Porsche, Dieter – Weiße Berg, Der: Überlebenskampf am Dhaulagiri

Mit mehreren Achttausendern in der Hinterhand gehört Dieter Porsche zu den erfolgreichsten Höhenbergsteigern der Moderne. Dabei gelangte der Alpenvereins-Aktivist erst relativ spät zum Bergsteigen und widmete sich diesem Hobby erst im Alter von 30 Jahren (1985) intensiver. Seither gilt Porsche als erfahrener Ansprechpartner geschätzter Ausbilder und fanatischer Extremsportler, für den das steigende Alter kein Hindernis für neue Herausforderungen mehr ist.

Im April 2003 startete er schließlich eine seiner dramatischsten Expeditionen. Im Rahmen einer |AMICAL alpin|-Reise sollte der Aufstieg zum Weißen Berg, dem Schneefleck des Himalaya, realisiert werden. Doch der Dhaulagiri erwies sich im steten Schneetreiben und während der zahlreichen Frühjahrsstürme als harte Nuss, die Porsches Expedition teuer bezahlen sollte. Sechs Jahre später erzählt er nun als Autor seines persönlichen Erlebnisberichtes von dieser knapp zweimonatigen Tour, von den Freuden, den Gefahren, den Ausnahmesituationen und schließlich vom dramatischen Unglück, das sich kurz nach dem Erreichen des Gipfels zutrug.

In „Der Weiße Berg: Überlebenskampf am Dhaulagiri“ schildert Porsche aber bei weitem nicht nur das tragische Ende dieser Gipfelepisode, sondern präsentiert ein ausgedehntes Gipfeltagebuch, das bereits mit den Vorbereitungen zur Nepalreise startet, die langen Tage in den Basislagern ausführlich beschreibt, aber auch sonst die ganzen Eigenheiten des Höhenbergsteigens mit viel Hintergrundwissen nahebringt. Der Autor pflegt hierbei einen sehr familiären, sympathischen Schreibstil und vermittelt dem Leser relativ bald das Gefühl, er sei selber ebenfalls an der Expedition beteiligt und würde in der Seilschaft mit den Scherpas gen Gipfel stürmen.

Nichtsdestotrotz sind seine Beschreibungen nicht selten emotional, gerade wenn die gesamte Tour mal wieder vor einem großen Fragezeichen steht und das unberechenbare Wetter den Teilnehmern eine unsichere Zukunft beschert. Sehr gelungen ist dabei das Gefühl des Ausgesetztseins, der Hilflosigkeit in der exponierten Landschaft des Himlaya, beschrieben, welches Porsche und seine engen Vertrauten immer wieder bekämpfen müssen. Mangels technischer Möglichkeiten ist eine Wettervorhersage beispielsweise vor Ort nicht exakt durchzuführen, so dass per komplexem Satellitenfunk und Recherchearbeit am mitgeschleppten Laptop die vagen Prognosen aus dem europäischen Raum herhalten müssen.

Unterdessen sind die Erlebnisse vor dem Nordostgrad des Dhaulagiri für alle prägend. Ein Hochgefühl ob der überraschend hellen Morgensonne wird durch den folgenden Sturm, der die Depots begräbt und die Zelte in Stücke reißt, wieder getrübt. Immer wieder erschüttern neue Extreme die Situation und zwingen die Leitung zu steten Planänderungen. Zum Glück für die deutschen Teilnehmer ist ihre Expedition nicht die einzige, die den Dhaulagiri als Ziel auserkoren hat. Vier Teilnehmer aus Sachsen sowie ein bekannter französischer Solobergsteiger (Jean-Christophe Lafaille, wird seit 2006 vermisst) sind ebenfalls in den schneebedeckten Wänden unterwegs und können mit Erfahrung, Fixierungsarbeiten und Spurarbeiten unterstützen.

Dennoch steht das gesamte Projekt auf der Kippe, als sich Mitte Mai, zwei Wochen vor dem eigentlichen Abreisetermin, eine Schlechtwetterfront ankündigt und die Frage aufwirft, ob man das (unter anderem auch finanzielle) Risiko eingehen und die Gipfelbesteigung noch um einige Tage aufschieben oder doch besser das Lager räumen und sich den Widrigkeiten geschlagen geben soll. Die ehrgeizigen Bergsteiger um Dieter Porsche entscheiden sich schließlich für die zweite Variante, nutzen die beiden Sonnentage für den Gipfelgang und stürzen beim Abstieg in eine beinahe tödliche Tragödie. Porsches Freund Christoph stürzt gemeinsam mit einem der Sachsen 600 Meter in die Tiefe, überlebt den Sturz aber ebenso wie sein Mitopfer.

Doch die Rettungsaktion fordert ihren Tribut – auch bei Porsche, der später noch Wochen an den Folgen des unfreiwilligen nächtlichen Biwaks laboriert und auf dieser Tour zum ersten Mal am eigenen Körper erfahren hat, was es heißt, der Bedrohung in der Todeszone ausgeliefert zu sein. Und was er dabei durchlebt hat, das schildert er in den sehr intensiven letzten Kapiteln eines umfassenden Tourtagebuchs, welches durch seine Detailverliebtheit und die mitreißende persönliche Note vor allem eines bewirkt hat: Die Faszination fürs Höhenbergsteigen auf den Achttausendern noch auszubauen.

Unterdessen klärt Porsche auch die sich in diesem dramatischen Zusammenhang erst recht aufdrängende Frage, was Leute wie ihn in diesen vermeintlichen Wahnsinn treibt. Und dies gelingt dem Autor nicht durch die Darstellung irgendwelcher Heldentaten oder dergleichen, sondern mit Kraft seiner begeisterungsfähigen Worte und den leidenschaftlich erzählten Landschaftsdokumentationen. Hinzu kommt, dass der Mann zeitgleich passionierter Fotograf ist und seine Touren stets mit seinem Equipment festhält. Unzählige Fotos von allen Tagesetappen und dem gewaltigen Panorama des Dhaulagiri und den umliegenden Bergmonstern vervollständigen die Nachlese dieser Expedition und sind alleine schon Grund genug, sich mit „Der Weiße Berg“ auseinanderzusetzen.

Dass das Geschriebene den Bildern jedoch mindestens ebenbürtig ist, ehrt Porsche als Autor und zeugt letzten Endes auch davon, wie glaubwürdig der Mann diese Schicksalsreise für die Nachwelt festgehalten hat. Einen letzten Schliff verpassen die penibel aufgearbeitete Historie um die bisherigen Besteigungen des Dhaulagiri sowie ein kleines Bonus-Lexikon, das sich mit den Gefahren des Höhenbergsteigens beschäftigt – gerade für diejenigen, die sich überhaupt kein Bild von den möglichen Krankheitsbildern in der Höhe machen können, eine sinnvolle, lesenswerte Ergänzung und schließlich der aufschlussreiche Abschluss eines grandiosen Bergsteigerbuchs, geschrieben von ‚einem von uns‘.

|256 Seiten, gebunden
mit zahlreichen Farbfotos
ISBN-13: 3-613-50610-6|
http://www.paul-pietsch-verlage.de

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