Ernest Cline – Ready Player One

Die Handlung:

Im Jahr 2044 hat die reale Welt für Wade Watts nicht mehr viel zu bieten. Daher flieht er – wie die meisten Menschen – in das virtuelle Utopia von OASIS. Hier kann man leben, spielen und sich verlieben, ohne von der bedrückenden Realität abgelenkt zu werden. Da entdeckt Wade in einem Online-Game den ersten Hinweis auf einen unsagbar wertvollen Schatz, den der verstorbene Schöpfer von OASIS in seiner Cyber-Welt versteckt hat. Plötzlich ist Wade eine Berühmtheit, aber er gerät auch in das Visier eines Killerkommandos – in OASIS und in der Realität. Wade weiß, dass er diese mörderische Hetzjagd nur überleben kann, wenn er das Spiel bis zu seinem ungewissen Ende spielt!
(Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Mit dem deutschen Cover und dem Klappentext spricht der Verlag direkt zwei Zielgruppen an. Der Drops futternde PAC MAN und die Retro-Gestaltung des Titelbilds lassen die 80er-Jahre-Fraktion hingucken und der Klappentext erinnert irgendwie an die beliebte OTHERLAND-Reihe von Tad Williams. Und tatsächlich werden hier beide Fraktionen hervorragend bedient, zusammen mit jeder Art von Online-Gamern.

Dessen müssen sich auch die Verlage bewusst gewesen sein, die sich lange im Vorfeld des Erscheinens dieses Erstlings-Romans einen Bieterkrieg geliefert haben. Auch die Filmrechte wurden kurz darauf gewinnbringend an die Warner Bros. verkauft. Jeder, der das Buch gelesen und genossen hat, wird seinen Avatar schon mal virtuell seine Zelte vor dem Kino aufschlagen lassen, damit er 2014 den besten Platz im Saal bekommt.

„Ready Player One“ ist nicht nur der Titel des Romans, es ist auch das Letzte, was die Datenhandschuhe tragenden und Visor-bebrillten Besucher des riesigen Online-Universums OASIS zu lesen bekommen, bevor sie den Schritt hinüber in die virtuelle Welt wagen (die mit besserem Gear sehen das Universum hochauflösender). In dieser für jeden kostenlos zu erreichenden Welt, die eine Kombination aus dem ist, was SECOND LIFE gern einmal hätte sein wollen und einem riesigen Rollenspiel, in dem man seinen Avatar hochleveln und andere Spieler-Avatare (in bestimmten Zonen) für Credits und Exp auch töten kann, verbringen die meisten Menschen eh viel lieber ihre Zeit, da die Welt um sie herum immer weiter verkommt und in einer andauernden Rezession verharrt.

Als nun der steinreiche Schöpfer dieser Online-Welt stirbt, hinterlässt er statt Erben ein Video … und das geht an alle Benutzer von OASIS. Er hat in die Welt ein Easter Egg, einen nicht dokumentierten Spielbereich, eingebaut. Und wer den findet, bekommt die Milliarden, so einfach ist das. Mit dieser Prämisse starten wir mit unserem Helden Wade in ein digitales Online-Abenteuer, bei dem er nach jahrelanger Suche der Erste ist, der überhaupt einen echten Hinweis in OASIS auf das Easter Egg gefunden hat. Aber bis wir dahin kommen, erleben wir erst einmal ausführlich, wie sich das Leben im Jahr 2044 für den nicht ganz so privilegierten Jungen gestaltet … hauptsächlich online.

Und bereits nach kurzer Zeit wird klar, dass der Autor des Romans nicht nur seine Jugend in den 1980ern verbracht hat, sondern diese Pionierzeit der elektronischen Unterhaltung und das Goldene Zeitalter der John-Hughes-Teenager-Filme auch vermisst. Nicht nur der verstorbene Schöpfer von OASIS hatte sich diesem Zeitalter verschrieben, auch sämtliche Gunter … oder „Jäger“, wie sie in der Übersetzung hier heißen … haben jeden Film und jedes Videospiel bis ins kleinste Detail studiert, das der Milliardär besessen oder gemocht hatte. Wer also seine Jugend ebenfalls in den 1980ern verbracht hat, wird mit so vielen Erinnerungen überschüttet, dass es manchmal schon fast zu viel ist. Teilweise klingt es so, als wolle der Autor mit seinem Wissen über die Zeit protzen … was natürlich nur die beeindruckt, die sich auch dafür interessieren.

Wer also nicht schon nach wenigen Seiten der Geschichte Lust dazu bekommt, auf seinem PC MAME zu starten, um ein paar Arcade-Klassiker zu spielen, den c64-Emulator zu booten oder auf YouTube nach „Dead Man’s Party“ von Oingo Boingo zu suchen (so er denn nicht sogar die Vinyl-Ausgabe irgendwo in einem Karton auf dem Boden hat), der hatte nicht das „Glück“, diese Zeit zu erleben. Nach der Lektüre dieses Romans freue ich mich umso mehr, dass ich dabei war. Erschreckenderweise sagte mir fast jeder Bezug auf das Jahrzehnt etwas.

Natürlich werden jüngere Leser nicht ausgeschlossen, nur gibt es für die „reiferen“ Computer-Freaks und Hardcopy-Leser mehr Hinweise und mehr aufgeweckte Erinnerungen wiederzuerleben. Alle anderen erleben einen Jungen, der durch ein riesiges Online-Universum streift (so ihm das finanziell möglich ist, denn das virtuelle Reisen innheralb der OASIS kostet echte Credits) und der in etwa so alt sein dürfte, wie der Autor (und auch der Schöpfer von OASIS) in den 1980ern selbst war. Und er tut genau die gleichen Dinge, die der Autor damals getan hat.

Um das Easter Egg zu finden, haben sich Millionen Menschen, einzeln oder in Gilden und sogar riesige Unternehmen so eindringlich mit dem verstorbenen Milliardär und seinen Vorlieben beschäftigt, dass es fast an Vergötterung grenzt. Alles, was James „Anorak“ Halliday besaß oder mochte, wurde nach seinem Tod zur Religion und seine Hinterlassenschaft, „Anoraks Almanach“, wurde zur Bibel seiner Jünger. Und so spielen auch Wade und sein Kumpel wie besessen die Lieblingsspiele des Verstorbenen, schauen seine Filme und lesen die Bücher seiner Lieblingsautoren, um so auf Hinweise zu stoßen, die sie zum Easter Egg führen. So lange bis Wade nach fünf Jahren fast durch Zufall auf den ersten Hinweis stößt, der ihn tatsächlich den Ersten von drei Schlüssel finden lässt.

Leider kann er diesen Erfolg nicht verheimlichen und weiter in Ruhe dem nächsten Hinweis nachgehen … denn sein Name ist just in diesem Moment auf Anoraks High Score Tabelle aufgetaucht … und nun steht er auf Platz eins … und das nicht nur virtuell, denn jetzt hat er Millionen von Menschen im Nacken, die nicht alle nur sein Bestes wollen und sich für ihn freuen.

Und so wird der geneigte Leser Seite um Seite fressen wie PAC MAN seine Drops, um Wade bei seinen Abenteuern online und offline über die Schulter zu schauen und ihm die Daumen zu drücken, dass er sich seiner Gegner erwehren, die weiteren Hinweise finden und am Ende das große Spiel gewinnen kann. Jeder Rollenspieler, jeder Computerspieler, ob Retro oder Ultra-Modern-HD, kann mit Wade mitfiebern und wünscht sich, bei allen Gefahren, die ihm begegnen, er zu sein. In die Welt abtauchen zu können, die sie bislang nur vor einem Monitor erleben.

Bei der ganzen Online-Story kommt aber auch das Zwischenmenschliche nicht zu kurz, denn Wade ist ein Junge und Art3mis ist ein weiblicher Gunter, sorry, „Jäger“, beides natürlich nach eigenen Angaben, denn wirklich gesehen haben sie sich noch nie. Und auch hinter einer Datenbrille kann man rotwerden und in Datenhandschuhen kann man feuchte Hände kriegen, wenn der Gefühlslevel steigt.

Gute und böse Charaktere sind leicht und schnell zu erkennen. Es ist ein David-gegen-Goliath-Spiel … die Online-Freaks, die „Gunter“, die, mit denen sich der Leser identifizieren kann … treten gegen das große, gierige Unternehmen an, das sogar über Leichen geht, um den Wettbewerb und das Rennen um das Easter Egg zu gewinnen. VR- und Computer-Freak-Filme gabs in der Vergangenheit zwar schon … wie WARGAMES, HACKERS und TRON, aber das sind allesamt Kult-Filme, weil sie den Nerv ihrer Zeit und der Fans getroffen haben. READY PLAYER ONE ist bereits jetzt ein Kult-Buch und hat auch das Zeug zum Kult-Film.

Das Hörerlebnis

Leider hat es Martin Bross nicht immer geschafft, mich so an die Story zu fesseln wie es möglich gewesen wäre (und wie es Wil Wheaton in der englischen Version hervorragend gelingt). Irgendwie liest er mit angezogener Handbremse und extrem darauf bedacht, dabei möglichst fehlerfrei und deutlich zu klingen. Ich habe „liest“ geschrieben, weil ich leider oft das Bild eines Sprechers, der vor seinem Skript steht, im Kopf hatte und nicht das von Wade oder seinen Mitstreitern oder gar von OASIS. Da fehlte mir an einigen Stellen das Feuer, die Leidenschaft, das Schauspiel vor dem Mikro.

So bremsend er bei den Beschreibungen ist, so lebendig kann Bross aber bei den Unterhaltungen sein. Wortgefechte, Geek-Talk und gegenseitiges Dissen kommen authentisch im Ohr des Hörers an und schon bekommt das Kopfkino wieder Mehrkanalton.

Dass er Aech aber als Martin-Semmelrogge-Kinder-Persiflage liest, das hat mir nicht so zugesagt. Auch seine Wahl, Art3mis eher sexy und geheimnisvoll zu sprechen, passt für mich nicht so ganz. Seinen Nolan Sorrento hingegen fand ich passend überheblich und arrogant.

Alles in allem aber macht er einen guten Job und dass dieses Hörbuch ungekürzt erscheint, finde ich super für die, die es sich nicht auf Englisch anhören können oder möchten. So verpasst man keine Sekunde der wirklich bis zum Schluss spannenden Handlung. Ich hätte auch nicht gewusst, wo ich Schnitte angesetzt hätte.

Die Übersetzung

Da dieser Roman vor Geek-, Internet-, Rollenspiel- und Chat-Slang nur so trieft, ist es schwer, eine Übersetzung hinzubekommen, die die Zielgruppe zufriedenstellt … denn die benutzt diese Begriffe und zwar im Original und da fällts halt auf, wenn gebräuchliche englische Slang-Wörter auf einmal zwangseingedeutscht werden. Denn obwohl die meisten jüngeren User mit schlechten oder mangelhaften Deutsch- und Englischkenntnissen gesegnet sind, Slang beherrschen sie alle. Und deshalb sollte man tunlichst vermeiden, Begriffe wie „Twink“, „Poseur“, „Sux0rz“, „L33t Hax0rz Warezhaus“ oder den Namen von Wades Kumpel „Aech“, der sich wie der Buchstabe „H“ ausspricht, zu übersetzen, das wird nur peinlich. Diese Fehler umschifft der Verlag auch zumeist gut, manchmal wurden aber auch ganze Sätze einfach weggelassen, in denen offenbar zu viel Slang stand, was schade ist und dem deutschen Leser eine Menge Atmosphäre raubt.

Dass man hier „Egg hunter“ nicht übersetzt hat, ist ok … dann hätte man konsequent aber auch den Slang-Begriff „Gunter“ übernehmen sollen, der sich aus Coolness-Gründen daraus ableitet. Stattdessen wurden „Jäger“ daraus, die sich von nichts ableiten und auch nicht cool klingen. Des Weiteren gibts auch immer mal wieder Mischübersetzungen, wie „PvP“, was stehenbleibt, aber „NPC“ wird zu „NSC“.

Die Hinweis-Gedichte zu den Schlüsseln und Portalen klingen in der deutschen Version eher nach Kinder- und Jugendbuch als nach einem Zauberer aus einem Rollenspiel. Und „der Limerick“ ist auf Deutsch leider keiner mehr, da sich das Gedicht an den falschen Stellen reimt. Wenn aber keine Slang-Begriffe oder Phrasen wie „slapping the salami“ (wird hier recht profan zu: „abgewichst“) zu übersetzen sind, liest sich die Übersetzung recht flüssig.

Ich hatte das Gefühl, dass sich die Übersetzung eh an eine sehr junge Zielgruppe wendet und nicht an die „Generation 40+“, die alle Hinweise aus den 1980ern tatsächlich zu deuten weiß, die Spiele gespielt, die Filme gesehen, sich den Spieltrieb bis heute erhalten hat und Nerd geblieben ist. Diese für mich eigentlich zur Hauptzielgruppe gehörenden Geeks spricht die Übersetzung leider nicht wirklich an.

Der Autor und der Sprecher

Ernest Cline ist der Drehbuchautor des erfolgreichen Independent-Films FANBOYS. READY PLAYER ONE ist sein Debütroman. Wie seine Romanfigur James Halliday ist auch Ernest Cline ein großer Fan der 1980er Jahre und ihrer einzigartigen Popkultur. Er lebt mit seiner Familie im texanischen Austin und ist stolzer Eigentümer eines De Lorean, des berühmten Autos aus dem Film ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT.

In einem Interview aus dem Jahr 2011 sagte Cline, dass er bereits an einem Entwurf für eine Fortsetzung von READY PLAYER ONE arbeiten würde. Aber vorher erwartet das Publikum wohl erst noch eine irre Teenager-Komödie.
(Erweiterte Verlagsinfo)

Martin Bross, geboren 1972 in Wetter an der Ruhr, absolvierte ein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Er spielte in zahlreichen Filmen und Fernsehspielen. Auf der Theaterbühne stand er erstmals 1997 in Heidelberg, später u.a. in Heidelberg, Mainz, Wiesbaden, Mannheim, Bonn, Hamburg und Mülheim. Als Sprecher in Hörspielen und Features tritt er für den WDR und andere Rundfunkanstalten auf. (Verlagsinfo)

Mein Fazit:

Dieser Roman ist ein Geek-Fest, ein Traum für jeden Nerd, der auf die 1980er Jahre steht und Retro-Gamer und/oder Rollenspieler ist. Eine virtuelle Schnitzeljagd, wie sie jeder Online-Gamer kennt, gepaart mit einer Real-Life-Romanze, die auch jeder Online-Gamer kennt, der sich schon mal insgeheim in den Avatar eines anderen Spielers verknallt hat.

„Ready Player One“ ist wie für mich geschrieben. Spannend bis ganz zum Schluss, „Big Bang Theory“-nerdig und eine Quest, die leider irgendwann zu Ende gehen musste. Ich hatte riesig viel Spaß zusammen mit Wade in OASIS und muss jetzt erstmal ein paar Retro-Games zocken und ein paar alte Filme gucken.

Und wer richtig abgeeken will, der lässt sich das Ganze von Wil Wheaton als Audiobook vorlesen, da durch die deutsche Übersetzung eine Menge an Flair und Atmosphäre verlorengeht. Auch wenn Martin Bross ordentiche Arbeit leistet und auch dem deutschen Hörer gute Unterhaltung bietet.

Download: ca. 891 MB
Spieldauer: 16:05 Std. (ungekürzt)
Gelesen von Martin Bross
Originaltitel: Ready Player One
Aus dem US-Englischen von Hannes Riffel
www.audible.de

Direkt zum Titel bei audible: Ernest Cline – „Ready Player One“

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