Arthur C. Clarke – Inseln im All

clarke-inseln-im-all-cover-1983-kleinJüngling Roy besucht eine Raumstation, lernt den schwerelosen Alltag kennen und erlebt viele lehrreiche Abenteuer … – Aus heutiger Sicht naiver „Roman für die Jugend“, der allzu didaktisch daherkommt, aber sehr interessant die längst verworfene Vision einer Zukunft beschreibt, in der Technik und Wissen für Weltfrieden und Wohlstand sorgen.

Das geschieht:

Die Welt Ende des 21. Jahrhunderts: Wissenschaft und Technik (sowie ein tüchtiger Fußtritt für grüne Zauderer und andere Fortschritts-Bremser) haben der Menschheit endlich Frieden & Glück gebracht. Hunger und Umweltverschmutzung sind nicht mehr, und auch das Unrecht ist verschwunden, nachdem die Erdlinge endlich begriffen hatten, dass nur die Vereinigten Staaten von Amerika den Schlüssel zum Heil besitzen. Seit alles nach deren Pfeife tanzt, läuft es ausgesprochen gut auf Erden – und auch darüber: Bemannte Station kreisen im Orbit.

Dorthin zieht es Roy Malcolm, gerade 17 Jahre alt geworden und Entdecker mit unheilbarem Weltraum-Fieber. In dieser schönen Welt ohne Internet oder sonstige sündhafte Ablenkungen ist es möglich, dass auch ein Landei aus Kansas nach den Sternen greift. In einer futuristischen Variante der „Wer-wird-Millionär“-TV-Show, in der sondern harte physikalische Fakten abgefragt werden (dafür gibt es im Clarke-Universum tatsächlich ein Publikum: DAS ist Science Fiction!), gewinnt Roy eine Reise zur „Inneren Station“, die er stellvertretend für alle strebsamen jungen Erdmenschen offenen Auges, wachen Geistes & männlichen Geschlechtes antritt.

Das gehört sich auch so, denn nur die Tüchtigsten kommen ins All. Aber Roy findet seine Nische, nachdem er, der Neuling, etwaige Vorbehalte der „Jungens“ – Weltraum-Azubis, deren Reden und Handeln Fragen über die angebliche Elite der Zukunft aufwirft – sportlich, d. h. mit der Faust (aber nur Schläge oberhalb der Gürtellinie!), ausgeräumt hat. In den nächsten Wochen lernt Roy den Alltag unter den Sternen (und Stations-Kommandant Doyles bärbeißige Unterrichts-Methoden) kennen, beobachtet die Dreharbeiten zum ersten im All gedrehten Spielfilm, besucht ein Weltraum-Hospital, lässt sich vom ersten Flug zum Merkur erzählen, gerät in Raumnot, fliegt um den Mond, lernt echte Marsmenschen kennen und entwickelt sich allmählich zu einer wahren Hoffnung für die Menschheit von Morgen …

Lernen als staatsbürgerliche Pflicht

„Inseln im All“ gehört zu den Frühwerken des SF-Autors Arthur Charles Clarke. Von der Kritik wird es nicht so hoch bewertet wie ewige Klassiker à la „Childhood’s End“ (1950, dt. „Die letzte Generation“), „The Deep Range“ (1957, dt. „In den Tiefen des Meeres“) oder gar „2001 – A Space Odyssey“ (1968, dt. „2001 – Odyssee im Weltall“), aber ganze Generationen weniger kleinlicher Leser lieben es trotzdem. Nicht selten haben sie das Genre mit diesem Roman kennengelernt. Selbst wer sich nicht mehr des Verfassers, des Titels oder der Handlung besinnt, hat ganz sicher nicht den beinlosen Raumbären Commander Doyle vergessen.

eBook-Ausgabe 2014

Die Geschichte prägt sich als solche nur schwach ein, weil es sie streng genommen gar nicht gibt: „Inseln im All“ bietet eine lose Folge mehr oder weniger dramatischer Episoden, die keinem echten roten Faden folgen. So etwas ist offenbar nicht nötig, wenn man zwar auch unterhalten, vor allem aber belehren will. „Inseln“ ist ein SF-Abenteuer für eine Jugend, die Mitte des 20. Jahrhunderts mehr oder weniger unauffällig für Wissenschaft und Weltraumfahrt begeistert werden sollte. Anders als im roten Reich des Bösen – der UdSSR – musste in der westlichen Welt – kleiner Nachteil einer nicht-diktatorischen Regierungsform – dieser Umweg gewählt werden, um den Nachwuchs für die Verteidigung des freien Westens zu rekrutieren. Wenn gleichzeitig eine Generation nicht allzu freigeistiger, d. h. der Obrigkeit gehorsamer, systemkonformer und strebsamer junger Männer (die Damenwelt blieb in dieser Vergangenheit der Zukunft außen vor) dabei entstand – umso besser!

Das Abenteuer kommt nicht zu kurz

Ironie darf sein, aber zynisch sollte man nicht über Arthur C. Clarke oder „Inseln im All“ urteilen. Hier müssten größere Sünder geziehen werden – allen voran der John Wayne der Science Fiction: Robert A. Heinlein (1907-1988), der eine ganze Serie von SF-Romanen für die Jugend verfasste, von denen „Rocket Ship Galileo“ (1947, dt. „Reiseziel Mond“) den „Inseln“ zeitlich und thematisch immerhin so nahe kommt, dass direkte Vergleiche möglich werden.

Sie fallen eindeutig zugunsten Clarkes aus. So ist Commander Doyle, die zentrale Respektsperson der „Inneren Station“, keiner dieser alten Heinlein-Bullen, die alles besser wissen und können, keinerlei Probleme damit haben, dies ihrer Umwelt ständig unter die Nase zu reiben und es auch noch mit allerlei verlogenen Spießer-Weisheiten zu garnieren. Auf der anderen Seite sind auch Clarkes Jugendliche für angehende Raumhelden recht unbedarfte Zeitgenossen, die aber immerhin ihr Hirn nicht nur gebrauchen dürfen, um mit Bleistift und Rechenschieber und notfalls im Kopfstand den Kurs zum Alpha Centauri zu berechnen. 1952 liegt viele Jahrzehnte zurück, was man nicht vergessen darf. (Übrigens haben die bleiernen Fünfziger in einer Nische überlebt, die man „Military Science Fiction“ nennt; dort ist die Danke-für-den-Arschtritt-Sir-Ära niemals zu Ende gegangen.)

Technische Zeiten – bessere Zeiten

Wer sich immer noch in dem Wahn wiegt, SF-Autoren wüssten mehr über die Zukunft als der normale Zeitgenosse, kommt in „Inseln im All“ wenigstens einmal auf seine Kosten. Arthur C. Clarke hat sich tatsächlich als Erster durch den Kopf gehen lassen, wie globusweit Kommunikation mit Hilfe von Satelliten im geostationären Orbit funktionieren könnte. Seine Studie erschien 1945, glücklicherweise nicht als SF-Roman, so dass sie auch von jenen, die das Sagen haben auf dieser Erde, ernst genommen wurde. (Dafür durfte sich der Autor schließlich „Sir Arthur“ nennen lassen; Clarke war Brite.)

Relais-Satelliten tauchen selbstverständlich auch in Clarkes Werken oft auf. Auch die „Inseln im All“ sind letztlich solche künstlichen Himmelskörper, wobei der Verfasser insofern irrte, als er die Kommunikation via All davon abhängig machte, dass besagte Satelliten bemannt sind: Viel kostengünstiger und effektiver sind vollautomatische, vergleichsweise winzige Maschinen, die problemlos von der Erde aus überwacht werden können.

Doch Clarke ging es stets auch darum, den Menschen ins All zu locken. Entdecken und Erobern gingen 1952 in einer historischen Atempause zwischen dem II. Weltkrieg und den Schrecken einer von Umweltverschmutzung, Massenarbeitslosigkeit oder Welthunger geprägten Zukunft, die in jeder Hinsicht glanzloser ausfallen würde als von den Zeitgenossen erhofft, nahtlos ineinander über. Deshalb verschwendet Clarke, der angebliche Fachmann für Weltraumfahrt, auch keinen Gedanken daran, dass der Mensch auf Dauer eigentlich nichts dort verloren hat, wo er keine Luft zum Atmen findet. Natürlich mag Clarke auch nicht an die Kosten einer mit Weltraumstationen geradezu gepflasterten Straße zum Mond berücksichtigen, der unabhängig von der Frage, warum der Mensch ausgerechnet dort präsent sein sollte, selbstverständlich zu kolonisieren ist.

Aber egal; lehnen wir uns ungeachtet solcher logischer Einwände zurück und überlassen uns einfach unseren Träumen. Dass „Inseln im All“ sie auch heute noch anfacht, macht den eigentlichen Klassiker-Status aus. Die scheinbar alltäglichen Erlebnisse des Roy Malcolm beschreiben heute eine Zukunft, um die wir, die aus Erfahrungen klüger, aber auch bitter gewordenen Menschen des 21. Jahrhunderts uns betrogen fühlen. In einer Welt der Bilanzen gibt es kaum noch Nischen für große Visionen. Das endlose, peinliche Gezeter und Gezerre um die erste echte Weltraum-Station im Erd-Orbit, die inzwischen niemand wirklich mehr haben will, weil sie nicht zu finanzieren ist, führt uns vor Augen, dass die „neue Grenze“ der Menschheit ganz sicher nicht mehr im All verläuft. Aber es gab einmal eine Zeit, als sie zum Greifen nahe war und überhaupt alles möglich zu sein schien – und daran erinnern wir uns zwar voller Wehmut aber gern.

Autor

Normalerweise füge ich an dieser Stelle einige Zeilen über Autor und Werk an. Was Arthur C. Clarke (1917-2008) angeht, hieße das Eulen nach Athen tragen, denn als einer der ganz Großen des Genres wurde und wird er im Internet ausgiebig und oft kundig gewürdigt, sodass ich auf einige von mir zu Rate gezogene und für informativ befundene Websites verweise:

The Arthur C. Clarke Foundation
Website 2
Website 3

Taschenbuch: 155 Seiten
Originaltitel: Islands in the Sky (Philadelphia : John C. Winston Company 1952)
Übersetzung: Lothar Heinecke
http://www.randomhouse.de/goldmann

eBook: 710 KB
ISBN-13: 978-3-641-11625-5
http://www.randomhouse.de/heyne

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