Soboczynski, Adam – Kleist – vom Glück des Untergangs

_Das könnte man sich ersparen_

_Autor_

Der 1975 in Polen gebürtige Adam Soboczynski studierte in Bonn Literatur, promovierte über Heinrich von Kleist und erinnerte sich gerade noch rechtzeitig seines damaligen Themas, um uns ein Büchlein zu schenken, das er offenbar aus ganzen sechzehn Quellen deriviert hat. Mitglied der „Feuilleton-Gesellschaft“, die wir heute in Deutschland haben, ist er leitender Mitarbeiter der „Zeit“. Er wohnt in Berlin und Hamburg.

_Antipathie_

Die bedrückende Stimmung, die auf dem Datum des 21. November 1811 liegt, eines nach Zeugenaussagen fröhlichen Selbstmords zweier Liebender, die einander vielleicht nur platonisch zugetan waren, gilt es zu wenden in Optimismus. Inzwischen weiß jeder, dass die vom Autor als Komplizen bezeichneten Selbstmörder unmittelbar vor diesem Schlussakkord schäkernd und ausgelassen am Wansee umhertollten. Dieser Ort wird heute zur Touristenattraktion hochstilisiert, weniger für Henriette Vogel als für den Dichter Kleist, den doch eigentlich keiner mag.

Der Klappentext will uns mit der glatten Unwahrheit fangen, dass das Buch „dem maßlosen Glück dieses Dichters auf der Spur“ sei, denn von Glück ist in dem ganzen Buch keine Rede. Wir erfahren auch nicht, worin wohl das Glück des Untergangs bestanden haben könnte, wie gleich der Untertitel verspricht. Auch dass das Büchlein „eine kleine Anleitung zur Erfolglosigkeit“ sei, ist nur eine Erfindung des Klappentexters, der den Leser auf die spärlichen Seiten locken möchte, die angefüllt sind mit maßloser Missgunst. Nicht einmal Kleists Königsberger Unterleibsschmerzen will der Autor gelten lassen, sie seien viel mehr „Geburtswehen“ gewesen, unter denen er auch die Erzählung „Das Erdbeben von Chili“ gebar. Auch an diesem lässt der Autor kein gutes Haar, handelt es sich doch dabei aber um ein romantisches, vielleicht nur etwas kitschiges Werk.

Keinem Lektor fällt heute mehr auf, wenn der Textbaustein, ein ganzer Passus einer „aberwitzigen Stilisierung und Dramatisierung des Dichters“ auf Seite 23 zwei Seiten später noch einmal komplett auftaucht. Kleists antinapoleonische Gesinnung, die sicher dichterisch überhöht war, wird als bare Handlungsanleitung genommen, wie alle seine Werke, und schon ist der unliebsame Hasardeur Kleist gebacken.

Andere Autoren schreiben aus achtungsvoller Distanziertheit über Kleist, Soboczynski macht sich den Habitus des Allwissenden zueigen, der den Stab über Kleist völlig bricht. Dieses Gift konnte nicht länger reichen, als achtzig Seiten. Für Leute, die sich einigermaßen auskennen, mehr als genug. Gedankentiefe, ob in Kleists Leben und Sterben eine Botschaft für die heutige Zeit liegen könnte, kann man von einem Feuilletonautor nicht erwarten, und man fragt sich, warum er sich diesem Thema wohl für einige Jahre verschrieben haben muss.

Was wundert es noch, dass so ein Scheusal seine Verlobte in die Schweiz hat zwingen wollen, unter der unerquicklichen Aussicht, dort Bäuerin zu werden. Man soll die Meinung des Autors teilen, dass einem Selbstmord mit großer Empörung zu begegnen ist, wie es angeblich Kleist geschehen. Da gibt es weitaus andere verbürgte Stimmen. Für den Autor ist das nichts als eine „dreiste Tat“. Kennt er sich denn wirklich in den Wortbedeutungen der deutschen Sprache aus?

_Nur ein schönes Bild_

Nicht neu ist das Bild des Gewölbes, das sich doch ohne Stütze trägt, und zwar, weil alle Steine auf einmal einstürzen wollen. Ein solches Gebilde ist auch unser Kleist, dessen Steine heute aus Kritikern bestehen, die ihn allesamt herabstürzen wollen und keiner so richtig die Nase vorn hat. Dem Publikum, das mit guter Berechtigung den Kleist eigentlich gar nicht liest, ist es umso mehr ein Genuss, dies feste Gewölbe zu sehen. Die dreisten Taten tragen Früchte.

|Hardcover: 96 Seiten
ISBN-13: 978-3630873633|
[www.luchterhand.de]http://www.randomhouse.de/ebook/Kleist-Vom-Glueck-des-Untergangs/Adam-Soboczynski/e369844.rhd?edi=369844

_Adam Soboczynski bei |Buchwurm.info|:_
[„Die schonende Abwehr verliebter Frauen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=5228

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