Ritchie, Guy / Diggle, Andy / Singh, M. – Gamekeeper: Auf der Spur des Jägers

Mit „Gamekeeper“ startet dieser Tage der neue Verlag |Virgin Comics|, der hierzulande von |Panini| vertrieben wird, sein viel versprechendes Debüt. Das Verlagsprogramm ist dabei vor allem darauf ausgerichtet, ältere Jahrgänge unter den Lesern der illustrierten Geschichten anzusprechen und ihnen mit experimentellen, teils auch (sozial-)kritischen Inhalten noch mehr innovatives Comic-Futter zu liefern.

Grundsätzlich könnte der Auftakt zur Verbreitung der hauseigenen Ideale daher auch nicht besser gewählt sein: „Gamekeeper“ ist bereits in Hollywood in Auftrag gegeben, und dies von Autor Guy Ritchie („Bube, Dame, König, grAs“, „Snatch – Schweine und Diamanten“, „Revolver“; Ehemann von |Madonna|) höchstpersönlich, der vom Potenzial seines Plots sofort überzeugt war und das Projekt in die Hände des ausführenden Produzenten Joel Silver übergab. Doch hat „Gamekeeper“ auch tatsächlich dieses suggerierte hohe Potenzial?

_Story_

Der tschetschenische Wildhüter, den heute alle nur noch Brock nennen, hat seine bittere Vergangenheit bereits vor zehn Jahren hinter sich gelassen, als er einem schottischen Farmer in der Nähe seiner Landesgrenzen das Leben vor dem Angriff russischer Söldner rettete. Seither lebt er in den Highlands in natürlicher Umgebung, schützt die Gegend vor Wilderern und ist mit der Zeit eins mit der unbefleckten Natur seiner neuen Wahlheimat geworden.

Als eines Tages ein einsamer Junge seinen Weg kreuzt, wird Brock sofort wieder an jenen schrecklichen Tag erinnert, als die Söldner ihm vor seinen Augen den einzigen Sohn nahmen. Doch der Wildhüter fasst Vertrauen und bringt den fremden Jüngling zu seinem besten Freund Jonah, der ihm sofort Arbeit auf der Ranch verschafft. Aber der Neuankömmling erweist sich als Verräter und Mitglied derselben Gruppe, die bereits eine Dekade zuvor ein wichtiges Schriftstück aus Jonahs Hand rauben wollte. Nun jedoch sind die Methoden radikaler und die Auswirkungen verheerender: Bis auf Brock und wenige Gefolgsleute Jonahs wird das ganze schottische Dorf bei einem inszenierten Brand ausgelöscht. Für Brock ist dies ein eindeutiges Zeichen; ein zweites Mal hat er diejenigen Menschen, die ihm wichtig sind, an dieselbe Organisation verloren. Und nun ist es endgültig an der Zeit, den Drahtzieher zu jagen und Selbstjustiz zu üben.

_Persönlicher Eindruck_

Guy Ritchie wagt sich mit der Geschichte um den unscheinbaren Tschetschenien-Flüchtling an ein nach wie vor heißes und brisantes Thema heran, insbesondere weil der Krisenherd immer noch ein explosiver Schauplatz ist und man sich gerade als Amerikaner fragen muss, inwiefern man überhaupt öffentlich Kritik an der Russland-Politik üben darf, ohne dabei ein Pulverfass zu entzünden. Ritchie allerdings nimmt dieses Setting nur als Rahmen für die persönlichen Tragödien seiner Charaktere, deren Vergangenheit unmittelbar mit dem Krieg in der Heimat verknüpft ist, und deren Leben über Jahre hinweg nur auf Ungerechtigkeit und unmenschlichen Zumutungen aufbaute.

So weit, so gut. Doch der Autor vergisst bei diesem waghalsigen Unternehmen vor allem eines, nämlich die Weiterentwicklung der wichtigen Figuren und überhaupt die Liebe zum Detail bei den Charakterzeichnungen. Hauptdarsteller Brock ist an sich nur ein Stereotyp eines verbitterten Mannes, der trotz der ihn umgebenden Ruhe eine tickende Zeitbombe ist und darauf wartet, dass er endgültig mit seiner Vergangenheit abschließen kann. Grundsätzlich ist dieser schmale Inhalt schon die Quintessenz der Story. Die Frage ist nun, was der Autor aus dieser Vorlage macht bzw. wie es ihm gelingt, das Ganze halbwegs mit Leben zu füllen – und gerade hier scheitert Ritchie über weite Strecken ganz gewaltig.

Der Schreiber und Regisseur begrenzt den tiefgängigen Teil der Handlung auf einzelne Flashbacks, die das Seelenleben der elementaren Charaktere aufschlüsseln sollen, aber keine wirklich spürbaren Impulse für die Geschichte bereithalten. Darüber hinaus setzt Ritchie an den entscheidenden Stellen auf einen Wechsel aus aufgesetzter Philosophie und eher unspektakulärer, brutaler Action, nimmt sich im Zuge dessen jedoch das gesamte Potenzial, die Story mit heiteren Wendungen und prägnanten Überraschungen füllen zu können – und gerade diese werden insbesondere in der Endsequenz von „Gamekeeper“ schmerzlich vermisst.

Was bleibt, ist leider nur der herausgezögerte Racheakt eines unberechenbaren Mannes, der hier vor einigen vorgespielten, politischen Hintergründen erzählt wird, aber alle Themenbereiche, die sich innerhalb des Plots zwangsläufig aufdrängen, nur unbedarft streift. Letztendlich bietet die Story nichts Halbes und nichts Ganzes und außer einer Reihe vielversprechender, theoretisch auch sehr interessanter Ansätze kaum etwas, was den anspruchsvollen Comic-Leser – sprich die bevorzugte |Virgin|-Zielgruppe – aus der Reserve locken könnte. In der Verfilmung mag sich Ritchie noch auf einen Wust an Effekten verlassen können; im Comic bleibt seine Erzählung aber unverhofft eine ziemliche Enttäuschung mit Hang zur Durchschnittlichkeit. Was im Übrigen nicht für die Zeichnungen gilt, die abseits der Story für die fehlenden Highlights sorgen.

http://www.paninicomics.de/?s=virgin2008

Schreibe einen Kommentar