Neuman, Ronnith – Tod auf Korfu

Das [antike Griechenland,]http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:AntikeGriechen1.jpg welches über das Gebiet des heutigen Staates bis nach Kleinasien hinausragte, wird als Wiege Europas bezeichnet, insbesondere aufgrund zivilisatorischer Leistungen auf Gebieten der Philosophie, Naturwissenschaften, Geschichtsschreibung und Literatur. Doch nicht nur historische Stätten und der Atem der Geschichte sind es, die Millionen von ausländischen Gästen anlocken. Griechenland hat nämlich auch wie kaum ein anderes europäisches Land eine Vielfalt von geographisch interessanten Inseln vorzuweisen: Es gibt etwa zehntausend von ihnen; die bekanntesten sind dabei Rhodos, Kreta, Mykonos, Samos, Lesbos und Korfu. Auf diesen idyllischen Inseln tummeln sich jedes Jahr in den Sommermonaten unzählige Touristen. Das Land und besonders die Inseln sind geradezu abhängig von diesen Touristen.

Der Krimi „Tod auf Korfu“ der deutschen Autorin Ronnith Neuman spielt auf eben dieser wunderschönen Insel. Die Autorin beschreibt in ihrem Debütroman die Folgen eines früheren Verbrechens, dessen Schrecken bis in unsere heutige Zeit nachklingt.

_Die Story_

Auf der Sonneninsel Korfu sind Verbrechen nicht gerade an der Tagesordnung. Korfu ist eher idyllisch-anmutig und immer wieder das Ziel von Touristen, die nicht nur Erholung, sondern auch Kultur erwarten. Zwei Fischer finden jedoch in der Dämmerung des Morgengrauens am Strand eine männliche Leiche. Zum Tatort wird auch die nebenberufliche Fotografin Kristina gerufen, die schon häufiger für die hiesige Kriminalpolizei tätig war.

Die Beamten sind verschreckt und verstört, denn auf der Insel kennt man eigentlich kaum Gewaltverbrechen. Auch der erfahrene Hauptkommissar Alexandros Kasantzakis, der seine Berufserfahrung in Athen gesammelt hat, wirkt sichtlich schockiert, meinte er doch, auf einer Urlaubsinsel nur Routinefälle bearbeiten zu müssen – die langen Jahre in Athen haben bei ihm Spuren hinterlassen.

Die Leiche ist nackt und die Todesursache scheint zunächst nicht ersichtlich. Auf den ersten Blick gibt es keine Spuren, keine besonderen Merkmale; und auch wenn Korfu von der Fläche her eher klein und überschaubar ist, hilft hier der Zufall auch nicht weiter – die anwesenden Beamten können den Toten nicht identifizieren.

Erst die Autopsie kann so manchen Schleier ein wenig lüften: Der Mann ist eindeutig ermordet worden, die Todesursache war, wie schon vermutet, Ertrinken. Allerdings nicht im Meer, denn es findet sich Süßwasser in seiner Lunge, und vor seinem gewaltsamen Tod ist der Mann zudem gefoltert worden. Überdies findet man durch Blut- und Haarproben heraus, dass er drogenabhängig gewesen sein muss.

Durch filigrane Ermittlungsarbeit und etwas Glück findet Kommissar Kasantzakis heraus, wer der mysteriöse Unbekannte war: Dr. Jannis Mastoras, ein angesehener und berühmter griechischer Arzt mit deutschen Vorfahren. Sein Spezialgebiet war wie das seines nicht weniger berühmten Vaters das Erforschen von Erbkrankheiten.

Doch noch viele Fragen bleiben für die Ermittler offen. Der Mörder bleibt jedoch nicht im Verborgenen, sondern schickt Kasantzakis ein Päckchen mit einem Gedicht. Ein erster direkter Hinweis oder eine Verhöhnung der Polizei? Wenige Tage später wird ein alter Ölbauer in einem Olivenhain erhängt aufgefunden. Kommissar Kasantzakis und der Fotografin Kristina fallen sofort die Parallelen zu dem ersten Toten auf. Auch der Erhängte wurde vor seinem gewaltsamen Tod bestialisch gefoltert – aber worin besteht das Motiv des vermutlichen Serienmörders?

Doch beide Opfer kannten sich scheinbar und gehörten einer deutschen Vereinigung an – der „Rune“. Beide legten nach dem Zweiten Weltkrieg ihre deutschstämmigen Namen ab und nahmen stattdessen deren griechische Formen an. Was hatten sie zu verstecken und warum?

Kristina, die einige Zeit in Deutschland gelebt hat, kann verschiedene Dokumente der beiden toten Männer entschlüsseln und stellt dabei fest, dass das Motiv des Täters nicht in der Gegenwart zu finden ist. Die Vergangenheit der beiden Männer geht bis auf die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges zurück, doch was haben die Toten damit zu tun? Sie waren zu jener Zeit noch unschuldige Kinder, aber Korfu war damals von den deutschen Truppen besetzt.

_Kritik_

„Tod auf Korfu“ ist ein Krimi, den man vielleicht passenderweise direkt im Sommerurlaub auf Korfu lesen sollte. Die Wurzel der Erzählung wirft jedoch ein düsteres Licht auf die scheinbar idyllische Sonneninsel und ihre Vergangenheit.

Ronnith Neuman lebt seit Jahren auf Korfu und hat die Schauplätze der Handlung sorgfältig und authentisch gewählt. Der Krimi ist und bleibt aber ein solcher und erzählt leider sehr wenig über das Leben und die Kultur der griechischen Mittelmeerinsel. Solche leidenschaftlichen wie auch wichtigen Details sind spärlich in der Geschichte verstreut und einfach zu unliebsam geschildert, was ich persönlich als recht schade empfinde.

Obwohl es sich um einen Kriminalroman handelt und viele Einzelheiten wie auch die Handlung typisch für dieses Genre sind, so hat es Ronnith Neuman doch geschafft, die authentische Vergangenheit der Insel mit der Gegenwart zu kombinieren. Ich war jedenfalls so weit gefesselt, dass ich zum Thema näher recherchierte und feststellen durfte, dass sich die Autorin durchaus sauber an die Fakten gehalten hat.

Jedes Kapitel wird durch Tagebucheinträge des Täters eingeleitet. Es beginnt im Jahre 1954 und setzt sich bis in die aktuelle Zeit der Handlung fort. Genau diese Eintragungen machen es dem Leser auch leicht, den Täterkreis enger und enger zu ziehen, bis es eigentlich nur noch eine sinnvolle Lösung gibt. Unlogischerweise übersehen die ermittelnden Beamten so manches Indiz, was die Spannung der Geschichte zwar nicht mindert, aber dennoch manches Mal unglaubwürdig wirkt.

Die Motivation des Täters ist im Rahmen seiner Persönlichkeit plausibel und verständnisvoll erklärt, auch wenn sie für einen typischen Kriminalroman geradezu wie ein Klischee wirkt. Die Charaktere des Romans sind dagegen leider viel zu wenig ausgeprägt. Selbst ihre Vita bleibt im Dunkeln; hier hätten mehr persönliche Stärken und Schwächen vieles positiver hervorheben können.

_Fazit_

Ronnith Neuman hat mit diesem Kriminalroman Talent bewiesen. Obgleich diverse Schwachstellen für den einen oder anderen Leser die Spannungsauflösung vorwegnehmen dürften, so ist das Buch doch keineswegs unspektakulär oder uninteressant. Wie schon erwähnt, gewinnt der Roman an Tiefe, wenn es darum geht, die Vergangenheit aufzurollen und mit der Gegenwart abzuschließen.

Es sollte nicht verwundern, wenn wir die Charaktere aus „Tod auf Korfu“ in einem der nachfolgenden Romane wiedersehen würden. Das Buch habe ich trotz verschiedener Kritikpunkte gern gelesen; die Schwächen kann man zwar nicht wegdiskutieren, aber für einen Debütroman ist das Resultat lesenswert.

_Die Autorin_

Ronnith Neuman, geboren 1948 in Haifa (Israel), kam 1958 mit ihren Eltern nach Deutschland. Sie ist freie Fotografin, Künstlerin und Autorin. Für ihre Erzählungen und Theaterstücke erhielt sie zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Ronnith Neuman lebt auf Korfu und zeitweise in Bielefeld.

http://www.ullsteinbuchverlage.de/listhc/

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