Tolkien, J. R. R. – Hobbit, Der

Tolkiens Bücher sind Klassiker und erlangten zu Recht Weltruhm, anders als beim Ringkrieg, besser bekannt als die |“Herr Der Ringe“|-Trilogie, welche aus einem Sammelsurium von zunächst unzusammenhängenden Kapiteln besteht, ist |“Der Hobbit“| eine Geschichte, die Tolkien in einem Rutsch schrieb. Von Anfang an war die Geschichte um Bilbo Beutlin als Kinderbuch geplant gewesen, allerdings mit dem Hintergrund der Fantasywelt Mittelerdes, deren Grundzüge Tolkien bereits kurz nach dem ersten Weltkrieg schuf.

Der Erfolg dieses Werkes kam für JRR recht unerwartet und dem ist es auch zu verdanken, dass Tolkien überhaupt in Erwägung zog, den heute wesentlich berühmteren |Herrn der Ringe| zu überarbeiten und als eigenständige Geschichte zu veröffentlichen – eigentlich waren die Geschichten rund um Mittelerde nur für ihn selbst bestimmt und fanden dementsprechend nur in der Phantasie seines Kopfes statt. Selbst nach seinem Tod wurde die Fackel weitergetragen: Sein Sohn Christopher – JRRs allererster und kritischster Rezensent – zeichnete nicht nur die Karten, die heute in allen Büchern zu finden sind, sondern trug auch unveröffentlichtes Material seines Vaters zusammen, was posthum in weiteren Publikationen gipfelte.

Das Berühmteste davon ist sicher [|“Das Silmarillion“|, 408 welches die Anfänge und die Schöpfungsgeschichte Mittelerdes behandelt. Eine Rohfassung der Historie von Mittelerde, wie sie das Silmarillion beschreibt, sind |“Die verlorenen Geschichten“| in zwei Bänden, die sich hauptsächlich um das Reich „Westernis“ (später besser bekannt als „Númenór“) kümmern. Somit stellt |“Der Hobbit“| bemerkenswerterweise das erste komplett fertiggestellte Buch und nicht den tatsächlichen Anfang der niedergeschriebnen Geschichten dar (wie man es bei „Fortsetzungen“ eigentlich erwarten könnte), sondern streng genommen ein Bindeglied mittendrin.

_Zur Story_

Hobbits sind die leicht kleinbürgerlichen Spießer von Mittelerde, die für alles, was sich außerhalb ihres geliebten, friedlichen Auenlands abspielt, nicht nur wenig Interesse, sondern vielmehr spöttische Verachtung übrig haben. Hobbits – oder auch „Halblinge“ genannt – leben in bequemen und gut ausgestatteten Erdhöhlen. Sie weisen einen kleinen Wuchs auf, selten werden sie größer, als 1 – 1,2 Meter, noch dazu ist ihre Statur eher gedrungen und rundlich um die Hüften. Wahrlich kein Volk, das dem Bild heldenhafter Abenteurer entspricht, die sich für gewöhnlich mit der Bekämpfung von Drachen beschäftigen. Solcherlei „Unfug“ überlässt der gemeine Auenländer lieber dem „Großen Volk“ (den Menschen) oder den geschäftstüchtigen Zwergen.

Doch ab und zu schlagen immer wieder mal Hobbits aus der Art und die zieht’s tatsächlich zu Abenteuern hin, das gilt vor allem für die Sippe des alten Tuck, zu welcher auch Bilbo Beutlin gehört. Bilbo ist bis dato ein bodenständiger Hobbit von 50 Jahren, als der Zauberer Gandalf eines schönen Tages an seine Tür klopft und die Geschichte ihren Lauf nimmt. Ehe Bilbo es sich versieht, steckt er als „Meisterdieb“ engagiert mitten in einer zwölfköpfigen Schar von Zwergen, die seine Dienste beim Zurückerobern eines Zwergenschatzes tief unten im „Einsamen Berg“ benötigen.

Das Dumme dabei ist, dass Bilbo eigentlich gar kein Meisterdieb ist, wenngleich eine Eigenschaft seines Volkes darin besteht, beinahe lautlos zu verschwinden, wenn sie es wünschen. Noch dazu wird der Schatz vom alten Drachen Smaug beschützt, der sicher nicht davon begeistert sein wird, wenn man Hand an „seine“ geraubten, unermesslich wertvollen Wertgegenstände legt. Smaug mag alt sein, doch gefährlich ist er dennoch. Und blöd ist er auch nicht.

Obwohl nun Hobbits alles andere als abenteuerlustig sind, riskiert Bilbo die beschwerliche Reise, wohl die Schicksalsschwere seiner Handlungen in weiter Zukunft unterbewusst ahnend. Der kleine Hobbit und seine Mitstreiter sollen auf ihrem Weg so mancher Gefahr trotzen. Dabei sind drei gefräßige Trolle erst der Anfang und so richtig zur Sache geht’s hernach, als man Bruchtal – die Heimstadt Elronds des Halbelben – in Richtung Nebelgebirge verlässt und in den dortigen Höhlen von Orks überfallen und gekidnappt wird. Hier in den finsteren Kavernen kommt es auch zu der schicksalshaften Begegnung mit dem Geschöpf Gollum, dem Bilbo den später so berühmten und heiß begehrten |Einen Ring| und sein blankes Leben mit einer List abringen kann.

Damit werden Ereignisse in Gang gesetzt, die später im Ringkrieg gipfeln sollen, doch noch ist der Ring einfach nur ein Zauberring, der Bilbo und seinen später wiedergefundenen Zwergen-Kameraden im Laufe dieser Odyssee noch häufiger die Haut retten soll. Dennoch ist der Schatten des Herrn von Mordor ebenfalls anzutreffen, wird aber nur am Rande erwähnt, als Gandalf die Gruppe zwischenzeitlich sich selbst überlässt, um den „Nekromanten“ aus dem Finsterwald zu vertreiben. (Richtig geraten, es ist Sauron.)

Unsere Helden schlagen jedoch einen anderen Weg ein, der sie nach weiteren gefahrvollen Momenten und Begegnungen in die Drachenhöhle unter dem Einsamen Berg führen soll. Hier muss Bilbo nun beweisen, dass er wirklich der Meisterdieb ist, für den die Zwerge ihn halten und „sein“ später so berühmter und gefürchteter Zauberring bekommt ordentlich zu tun.

_Meinung_

„Der Hobbit – oder: Hin und Zurück“ – Ich habe dieses Werk des Altmeisters der Fantasyliteratur bereits im zarten Alter von neun Jahren zum ersten Mal gelesen und war fasziniert. Damals hieß es noch: „Der |kleine| Hobbit“. Mittlerweile ist man zu einer akkurateren Übersetzung des Titels und des Inhalts übergegangen, wofür sich Wolfgang Krege verantwortlich zeigt. Das hat nicht überall Anklang gefunden, viele meinen, man hätte die deutsche Urfassung unangetastet lassen sollen. Ich mag beide Varianten. Jede hat ihre Vor- und Nachteile. Die Neuübersetzung ist moderner und flotter, während die alte etwas geschwollen-sperrig („very british“ sozusagen) und archaisch daherkommt. Besser ist es natürlich,wenn man direkt das englische Original liest.

Der Stil des Hobbits ist wesentlich einfacher gehalten als die anderen etwas ernsthafteren Bücher Tolkiens aus Mittelerde, immerhin handelt es sich dabei ja auch um ein Kinderbuch. Die angedachte jugendliche Leserschaft wird von JRR oft im Plural geduzt („Was würdet IHR machen?“) und somit direkt angesprochen bzw. mit einbezogen, hier gönnt Tolkien seinen Lesern zwischendurch die Gelegenheit, das Gelesene zu reflektieren. Diese Einschübe, wo er quasi zum Mitdenken auffordert, sind zudem willkommene kleine Pausen in der temporeichen Geschichte, die ich für Kinder ab acht bis zehn Jahren für geeignet halte.

Trotzdem weist „Der Hobbit“ viel Handlung und Querverweise auf, die es auch für erwachsene HdR-Fans nicht nur lesenswert, sondern immens wichtig machen, denn hier ist das Bindeglied zur Trilogie und den zeitlich früher handelnden Büchern. Viele Personen, Wesen, Orte und Gegebenheiten, die später von Bedeutung sind, hat JRR teils gut versteckt untergebracht, sodass sie den Fan ansprechen, jedoch auch den Neuling nicht vor den Kopf stoßen – Letztere werden vielleicht den einen oder anderen Satz einfach so überlesen, der einem Fan ein schiefes Grinsen abverlangt.

Doch auch ohne den restlichen Mittelerde-Kontext findet sich der Leser zurecht, die eingestreuten Hinweise auf andere Handlungen sind zwar für den Kenner das Salz in der Suppe, benötigt man aber nicht, um diese Geschichte zu verstehen und zu mögen. Sie ist in sich schlüssig und kann für sich alleine stehen, ohne dass man den Rest kennt. Tolkiens oft gepflegter subtiler und feiner Humor findet sich auch im Hobbit wieder, doch denke ich, dass dieser wohl nur (fast) erwachsenen Lesern ins Auge fallen dürfte, auch deshalb ist es nicht nur ein Buch für Kinder, sondern für alle Generationen.

Jede Altersgruppe wird damit angesprochen und etwas für sich darin finden, man muss nur genau hinlesen. Eine gelungene Gratwanderung, die ihresgleichen sucht. Im Buch wird auch gewaltsam gestorben, wenngleich auch nicht so heftig und blumig-ausführlich beschrieben wie im HdR. Wird dort noch darüber referiert, wie schön aerodynamisch (Ork-)Köpfe rollen & fliegen, nimmt JRR hier nen Gang zurück und redet allenfalls von „erschlagen“, was zwar prinzipiell aufs Gleiche herauskommt, sich jedoch wesentlich weniger blutig anhört.

_Fazit_

Ein Must-Read-Buch für Kinder und Erwachsene gleichermaßen, die knapp 320 Seiten zu lesen und die darin enthaltenen Botschaften zu verstehen, fällt leicht. Wem es sprachlich möglich ist, sollte das Original lesen, denn dann erübrigt sich auch die Diskussion, welche der deutschen Übersetzungen die treffendere ist. Die Abenteuergeschichte ist zeitlos genial und kann auch losgelöst von seinem berühmten Nachfolger verstanden werden, es empfiehlt sich aber, den „Hobbit“ zu lesen, bevor man sich an HdR (Film oder Buch) wagt. Man ist über manche Zusammenhänge wesentlich besser im Bilde. Das Nicht-Kennen des Hobbits ist zudem eine echte Bildungslücke, obwohl er ja seit jeher im Schatten der Trilogie stand. Unverdient. Nicht nur HdR-Fans, die nur die Verfilmung von Peter Jackson kennen, und ein wenig tiefer in die Geschichte von Mittelerde eintauchen wollen, kommen auf ihre Kosten.

_Buchdaten:_

Originaltitel: „The Hobbit“
Ersterscheinungsjahr: 1937
Deutsche Übersetzung: Margaret Carroux oder Wolfgang Krege
ISBN: 3-608-93805-2 (1998 Neuübersetzung / Klett-Cotta)*
ISBN: 3-423-20277-7 (2001 „Klassische“ Übersetzung / dtv)*
ISBN: 0-261-10221-4 (2001 Englisches Original / HarperCollins)
Format: Broschiert oder Hardcover / um 320 Seiten
Extras: Kartenmaterial *
Preis: variiert je nach Ausgabe von 4,50 – 14,95 €

*) Die von mir rezensierte Version des Werkes ist eine Lizenz-Ausgabe (2001) aus dem |Club Bertelsmann|. Der dort erhältliche, leinengebundene Hardcover-Schmuckband hat herausnehmbare Karten Mittelerdes, Lesebändchen und einen Golddruck-Präge-Schutzumschlag. Inhaltlich ist das Buch jedoch mit dem Original aus dem |Klett-Cotta|-Verlag und der Taschenbuchausgabe von |dtv| identisch.