David Baldacci – Mit jedem Schlag der Stunde (Lesung)

Jeder Stunde ihr Opfer: Der Killer mit den Armbanduhren

Eine Frau wird tot aufgefunden, mit einer ungewöhnlichen Uhr am Handgelenk. Was zunächst wie ein einfacher Mordfall aussieht, wird zum Alptraum. Ist der mysteriöse „Zodiac-Killer“ wieder da? Jede Tat erinnert an die Morde berühmter Serienkiller. In diese Orgie der Gewalt werden Sean King und Michelle Maxwell hineingezogen, ehemalige Agenten des Secret Service. Während sie versuchen, das Puzzle zusammenzufügen, merken sie, wie ihnen mehr und mehr die Zeit davonläuft. (Verlagsinfo)

Der Autor

David Baldacci wurde 1960 in Virginia geboren, wo er heute lebt. Er wuchs in Richmond auf; sein Vater war Mechaniker und später Vorarbeiter bei einer Spedition, seine Mutter Sekretärin bei einer Telefongesellschaft. Baldacci studierte Politikwissenschaft an der Virginia Commonwealth University (B. A.) und Jura an der University of Virginia. Während des Studiums jobbte er u. a. als Staubsaugerverkäufer, Security-Guard, Konstrukteur und Dampfkesselreiniger. Er praktizierte neun Jahre lang als Anwalt in Washington, D.C., sowohl als Strafverteidiger als auch als Wirtschaftsjurist.

Neben seiner Arbeit als Schriftsteller engagiert sich Baldacci für eine Reihe karitativer und gesellschaftlicher Institutionen, darunter der National Multiple Sclerosis Society, der Barbara Bush Foundation for Family Literacy, der Virginia Foundation for the Humanities, der America Cancer Society, der Cystic Fibrosis Foundation und der Viriginia Commonwealth University. David Baldacci ist verheiratet und hat zwei Kinder: Tochter Spencer und Sohn Collin. Mehr Infos: http://www.david-baldacci.com. (Verlagsinfo)

Die Sprecherin

Franziska Pigulla ist seit 1985 freiberuflich als Sprecherin und redaktionelle Mitarbeiterin für diverse Rundfunk-und TV-Sender, Filmproduktions-und Synchronfirmen aktiv. Ihre unverwechselbare Stimme ist durch zahlreiche Synchronisationen ausländischer Schauspielerinnen (z. B. Gillian Anderson, Demi Moore, Fanny Ardant, Lena Olin, Sharon Stone, Sean Young ) bekannt. Seit 1998 hat sie einigen Hörbüchern ihren individuellen Charakter verliehen. (Verlagsinfo)

Gekürzt wurde der Text von Aenne Glienke. Regie führte Kerstin Kaiser, und Michael Marianetti lieferte die „akustischen Motive“.

Handlung

Ein maskierter Mann schleppt die Leiche einer jungen Frau in den Wald. Auf einer Lichtung drapiert er den bereits verwesenden Körper dergestalt, dass ihr Arm gen Himmel weist. An ihrem Handgelenk bringt er eine Herrenuhr an, die das Emblem des Herstellers Zodiac trägt. Ein deutlicher Hinweis für die Ermittler, die die Leiche garantiert haarklein untersuchen werden. Auch der Mann selbst trägt dieses Emblem: auf seiner Sturmhaube. Man wird die Leiche bald finden …

Michelle Maxwell ist gerade beim Joggen im Wald, als sie verdächtige Geräusche hört. Zwei Jungen rennen in wilder Panik an ihr vorbei. Sie findet die Leiche, die sie so erschreckt hat, setzt einen Notruf ab und alarmiert ihren Partner Sean King. Sie und King sind ehemalige CIA-Mitarbeiter, die sich nach dem Ausscheiden aus dem Secret Service mit einer gemeinsamen Detektei in Ridesburg, Virginia, selbständig gemacht haben. Sieht so aus, als bekämen sie Arbeit. Polizeichef Williams hat keinen Mordexperten in seinem bis dato friedlichen Städtchen und bittet um ihre Hilfe.

Die ist auch dringend nötig, denn der Killer ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus. Im Wald an einem See überrascht er ein junges Pärchen von Oberschülern, die gerade Sex in ihrem Auto haben. Mit einer großkalbrigen Schrotflinte knallt er erst das Mädchen, Janice Pembroke, ab, dann trotz dessen Flehens den Jungen, Steve Canney. Es ist eine Riesensauerei. Dann platziert er mit Bedacht ein Hundehalsband auf dem Boden des sich rasch mit Blut füllenden Wagens.

Sean King ist sofort die seltsame Zodiac-Uhr an der Frauenleiche aufgefallen und lässt sich aus San Francisco Unterlagen über den Zodiac-Killer schicken. Der Zodiac mordete 1968/69, warnte die Zeitungen in kodierten Botschaften vor seinen Taten oder rühmte sich selbst. Der Fall wurde nie gelöst, aber es gab zwei Nachahmer. Ist das jetzt der dritte?

Zumindest die Sache mit den Botschaften an die Zeitung wiederholt sich. Bei Chief Williams dekodiert King, den er zu seinem Hilfssheriff ernannt hat, die erste verschlüsselte Botschaft mit Hilfe der Zodiac-Unterlagen. Der Killer von Ridesburg verhöhnt die Ermittler und kündigt an, er werde schlimmer wüten als der [Zodiac]http://de.wikipedia.org/wiki/Zodiac__Killer seinerzeit. Die drei Morde seien erst der Anfang gewesen …

King und Maxwell sollen sich um einen Einbruch bei der reichen Familie Battle kümmern. Der Hausherr liegt im Krankenhaus, und seine Gattin empfängt die beiden Detektive relativ ungnädig. Ihre Kinder sind sehr unterschiedlich und werfen einige Fragen auf. Richtig interessant wird es jedoch, als Mr. Robert Battle in seinem Krankenhausbett durch eine Dosis Kaliumchlorid ermordet wird.

Hat der Zodiac-Nachahmer wieder zugeschlagen? Aber welchen Zusammenhang gibt es? Die Zeit drängt, denn schon drängen die Medien allenthalben in das vormals so friedliche Städtchen und die ersten Anwohner packen bereits ihre Koffer. Keiner will der nächste mit einer unnötigen neuen Armbanduhr sein.

Mein Eindruck

Von hier ab bewegen sich die Ermittlungen in ziemliche undurchsichtige Tiefen. Immer wieder müssen King und Maxwell und ihr FBI-Kollege zurück zum Herrenhaus der Battles. Denn zu Lebzeiten war der alte Herr ein richtiger Schürzenjäger, der so manche Maid flachlegte. Klar, er sich dabei den Zorn der solcherart betrogenen Ehemänner und Freunde zuzog. Die Kandidaten sind bald Legion, die ihn auf dem Gewissen haben könnte, aber das hilft nicht wirklich weiter, auch den Killer der jungen Frau, einer Stripperin, und des jungen Paares zu finden.

Abenteuer

Nach vielen Begegnungen mit Verdächtigen und Dunkelmännern und –frauen scheint Sean King endlich einen kognitiven Durchbruch zu erzielen. Allerdings macht er es für seine Partnerin Maxwell nicht gerade einfach, indem er ihr seine Erkenntnisse vorenthält. Das spannt auch uns auf die Folter. Der Autor weiß die Tricks des Metiers auszunutzen. Im Finale, nach einer unerwarteten Wendung, findet dann die obligate Action statt und King erhält Gelegenheit, ritterlich seine Partnerin zu retten, indem er den Bösewicht niederschießt. Wenn doch nur das Leben auch so abenteuerlich verlaufen würde.

Mörderhatz

Diesmal hat sich Baldacci nicht auf politische Aspekte oder auf die zwielichtige Welt der Geheimdienste und des FBI kapriziert, sondern scheint einer stinknormalen Serienmörderhatz zu frönen. Dieser Plot bekommt der Verständlichkeit des Buches jedoch wesentlich besser als sein Vorgänger [„Im Bruchteil der Sekunde“, 836 dem ersten Abenteuer von King und Maxwell.

Das bedeutet aber mitnichten, dass der Leser bzw. Hörer den oder die Täter auf Anhieb ausfindig machen kann. Ganz im Gegenteil. Denn nun kommt die zweite Komponente des Plots ins Spiel: die Sache mit der Familie Battle. Es scheint ja einen Nachahmer zu geben, der sich nicht an die vom Zodiac-Killer vorgegebenen Regeln hält und es auf Mr. Bobby Battle abgesehen hat. Nach einer Weile des Ermittelns stößt unser dynamisches Duo auf jede Menge Gründe, warum fast jedes der Familienmitglieder dem Alten die Pest an den Hals gewünscht haben kann, seine Frau eingeschlossen.

Das Stundenspiel

Die Kardinalfrage ist jedoch, was der eigentliche Killer mit seiner Mordserie bezweckt. Ist das eine Strafaktion? Und wenn ja, warum hat er nicht schon viel früher damit begonnen? Die Detektive finden relevante Vorgänge, die bis zu 20 Jahre in die Vergangenheit zurückreichen. Damals hat der FBI-Agent Chip Bailey Eddie Battle aus den Klauen eines Kidnappers befreit. Zumindest stand es so in der Zeitung.

Aber ob es sich wirklich so verhielt, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt. Und wenn Bailey jetzt wieder in die Ermittlungen eingeschaltet wird, so könnte er gewissermaßen „befangen“ sein, um seinen damaligen Schützling Eddie Battle wieder in Sicherheit zu wissen. Genau dies könnte jedoch verhängnisvoll sein, findet King. Er will keinen Kandidaten aus den Ermittlungen ausgeschlossen wissen. Recht hat er. Er wird schon bald fündig.

Der O-Titel des Romans lautet „Hour Game“, also Stundenspiel. Der fiese Sinn dieser Bezeichnung geht einem auf, als Sean King die Armbanduhren vergleicht, die der Zodiac-Killer an seinen Opfern anbringt. Mit jedem Opfer rückt der Stundenzeiger eine Ziffer weiter, als würden die Opfer durchgezählt. Gleichzeitig sieht das wie ein Countdown aus. Doch was passiert, wenn das Zählen beendet ist?

Schwächen

Wie schon an diesen knappen Ausführungen abzulesen ist, ist der Personalbestand der Handlung doch ziemlich umfangreich. Nicht wegen der begrenzten Anzahl aktueller Figuren, sondern wegen der Vielzahl von Figuren, die nicht auf der Bühne auftreten, aber dennoch dauernd eine Rolle spielen, allen voran natürlich der alte Bobby Battle. Der Leser bzw. Hörer ist gut beraten, sich eine Liste mit den Handelnden anzulegen und diese immer wieder zu konsultieren, um den Überblick zu bewahren. Im Hörbuch gibt es keine solche Liste.

Die Sprecherin

Franziska Pigulla hat schon sehr viele Baldacci-Hörbücher vorgelesen, so dass sie inzwischen sozusagen sein Markenzeichen in diesem Medium ist. Dass sie sich dennoch nicht auf ihren Lorbeeren ausruht, ist ihr hoch anzurechnen. Man merkt ihrem Vortrag an, dass sie sich immer noch anstrengt. Das klappt nicht immer.

Pigulla arbeitet sehr gut heraus, wenn Ironie im Spiel ist. Ironie tritt schon recht früh zwischen Maxwell, der Finderin der ersten Leiche, und ihrem Partner King auf. Sie kabbeln sich immer ein wenig, was ein wenig zur Lockerung der stets angespannten Atmosphäre beiträgt. Einmal verwendet King sogar ein Zitat aus „Krieg der Sterne“ (dreimal darf man raten, welches).

Sie hat eine so tiefe Stimme (ich weiß nicht woher), dass es ihr leicht fällt, grantige Männer wie Sheriff Williams in ihrer behäbigen Sprech- und Ausdrucksweise nachzuahmen. Auch die umgangssprachlichen, um nicht zu sagen: unfeinen Ausdrücke von Priscilla Oxley, ihres Zeichens verkappte Puffmama, weiß sie stilecht rüberzubringen.

Was manche Hörer ihr ankreiden, ist ihre Fähigkeit, sehr emotional werden zu können. Als Sean King endlich die Pferdepflegerin der Battles, Sally Wainwright, zum Reden bringt, gesteht dies in einem Gefühlsüberschwang, dass sie zur Tatzeit des Einbruchs mit dem Tatverdächtigen zusammen war – sie hatte ihn verführt. Mit solchen intimen Geheimnissen platzt man natürlich nur unter hohem innerem Druck heraus. Erst Pigullas Emotionalität macht dieses Geständnis glaubwürdig.

Wie so mancher deutsche Synchronsprecher hat auch Pigulla Schwierigkeiten mit der Aussprache englischer Namen. Ein solcher Fall tritt schon ziemlich früh auf, als sie den Namen „Janice Pembroke“ ausspricht, als würde Janice wie „Genese“ geschrieben werden. Statt des langen Is wird in Janice jedoch als zweiter Vokal ein sehr kurzes i oder gar ein unterdrücktes e gesprochen und die Betonung liegt auf der ersten Silbe statt auf der zweiten.

Musik

Was wäre ein richtiges |Lübbe|-Hörbuch ohne Intro-Musik? Man würde es wahrscheinlich gar nicht als solches erkennen. Und so weist auch „Mit jedem Schlag der Stunde“ ein mehr oder weniger passendes Einleitungsmotiv auf, das im Extro wiederholt wird. Der Takt ist der eines recht flotten und angespannten Marsches, wie er bei so mancher Tom-Clancy-Verfilmung zu hören ist, wenn wieder mal das Schicksal der Nation auf dem Spiel steht. Der amerikanischen, versteht sich.

Unterm Strich

Serienmörderhatz statt politischer und geheimdienstlicher Machenschaften – das ist nun wohl Baldaccis Metier. Mit seinem dynamischen Ermittlerduo Michelle Maxwell und Sean King, die unterschiedlicher kaum sein könnten, ist ihm der Einbruch in ein Genre gelungen, das schon von Patricia Cornwell und ihresgleichen fest besetzt zu sein schien.

Der Trick seines Killers besteht nun darin, alle bekannten Serienmörder nachzuäffen und so seine Verfolger zu verwirren. Zum Glück weiß King in dieser Materie bestens Bescheid und lässt sich nicht von der richtigen Spur abbringen. Ganz nebenbei macht der Autor seinen Kollegen klar, dass er ebenso fähig ist, in der ersten Liga zu spielen wie sie. Allerdings bringt er (noch?) nichts Neues ins Genre ein. Seine alte Spielwiese hat er ja verlassen. Der Fall mündet nicht in ein Sozialdrama von nationalem Rang, sondern vielmehr in so etwas wie die Belagerung einer Stadt mitten in Virginia. So etwas passt mehr in einen schlechten Horror-Roman. Aber wer weiß, wozu die Wirklichkeit fähig ist …

Das Hörbuch

Mit gut sechseinhalb Stunden ist das Hörbuch an der Grenze dessen, was ich einem Krimi an Länge zubilligen würde. Kaum ein Thriller ist umfangreicher als sechs CDs. Nur historische Romane, die meist über einen linearen Handlungsverlauf verfügen, dürfen länger sein, wie man an Rebecca Gablés Historienschinken ersehen kann. Und Fantasy-Kultbücher sind die zweite Ausnahme: Harry Schotter allen voran, Tolkien folgt fast gleichauf – mit Audio-CD-Klötzen von 13 und mehr CDs. Und die Leute kaufen das Zeug trotzdem.

Franziska Pigulla verleiht der doch recht durchschnittlichen Krimihandlung ihre eigene persönliche Note, die ich bei einem Baldacci-Hörbuch nicht mehr missen möchte. Wenn jetzt noch ein paar Kinder auftreten würden (in diesem vorliegenden Hörbuch ist es nur ein einziges), so könnte sie ihren emotionalen Stil ähnlich schön ausspielen wie in „Das Versprechen“ (siehe meinen Bericht).

Originaltitel: Hour Game, 2004
Aus dem US-Englischen übersetzt von Uwe Anton
400 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3785730478

www.luebbe.de/luebbe-audio

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