Spengler, Oswald – Mensch und die Technik, Der / Pessimismus?

Seitdem sich einflussreiche Köpfe aus der US-Politik und politische Journalisten in Asien auf Oswald Spengler berufen, wächst auch hierzulande das Interesse an dem fast nur durch sein Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ bekannten Geschichtsdenker. Obwohl Spengler ansonsten ein unproduktiver Autor war, von dem zu Lebzeiten nur wenige Schriften veröffentlicht wurden, sind heute nicht einmal mehr diese alle verfügbar. Nun hat der |Karolinger|-Verlag mit ‚Der Mensch und die Technik‘ und ‚Pessimismus?‘ zwei Texte neu herausgebracht. Bei beiden Schriften, so sehr sie sich auch unterscheiden, wird eine Gemeinsamkeit sehr deutlich: Trotz seiner spekulativen Geschichtsphilosophie war Spengler kein weltabgewandter Spinner im Elfenbeinturm. Mit großer Leidenschaft dringt er darauf, die Erkenntnisse seiner Geschichtsmorphologie politisch ebenso zu nutzen wie diejenigen der Naturwissenschaften.

_Der Mensch und die Technik_

Am 6. Mai 1931 hielt Oswald Spengler eine Rede im Deutschen Museum München über die weltpolitische Situation und legte später im Jahr sein erweitertes Redemanuskript unter dem Titel „Der Mensch und die Technik“ als Buch vor. Wie viele andere, zum Teil sogar entgegengesetzte Denker hatte er erkannt, dass die moderne Technik nicht einfach die quantitativ gesteigerte Fortsetzung früherer Erfindungen, sondern eine neue Stufe in der Geschichte war, die alle Lebensbereiche durchdringt.

Nach dem Erscheinen des „Untergangs des Abendlandes“, in dem er sich mit typischen Abläufen in der Geschichte der Hochkulturen auseinandergesetzt hatte, hatte sich Spengler stärker der Vorgeschichte zugewandt. Im vorliegenden Text fasst er seine Gedanken zur Vorgeschichte und zur abendländischen Spätphase zu einer Lageeinschätzung des technischen Zeitalters zusammen. Ausgehend von Pflanze, Tier und Urmensch entwirft er eine Anthropologie, die den Menschen als planendes, zusammenarbeitendes Wesen beschreibt, das sich die Natur zur Erreichung seiner Ziele unterwirft. Die Technik als Werkzeug geht immer zusammen mit der Technik als Verfahren. (Das Englische kennt den Unterschied zwischen |technology| und |technique|.) So kommt der Autor zu Aussagen, etwa dass alle wichtigen Fortschritte schlagartig eintreten, die der damaligen Lehrmeinung entgegenstanden, aber durch neuere Erkenntnisse eher gestützt werden. Auf jeden Fall wäre es wünschenswert, wenn sich heutige Naturwissenschaftler und Archäologen zu Spenglers Gedanken äußerten.

Beim Menschen des späten Abendlandes nun ist die Technik zum Selbstzweck geworden, die sich unter den Händen des Zauberlehrlings längst zu einem Dämon mit eigener Dynamik entwickelt hat. Was wir heute „Globalisierung“ nennen, nahm schon in Spenglers Zeit vor der Entkolonialisierung seinen Anfang. Wohin die Reise gehen sollte, sagen die prophetischen Worte: „Mit den unzähligen Händen der Farbigen, die ebenso geschickt und viel anspruchsloser arbeiten, wird die Grundlage der weißen wirtschaftlichen Organisation erschüttert […] Das Schwergewicht der Produktion verlagert sich unaufhaltsam […] Das ist der letzte Grund der Arbeitslosigkeit in den weißen Ländern, die keine Krise ist, sondern der Beginn einer Katastrophe.“ (S. 72) Ein Blick von 1931 auf die im Bankerdeutsch so genannten BRIC-Staaten von heute.

Spengler sah sich gerade in Deutschland einem weltfremden Idealismus gegenüber, zu dem in neuerer Zeit mit Kapitalismus und Sozialismus zwei materialistische Weltanschauungen, die letztendlich nur auf Wirtschaftsproblemen beruhten, gekommen waren. Dass er also seine Thesen gegen etablierte „Irrtümer“ vertreten musste, erklärt den gelegentlich bissigen bis polemischen Tonfall dieser Rede.

_Pessimismus?_

Der Aufsatz „Pessimismus?“ erschien 1921 in den „Preußischen Jahrbüchern“ und lag damit zeitlich zwischen dem ersten und dem zweiten Band des „Untergangs des Abendlandes“. Der erste Band war in der depressiven Stimmung nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg schlagartig auf eine gewaltige Resonanz und dabei auf zum Teil kolossale Fehlinterpretationen gestoßen, die Spengler mit dieser Schrift (und dem darin angekündigten zweiten Band) nun ausräumen wollte. Nach seiner Geschichtsmorphologie sind die Hochkulturen Organismen, die wie Lebewesen bestimmte artgemäße Lebensstufen durchlaufen müssen und am Ende zwangsläufig ihren natürlichen Tod finden. Dieser Untergang als Kultur muss keineswegs mit der Zerstörung ihrer Staaten oder einer anderen äußeren Katastrophe einhergehen. Zu Pessimismus bestehe also kein Anlass, auch in der heutigen (Nach-)Kulturphase des Abendlandes gebe es noch bedeutende zeitgemäße Aufgaben, die aktiv angegangen werden müssen. Spengler klärt noch weitere Grundgedanken seines Hauptwerkes wie das Begriffspaar von „Tatsachen“ und „Wahrheiten“, die dem aufmerksamen Leser eigentlich schon bei der Lektüre des „Untergangs“ hätten aufgehen müssen. Man erkennt daran, welche Missverständnisse damals (und heute) das reißerische Wort „Untergang“ hervorgerufen hat.

Bemerkenswert ist die fast völlig geänderte Zukunftserwartung beim Autor in den zehn Jahren bis zu „Der Mensch und die Technik“. Ruft Spengler hier noch auf, statt Dichtern und Denkern nun Politiker, Manager und Ingenieure heranzuziehen, um große Ziele in der Zukunft zu erreichen, ist er dort überzeugt, dass sich das Abendland mit seiner Wirtschaft und Technik selbst auf verlorenen Posten begeben hat.

_Zu dieser Ausgabe_

Die vorliegende Ausgabe enthält neben den beiden Texten noch eine Liste der Bücher und wichtigsten Aufsätze Spenglers, die zu seinen Lebzeiten oder posthum veröffentlicht worden sind, sowie eine Übersicht über die Sekundärliteratur im In- und Ausland. Dem |Karolinger|-Verlag ist zu danken, nach dem „Desinteresse des Originalverlags“, so das Vorwort, diese beiden Schriften wieder zugänglich gemacht und zur Diskussion gestellt zu haben.

http://www.karolinger.at

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