Pigafetta, Antonio / Grün, Robert (Hrsg.) – Mit Magellan um die Erde

_Wir schreiben das_ Jahr 1519: Ein waghalsiger portugiesischer Seefahrer, der inzwischen unter der spanischen Krone segelt, bricht mit einer Flotte aus fünf mehr oder weniger baufälligen Schiffen auf, um als erster die Gewürzstraße zu durchqueren und mit seiner großzügigen Mannschaft die Welt zu umsegeln. Als die 234 Mann starke Mannschaft am 10. August in Sevilla in See sticht, ist allerdings noch keinem bewusst, welch geschichtsträchtiges Ereignis ihr bevorsteht, genauso wenig wie die Qualen, die diese Reise bedeuten soll – und die Opfer, der hohe Preis, den 217 Leute auf dieser Reise zahlen sollen. Dieser beträchtliche Teil der Crew kommt bei der abenteuerlichen Reise um den Erdball ums Leben und zahlt Ferdinand Magellan seinen Tribut, als dieser ähnlich unbewusst wie sein kurz zuvor aktiver Kollege Kolumbus einen Triumph in der damaligen Schifffahrt zu verbuchen gedenkt.

Und es ist Magellan selber, der als eines der ersten Opfer dieser gewaltigen Reise sein Leben hergibt. Ein Leben für die Wissenschaft, für den Kampf gegen das Unmögliche, für die Rebellion und für den Beweis, dass Wissenschaft nur dann funktionieren kann, wenn Wagemut, Risikobereitschaft und Ehrgeiz in Personalunion funktionieren.

Bevor Magellan jedoch an diesem Punkt angelangt ist, hat er sich längst einen Namen auf der iberischen Halbinsel gemacht. Von den Portugiesen mehr oder weniger in seinem Talent verschmäht, entschließt sich Magellan, der gleich mehrfach seinen Rufnamen anpasst, unter fremder Krone zu segeln und seinen Wissensdurst und den zugehörigen Abenteuerhunger für die einst befeindeten Spanier zu nutzen. Seine Mission wird harsch kritisiert, und ähnlich wie damals unter dem Banner Portugals, wird ihm die Unterstützung seiner neuen Verbündeten oftmals verwehrt. Doch auch an Bord seiner fünf Schiffe kommt es zu Meutereien, Anfeindungen, Intrigen und ständigen Meinungsverschiedenheiten, die zu den vielen Gründen gehören, warum ein beträchtlicher Teil der Mannschaft auf der Strecke bleibt. Einer der Überlebenden ist Magellans enger Gefährte und Tagebuchschreiber Antonio Pigafetta. Mit 16 anderen, schwerst ausgemergelten Kollegen erreicht er nach mehr als drei Jahren das spanische Festland und veröffentlicht kurz darauf die Memoiren dieser unglaublichen Reise – und geht ebenso wie sein gefallener Kapitän als einer der größten Helden der Seefahrt in die Geschichte ein!

_Robert Grün hat_ Pigafettas Aufzeichnungen nun ein weiteres Mal bearbeitet und zu einem umfassenden Abenteuerbericht zur berüchtigten Seereise umfunktioniert. Nah am Original orientiert, bietet er eine der besten und gleichzeitig authentischsten Zusammenfassungen der Ereignisse des fast vierjährigen Trips. Dabei legt er ein besonderes Augenmerk auf den zweiten, beschwerlichen Abschnitt der Reise, während dem die Mannschaft voller Entbehrungen lebt, wilde Stämme kennenlernt, die merkwürdigsten Inselgruppen ansteuert und mit Völkern in Kontakt und Handel tritt, deren Existenz und deren rohe Sitten bis dato niemand auch nur im Ansatz in dieser Form erlebt hatte. Leider nutzen sich gerade diese Erzählungen auf den letzten Seiten ein wenig ab, weil der Bericht immer größere Zeitlücken hinterlässt und die Erlebnisse einander ähneln. Allerdings ist dies vor dem Hintergrund, dass es sich hierbei um eine Tatsachenschilderung von historischem Ausmaß handelt, vollkommen in Ordnung und völlig legitim.

Viel interessanter ist indes der Einblick in die zahlreichen mittelalterlichen, in ihrer Vielzahl noch unentdeckten, Kulturen, die Pigafetta zum Vorschein bringt. Barbarische Rituale, außergewöhnliche Handelsstrategien, brutale Übergriffe und seltsame Zweckbündnisse zeichnen Magellans Weg und somit das gesamte Buch, welches nicht von künstlich erzeugter Spannung oder dergleichen zehrt, sondern in erster Linie von der greifbar realistischen Action und der Dramaturgie, die das Leben dieser 234 Seeleute seinerzeit beschrieben hat.

_Als historischer Abenteureroman_ ist „Mit Magellan um die Erde“ daher auch nicht adäquat eingruppiert. Vielmehr ist es ein begeisterungsfähiger Erlebnisbericht eines triumphalen, wenn auch mit hohen Opfern versehenen Wissenschaftsprojekts, welches in der lebhaft inszenierten Übersetzung Grüns definitiv zu den besten Werken zu diesem Thema gehört. Schlussendlich ist es nicht nur die Tatsache der Weltumsegelung an sich, die hier durch die Bank überzeugt, sondern vor allem die gelegentlich sehr dramatische Präsentation, die dem hohen Qualitätsstandard der Edition Erdmann ein weiteres Mal voll und ganz gerecht wird. Die Konsequenz ist damit verdientermaßen eine uneingeschränkte Empfehlung für „Mit Megallen um die Erde“!

|Gebunden: 281 Seiten
ISBN-13: 9783865398116|
[www.edition-erdmann.de]http://www.edition-erdmann.de/

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