Steffans, Karrine – Inside HipHop. Bekenntnisse eines Videogirls

Autos, Diamanten, Frauen – schaltet man heutzutage einen Musiksender an, dauert es nicht lange und man wird mit dem Luxuslebensstil konfrontiert, den amerikanische, aber auch deutsche Rapper propagieren. Es geht um Status, ums Angeben, die Vormachtstellung in diesem männerdominierten Genre, in dem Frauen zumeist nur eine Nebenrolle spielen, nämlich die der halbnackten Tänzerinnen in den teuren Musikvideos von |50 Cent|, |Jay-Z|, |Eminem| und Co.

Karrine Steffans, heute 29 Jahre alt, war bis vor wenigen Jahren auch eines dieser Mädchen, die alles mit sich machen lassen. Sie musste dabei entdecken, wie hart dieses Business ist. Körperlicher und seelischer Missbrauch, Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Armut, Obdachlosigkeit. Steffans ist die Leiter des Erfolgs jahrelang auf und ab geklettert, bis sie schließlich den Mut fand, aus dem Teufelskreis, in dem sich die Videomädchen befinden, auszusteigen.

Doch bis dorthin ist es ein langer Weg, der auf der Insel St. Thomas in der Karibik beginnt. Steffans ist die älteste von drei Schwestern und muss schon früh unter ihrer jähzornigen und gewalttätigen Mutter leiden. Nach dem Umzug nach Florida beginnt sie bereits im Teenageralter von zu Hause abzuhauen und gewinnt schnell an Ruhm als Stripperin. Dadurch wird der Rapper Kool G Rap auf sie aufmerksam, der sie zu seiner Frau kürt.

Doch die Beziehung mit Kool G Rap ist durch Gewalt und Missbrauch geprägt. Karrine Steffans gerät in eine Hölle, aus der sie schwerlich wieder herauskommt. Als sie letztendlich mit ihrem kleinen Sohn einen Neuanfang in Los Angeles wagt, rutscht sie schnell wieder ab in den Sumpf des Hiphop, hat Affären mit berühmten Rappern wie Ja Rule und P. Diddy und Sportlergrößen wie Shaq O’Neill, lebt auf der Straße, doch letztendlich schafft sie den Absprung.

„Sex sells“ ist das Motto der Hiphopszene, und Steffans scheint dieses Prinzip verinnerlicht zu haben. Ihre Lebensgeschichte in Buchform, das einen Bilderteil mit nicht gerade prüden Fotos enthält, dreht sich ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch um Männer, Affären und Sex. Alles andere, wie Steffans Drogensucht oder sogar ihr kleiner Sohn, spielen nur eine Nebenrolle, genau wie der Hiphop. Obwohl der Titel des Buches „Inside Hiphop“ eigentlich anderes erwarten lässt, gewährt die Biografie nur wenig Einblick hinter die Kulissen. Es beschreibt zwar das Benehmen und die kleinen Skandälchen einiger Hochkaräter der Szene, doch was die Musikrichtung ausmacht, was sie wirklich darstellt, wird so gut wie ausgeblendet.

Gleiches gilt für den „Job“ des Videogirls. Nur wenige Seiten, die nicht wirklich mit Informationen gefüllt sind, widmen sich Steffans‘ langjähriger Beschäftigung. Insgesamt erzählt Steffans‘ erstes Buch also hauptsächlich aus ihrem Sexleben und von den verschiedenen Exzessen, die sie durchlebt. Richtig tiefgründig wird es selten, und die Distanz, welche die Autorin zwischen die Ich-Erzählerin und die Handlung bringt, trägt nicht dazu bei, dass ihre Biografie fesselt. Im Gegenteil. Ihr literarisches Pendant wirkt beliebig, nicht sehr ausgefeilt und an manchen Stellen geradezu tot. Was die Autorin durchlebt hat, war sicherlich kein Zuckerschlecken, doch die flache Darstellung tut das Ihrige, um die Handlung langsam und belanglos dahintröpfeln zu lassen.

Erschwerend kommen einige Missgeschicke im Handlungsaufbau hinzu. Durch die fehlende Tiefgründigkeit und das rasende Tempo, in dem die Autorin erzählt, bleiben die Beweggründe für bestimmte Ereignisse oft unklar. Auf Seite 71 schildert sie zum Beispiel ihren Wunsch, ein Kind zu haben während ihrer destruktiven Beziehung mit Kool G Rap, und begründet dies mit:

|“Ich wusste, dass ein Kind mich wieder gesund machen und mir die Stärke geben würde, ohne G zu leben.“| (Seite 71)

Diesen Satz lässt sie mehr oder weniger unkommentiert im Raum stehen, obwohl er eigentlich einige psychologische Interpretationen zulässt. Doch die wirklichen Gefühle von Steffans bleiben dem Leser verschlossen – genau wie die Folgen ihres Kinderwunsches. Das ehemalige Videogirl erzählt zwar immer wieder von Söhnchen Naiim, doch wer er eigentlich ist, was für eine Persönlichkeit, lässt sie völlig außen vor, genau wie bei anderen Charakteren in diesem Buch.

Ein weiteres Ärgernis im Handlungsaufbau ist die fehlende Logik, die an manchen Stellen zutage tritt. Im Großen und Ganzen geht Karrine Steffans bei ihrer Biografie chronologisch vor, doch an einigen Stellen greift sie vor oder erzählt im Nachhinein. Leider schafft sie es aber nicht, diese Verschiebungen entsprechend abzugrenzen. Geschehnisse, die vor einem Ereignis passiert sind und dieses nachhaltig beeinflussen, werden zum Beispiel erst während des eigentlichen Ereignisses kurz angerissen, so dass sich hier wieder die Frage nach den Beweggründen stellt.

Was im Verlaufe der Rezension bereits mehrmals bekrittelt wurde, findet im Schreibstil seine Entsprechung. Auch dieser enthält wenig Leben, wenig Tiefe und wenig, das man lobend hervorheben möchte. Karrine Steffans gibt sich Mühe, sich gewählt aber verständlich auszudrücken, was in einer sterilen Kunstsprache endet. Ihr Satzbau ist klar und erhält durch die Ich-Perspektive eine persönliche Note, doch trotzdem schreibt sie steif und gekünstelt. Der geringe Einsatz von rhetorischen Mitteln fällt entweder gar nicht auf oder negativ, weil sie in schmalzig-poetische Schwelgereien abgleitet. Das passiert Steffans zumeist dann, wenn sie die Begegnung mit einem Mann plastisch darstellen möchte.

|“Für einen Moment war ich in dem Meer gefangen, das seine Augen bildeten. Sie waren kristallblau, durchbohrten mich richtiggehend und brachten mich dazu, ihn zu begehren. Ich konnte die Macht riechen, die er ausströmte, und ich war so angetörnt, dass mir klar war, dass ich eine kalte Dusche nach dieser Begegnung brauchen würde.“| (Seite 103, Steffans trifft auf den Frontmann der Rockgruppe Limp-Bizkit Fred Durst)

„Inside Hiphop“ ist schlussendlich ein halbherziger Versuch, dem Leser die „Bekenntnisse eines Videogirls“ näherzubringen, die sich als einseitige Biografie von Karrine Steffans entpuppen. Handlung, Personen und Schreibstil sind eher mittelmäßig in der Präsentation und auch die Frage, was Frau Steffans denn jetzt so besonders macht, dass sie ein Buch darüber schreiben muss, bleibt unbeantwortet. Zugegeben, es ist ein schönes Buch. |Schwarzkopf & Schwarzkopf| geben sich erneut große Mühe mit Hochglanzseiten und Fototeil, aber viel retten können sie dadurch nicht. Es fehlt an Substanz. Einzig Fans des Genres Hiphop werden Vergnügen an diesem Buch haben, denn es gewährt einen anderen, vielleicht echteren Einblick in das Leben ihrer Stars als CDs und Videoclips.

Trotzdem: Man hätte mehr aus diesem Thema machen können, zumindest was das Handwerkliche angeht. Wie sich das bei Steffans‘ Vergangenheit verhält, bleibt fraglich. Vielleicht ist diese einfach nicht interessant genug, um sie zwischen zwei Buchdeckel pressen zu müssen.

http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de

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