Parker, Robert B. – Walking Shadow – Ein Spenser-Krimi

_Zwielichtige Geschäfte in Port City_

Eigentlich soll Spenser in Port City nur herausfinden, wer der Stalker ist, der dem Direktor des einzigen Theaters nachstellt. Doch als Spenser die Aufführung eines politisch umstrittenen Stücks besucht, wird ein Schauspieler auf offener Bühne erschossen. Nun hat er noch einen Auftrag. Allerdings bekommt er von Lonnie Wu, dem Anführer einer chinesischen Gang, unmissverständlich klargemacht, dass er sich von Port City fernhalten soll, sonst … Natürlich tut Spenser genau das Gegenteil. Und so kommt eine verhängnisvolle Kette von Ereignissen in Gang, die drei Menschenleben fordert.

Der Titel der deutschen Übersetzung lautet „Die unsichtbaren Killer“.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) „Family Honor“
2) „Perish Twice“
3) „Shrink Rap“
4) „Melancholy Baby“
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die derzeit 39 Romane umfasst, erschienen:

[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818 , „Widow’s Walk“, „Potshot“, „Hugger Mugger“, „Potshot“, „Small Vices“, „Bad Business“, „Back Story“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Privatdetektiv Spenser hätte nicht gedacht, dass seine Freundin, die Psychotherapeutin Susan Silverman, im Aufsichtsgremium eines veritablen Theaters sitzt. Und das ist der Grund, warum sie ihn nach Port City mitnimmt, dem Sitz des Theaters. Er soll den Stalker aufspüren, der dem Theaterdirektor das Leben schwer macht.

Port City ist ein heruntergekommener Hafen, über dem es ständig zu regnen scheint. Die Bevölkerung besteht zu sechzig Prozent aus Chinesen und Portugiesen, den früheren Arbeitern in den Fischfabriken, und der weißen Oberschicht. Die lebt oben auf dem Hügel, der Rest unten am Hafen. Kein Wunder, dass das Theater, das dort unten errichtet wurde, sich keiner sonderlich sicheren Nachbarschaft erfreut.

Das erste Gespräch ist ergebnislos, also setzen sich Spenser und Susan in die Aufführung, zu der sie eingeladen wurden. Das Stück ist kontrovers und fordert alle Vorurteile heraus. Als der Schauspeiler Craig Sampson den Song „Lucky in Love“ anstimmt, trifft ihn die Kugel eines Scharfschützen ins Herz. Spensers sofort geleistete Erste Hilfe kommt zu spät. Nun hat er einen zweiten Auftrag an der Backe. Wer erschoss den Schauspieler? Und das alles ohne Bezahlung.

In der anschließenden Vorstandssitzung bittet er das Aufsichtsgremium um Mithilfe bei der Aufklärung. Pustekuchen! Die Chinesin Rikki Wu bringt sogar deutliche Vorbehalte und Einwände gegen eine Ermittlung vor. Sheriff DeSpain sucht in alle Richtungen. Der frustrierte Spenser lädt sie in das Restaurant ihres Mannes Lonnie Wu ein, doch auch hierbei erfährt nichts. Der Grund wird klar, als Spenser in der Wohnung des Ermordeten etwas findet, was DeSpains Beamte geflissentlich übersehen haben, obwohl es sich an einem offensichtlichen Versteck befand, an der Unterseite einer Schublade: Fotos von Rikki Wu und Craig Sampson.

Doch vor diesem erhellenden Fund hat bereits Lonnie Wu Spenser einen Besuch abgestattet. Er verbot Spenser, jemals wieder einen Fuß in Port City zu setzen. Die beiden vietnamesischen Totschläger in Wus Begleitung versuchen diesem Wunsch Nachdruck mit Pistolen zu verleihen, doch Spenser reagiert schneller, indem er Wu einen geladenen und gespannten Revolver unter die Nase hält. Wu zieht wieder ab, doch wenige Tage später tauchen die beiden Vietnamesen wieder in Spensers Wohnung auf …

Nachdem auch diese Problem erledigt ist, wagt sich der fortan wütende Spenser nur noch mit Begleitschutz in die offenbar von einer chinesischen Tong beherrschte Stadt, einer Verbrecherbande. Und er vermutet, dass sie auch den Sheriff bereits eingesackt haben. Als Spenser mit seinem Freund Hawk und dem Exknacki Vinnie Morris im Restaurant sitzt, setzt sich die Schauspielerin Jocelyn Colby zu Spenser, um ihn um Hilfe zu bitten. Ihr Auftritt ist wahrlich sehenswert, stammt aber aus einem Melodrama. Sie habe Angst vor einem Stalker. Schon wieder Einer, denkt Spenser genervt.

Das Blatt wendet sich, als kurz darauf eine Salve Kugeln das Restaurant durchsiebt und Tage darauf Spenser eine Videocassette ins Büro flattert: Darauf sitzt die verschwundene Jocelyn Colby gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl. Wurde sie entführt? Wo ist dann die Lösegeldforderung? Und etwas an diesem Video kommt Spenser verdächtig bekannt vor …

_Mein Eindruck_

In diesem „Spenser“-Krimi führt Meister Parker zwei ziemlich unwahrscheinliche Welten zusammen und lässt sie aufeinanderprallen: das Theater und chinesische Verbrecherbanden. Die Nahtstelle zwischen den Welten bilden einerseits Rikki Wu, Lonnies Wus untreue Ehefrau, und zum anderen die Schauspielerin Jocelyn Colby, die eine alte Verbindung zu Sheriff DeSpain hat, der wiederum von Lonnie Wu bezahlt wird. Diese Dreiecksgeschichten führen zu explosiven Konflikten, wie man sich unschwer vorstellen kann.

Port City scheint fest in chinesischer Hand zu sein, aber dass darf natürlich keiner merken. Deshalb spielen Rikki Wu, Jocelyn und der Sheriff allesamt Theater. Allerdings merkt dies Spenser erst nach und nach, denn er zu Anfang immer noch mit den zwei Stalkern und anderen „wandelnden Schatten“ befasst, wie sie am Theater durchaus üblich sind. Die Scheinwelten durchdringen einander, die falschen Identitäten ebenso.

|Die Chinesen|

Spenser muss natürlich herausfinden, womit Lonnie Wu am meisten Geld macht. Sind es Drogen, ist es Prostitution, Schutzgelderpressung? Nein, durch Zufall erfährt er, dass auf der Brant-Insel nächtens bis zu hundert Chinesen heimlich an Land gehen: illegale Einwanderer, so unwirklich wie Geister, und doch höchst lukrativ. Der Schleuserlohn beträgt mehrere tausend Dollar pro Nase, und Lonnie bekommt natürlich einen erklecklichen Anteil daran.

Die Einwanderer arbeiten für einen Hungerlohn, um es sich vom sauer Ersparten leisten zu können, den Rest der Familie nachzuholen. Mit Spenser als Alter Ego stößt der Autor seine Leser mit der Nase auf diese Misere und fordert sie auf, etwas dagegen zu unternehmen. Spenser erreicht bei Lonnie Wus Boss Little Eddie, dass die illegale Einwanderung aufhört. Zumindest in Port City. Wir erhalten einen tiefen Einblick in die chinesische Kultur und Mentalität.

|Die Schauspielerin|

Jocelyn Colby macht hingegen jede Menge: Sie hat es auf Spenser abgesehen. Wie ein kleines Mädchen, das auf Vaterfiguren steht, um mit ihnen ins Bett zu gehen – solange es etwas Verbotenes ist. Diesmal hat sie es auf ihn abgesehen, doch er befindet sich zum Glück bereits in festen Händen, wie er Susan versichert.

Doch eine enttäuschte Jocelyn lässt das nicht auf sich beruhen, sondern rächt sich. Dass ihr Verhalten mehr als einen Mann ins Unglück gestürzt hat, muss auch Port City feststellen: Die geisteskranke Frau, wie Spenser und Hawk sie nennen, hat mehr als einen Mann auf dem Gewissen. Ihre Krankheit besteht darin, dass sie nicht zwischen Realität und der Scheinwirklichkeit des Theaters trennen kann. Ihre Anmache wirkt deshalb stets so unecht wie eine Performance.

|Action|

Sobald Lonnie Wu auftritt, ist Action angesagt. Die Sprache der Waffen wirft die spannende Frage auf, wann die vietnamesische Todesschwadron, die für den Bandenchef arbeitet, Spenser erwischen wird. Der Privatdetektiv wagt sich nach Port City nur noch mit seinem eigenen, schwer bewaffneten Kommando, und die Patrouille, begleitet von einer Dolmetscher, könnte jederzeit zu einer Schießerei eskalieren. Diese Spannung muss sich schließlich entladen. Das passiert jedoch ganz anders als erwartet.

|Humor|

Ich habe bislang keinen „Spenser“-Krimi ohne Humor gelesen. Stets sorgen die ironischen Dialoge zwischen dem Helden und seiner „Jewish American Princess“ Susan Silverman für ironie-induzierte Schmunzeln. Und wollen sie sich einmal körperlich näherkommen, so zwängt sich garantiert die eifersüchtige Hündin Pearl dazwischen. Sie hängt sehr an ihrem Frauchen.

Nicht so witzig fand ich hingegen Spensers Bildungsgeprotze mit all den Zeilen, die er aus unterschiedlichsten Stücken Shakespeares oder aus T.S. Eliots Gedichten zitiert. Ich weiß ja schon, dass er schrecklich belesen ist, aber dass er nun auch noch am Theater den Geek raushängen muss, finde ich übertrieben. Ein Gutes hat die Sache allerdings: Seine Sprüche und Anspielungen verwirren den geistig minderbemittelten Gegner regelmäßig – mit Ausnahme von Susan natürlich.

_Unterm Strich_

Nach dem recht mittelmäßigen und klischeebeladenen Krimi „Stardust“ (dt. Titel „Starallüren“) konnte ich mit „Walking Shadow“ wieder richtig aufatmen. Die wendungsreiche Story wird durch mehrere Actionszenen und erotische Anmachen aufgepeppt und mündet in der mysteriösen Entführung der Jocelyn Colby, die mehrere Männer auf dem Gewissen hat. Gerade wenn der Leser – wie der Held – meint, die Geschichte sei an einem toten Punkt angelangt, besinnt sich Spenser wieder auf seine Tugenden – und entdeckt den entscheidenden Hinweis, wie üblich in der Vergangenheit.

Während der Autor das Theater, abgesehen von den Klassikern, nicht sonderlich ernstnimmt, so widmet er sich doch dem Problem der illegalen Einwanderung aus China umso ernsthafter. Er zeigt nicht nur die Ausbeutung der Eingewanderten, sondern auch die Korruption, die die Schleuser und Gangsterbanden (Tongs) verursachen und fördern – auch unter den einheimischen Behörden. Sowohl durch die Anklage dieser Verbrechen als auch durch einen Blick auf das Elend, in dem die Einwanderer schuften müssen, fordert der Autor den Leser auf, etwas gegen beides zu unternehmen. Mehr kann ein Buch nicht tun, will es nicht zu einem Pamphlet verkommen.

|Taschenbuch: 270 Seiten
ISBN-13: 978-0399139611|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/putnam.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066

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