „Family Honor“ so.) Deshalb ist es für Sunny auch so wichtig, sich selbst von den eigenen Macken zu befreien.

Die zentrale Figur dabei ist ihr Vater. Im Vorgängerband „Shrink Rap“ erfuhr Sunny, dass sie auf einen autoritären Männertyp fixiert ist, bei dem sie Halt und Schutz findet. „Ödipal oder was auch immer“, denkt Sunny und sagt dies Dr. Silverman auch. Aber wird Sunnys Liebe für ihren eigenen Vater auch erwidert? Das gilt es ebenso herauszufinden, wie Daddys Beziehung zu Sunnys Mutter zu qualifizieren.

Sunny denkt, er könne Em nicht lieben, weil diese immer so unqualifizierten Mist daherreden. Doch Sunny findet zu ihrem Erstauen heraus, dass Daddy Mom nicht nur geduldet hat, sondern sie vielmehr sogar immer noch liebt! Das ist vor dem Hintergrund, dass alle drei Randall-Frauen um die Liebe Phil Randalls wettstreiten und buhlen, sehr wichtig. Und wer weiß, wohin dies im nächsten Band „Blue Screen“ führen wird?! Sunny sonnt sich jedenfalls in Daddys Lob, sie sei ein „exzellente Detektivin“.

Und dann ist da natürlich immer Richie. Ihr Exmann hat wieder geheiratet – was kann es Schrecklicheres geben? Nun steht er nicht mehr zur Verfügung, höchstens für seine Vaterpflichten gegenüber der gemeinsamen Hündin Rosie. (Hinweis: In Parkers Romanen werden Haustiere niemals als „es“ abqualifziert, sondern sind Teil der Familie und somit Kinder mit Daddy und Mommy.) Sunny kommt es unglaublich vor, als Richie zugibt, dass er sie immer noch liebe. Aber er kann zwei Frauen zugleich lieben. Ist das nicht höchst sonderbar, denkt Sunny.

|Der Fall|

Sunnys neuester Fall erkundet weder Feminismus noch Straßenstrich, auch nicht den Missbrauch von Frauen durch Psychiater. Vielmehr geht es um die Definition moderner Eltern-Kind-Verhältnisse. Die Markhams erscheinen Sunny als eine sehr gestörte Familie. Recht hat sie, denn Mr und Mrs Markham erweisen sich als nicht-leibliche Eltern Sarahs. Dennoch lässt Sarah, ihre „Tochter“, ihren Daddy immer noch als ihren Vater gelten, denn er hat sie so geliebt, wie ein Vater seine Tochter lieben sollte.

Die Frage lautet natürlich, wer Sarahs wahre Eltern sind und wer sie und Sunny daran hindern will, dies herauszufinden. Bei ihren Ermittlungen in New York City stößt Sunny wiederholt auf den Namen „Lolly Drake“. Die bundesweit bekannte Talkshow-Masterin vertritt die traditionellen Werte der Vereinigten Staaten, die im „American Dream“ zusammengefasst sind: Elternliebe, keine Abtreibung, Unterstützung von Ambitionen und Zielen besonders bei jungen Menschen, Karriere, Familie, usw. Alles Werte, die in den achtziger Jahren in der Bewegung der Moral Majority propagiert wurden – mit verheerenden Folgen: Ihre Protagonisten wie Jerry Falwell desavouierten sich selbst durch außereheliche Affären. Die Saubermänner nutzten ihre Sonderstellung in den Medien aus.

Was ist also wirklich dran an Lolly Drake, fragt sich Sunny und bohrt weiter. Dabei tut sie sich mit dem uns aus dem „Spenser“-Krimi „Small Vices“ bestens bekannten Detective Sergeant Eugene Corsetti zusammen. Dieser muskelbepackte kleinwüchsige Dampfhammer macht Lolly Drake und ihre Mischpoke richtig Feuer unterm Hintern. Als dann auch noch gewisse Fotos aus Lollys Jugendtagen auftauchen, muss die Talkshow-Masterin Farbe bekennen: Ist sie Sarahs leibliche Mutter oder nicht? Und warum hat sie ihr Kind im Stich gelassen, diese Rabenmutter?

_Unterm Strich_

Dieser vierte Fall Sunny Randalls ist durchaus spannend und wird auch übersichtlich erzählt, denn es gibt in regelmäßigen Abständen immer wieder Resümees. Auch die Akteure haben mir gut gefallen, allen voran Spike und DS Eugene Corsetti sowie Susan Silverman, die die Sphinx und Beichmutter spielt. Aber dennoch wurde ich leicht enttäuscht. Denn schon auf halber Strecke ist recht deutlich auszumachen, worauf der Fall hinauslaufen wird. Dass Lolly Drake in jungen Jahren ein uneheliches Kind bekam und es irgendwie loswerden musste, wollte sie ihre gerade abhebende Karriere nicht massiv beeinträchtigen. Also wurde sie zur Rabenmutter.

Für die Qualität der Geschichte erweist sich jedoch diese Vorhersehbarkeit als nicht so schädlich, wie man erwarten sollte. Denn die Story ist lediglich der Aufhänger für ein viel grundlegenderes Thema. Es geht um die Fragestellung: Was ist der ideale Elternteil? Lolly ist sicher nicht die ideale Mutter, und Mrs. Markham erst recht nicht. Aber Sarah lässt Mister Markham durchaus als Daddy gelten, und auch Sunny muss die Frage entscheiden, ob ihr Daddy sie wirklich liebt und ihre Mutter sie womöglich hasst. Auch für sie ist Daddy der ideale Vater, ohne jedoch ödipale Konflikte auszulösen. Aber warum kann Sunny dann Richie zwar lieben, aber nicht mit ihm zusammenleben?

Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass weibliche Diskussionsrunden diese für jede weibliche Existenz grundlegenden Fragen erörtern könnten. Und nicht nur das. Allein schon die Beschäftigung mit diesen Fragen veranlasst jeden Leser dazu, es wie Susan Silverman zu machen und nach den Gründen für die eigenen Einstellungen zu suchen: Warum lebe ich als Single, warum bin ich alleinerziehend, weshalb rufe ich meine Eltern nie an, wieso gehe ich nie unter Menschen usw.

Und wir könnten Susan Silvermans Arbeit übernehmen und uns fragen, warum Sunnys Lieblingsphantasie einen sie beschützenden Mann an einem wärmenden Lagerfeuer beinhaltet, sich diese heimelige Szene aber in einer Landschaft abspielt, die in tiefstem Winter liegt. Warum gerade „tiefster Winter“, hm?

|Taschenbuch: 292 Seiten
ISBN-13: 978-0425204214|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/berkley.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066

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