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Audible.de – Die neue Hörbuch-Download-Plattform

Junge Leute mit dem Köpfhörer im Ohr – man sieht sie heute überall, sie gehören zum Alltagsbild. Aber was hören sie eigentlich mit ihrem MP3-Player oder ihrem Handy? Vielleicht klingen ihnen die Ohren in Zukunft nicht nur vom neuesten R&B-Soul-Hit, sondern von einem aufregenden Hörspiel wie etwa „Otherland“. Eine neue Download-Plattform für Hörbücher macht’s möglich.

Hat der Weihnachtsmann den MP3-Player erfunden? Wohl nicht ganz, aber es war am Nikolaustag 2004, dass das deutsche Internet-Portal audible.de für den Download von Hörbüchern und Audiomagazinen seine Pforten öffnete. Die amerikanische |Audible Incorporated| hat sich mit zweien der größten Medienhäuser zusammengetan und ein Jointventure mit |Random House| (Bertelsmann) und |Holtzbrinck NetworXs AG| gegründet.

Was hat der Nutzer von Medien davon, fragt man sich unwillkürlich. Reicht es nicht, dass ein Musikportal nach dem anderen dem mehr oder weniger jungen Musik-Junkie das Geld aus der Tasche zieht? Müssen es auch noch Audiobooks sein, nach denen wir gieren sollen?

Diese Bedenken waren den Machern der Plattform wohl nicht ganz unbekannt, denn zunächst gab es etwas völlig kostenfrei: ein frei wählbares Hörbuch – bei einer Auswahl unter 1000 Stück; zeitweilig wurde die Aktion auch auf zwei frei wählbare Hörbücher ausgedehnt. Für das Jahresabo wurde man mit einem kostenlosen MP3-Player (iPod shuffle) belohnt. Entsprechend rege war das Interesse. Innerhalb der ersten Woche luden mehr als 2000 Nutzer über 5000 Hörbücher herunter.

Wen juckt’s?

Spricht daraus ein erhöhtes Interesse deutscher Verbraucher an hörbarer Literatur und gesprochenen Texten aus Zeitung, Zeitschrift und Reiseführer? Wie ich selbst immer wieder an mir und anderen festgestellt habe und beobachten kann, besteht in der Tat eine große Nachfrage nach solchen Angeboten – mit Einschränkungen. Arik Meyer, der deutsche Geschäftsführer von audible.de, erläutert: „Es geht vor allem um einen anderen Hörstil, etwa im Auto, unterwegs zur Arbeit (oder dem Studienort) oder beim Sport.“ Die einfache Verfügbarkeit spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: „Einfach im Internet auswählen, herunterladen und sofort am MP3-Player oder PC hören“, das sei |audible|s Devise.

Zu hohe Preise? Kein Problem

Doch viele Hörbuch-Freunde werden immer noch von den überdurchschnittlich hohen Preisen der Anbieter abgeschreckt. Sie liegen – mit nur wenigen löblichen Ausnahmen – meist im Bereich für Hardcover-Bücher. Als ob man CDs einen Ehrenplatz im Bücherregal einräumen würde! Arik Meyer sieht sich im Vorteil: „Die Titel aus unserem englisch- oder deutschsprachigen Programm sind rund 30 Prozent günstiger als vergleichbare Hörbücher auf CD.“

Damit liegt audible.de etwa gleichauf mit den Hörbuchpreisen, die Amazon.de, der größte Online-Buchhändler, für preisgesenkte Hörbücher – die zudem portofrei verschickt werden – verlangt. Preisgünstiger sind nur noch Secondhand-Hörbücher, doch das Angebot ist bislang spärlich. Kaum wird ein Hörbuch als gebraucht angeboten, ist es schon wenige Tage später wieder weg. Das belegt einen hohen Bedarf. Will audible.de jedoch Amazon.de und Gebrauchthändler (besonders auf Ebay.de) dauerhaft unterbieten, muss es über kurz oder lang die Preise weiter senken – gut für die Käufer.

Abonnements

Dies gilt, wenn man sich die Titel quasi à la carte zusammensucht. Es gibt aber auch zwei Modelle für Abonnements: Classic und Premium. Beim „Classic“-Abo erhält der Kunde monatlich eine Zeitschrift und ein Audiobuch seiner Wahl für einen Monatsbeitrag von 9,95 Euro. Außer dem „Handelsblatt“ und „Die Zeit“ sind jedoch alle Zeitschriften in Englisch. Dadurch ist dieses Abo wenig reizvoll für deutschsprachige Leser.

Das Premium-Abo verpflichtet zur Abnahme von zwei Hörbücher pro Monat und kostet – ja, wie viel denn nun? Nach den Angaben des Audible-Geschäftsführers Arik Meyers handelt es sich um ein Sonderpreisangebot in Höhe von 14,95 Euro. Man spart also im Schnitt fünf Euro. Vorausgesetzt, es bleibt beim permanenten Sonderangebot. Wer ein Hörbuch als Geschenkidee toll findet, kann einen digitalen Geschenkgutschein verschicken.

Was gibt’s im Angebot?

Die Käufer bleiben jedoch ebenfalls weg, wenn sie merken, dass es nichts im Angebot gibt, das sie interessiert. Deshalb ist der im Neudeutschen so genannte Content ebenfalls von hoher Bedeutung. Die Titel werden von zurzeit 25 Vertragspartnern – nennen wir sie mal „Content-Provider“ – bereitgestellt. Am Anfang handelte es sich um rund 1000 Stunden deutschsprachiges Programm plus 5000 Stunden Belletristik- und Sachtitel in englischer Sprache. Kein Wunder, wenn der Betreiber aus den USA kommt. Dagegen nehmen sich die 400 deutschen Hörbücher doch recht bescheiden aus. Hinzu kommen rund 7600 englischsprachige Hörbücher. (Natürlich gibt es auch Audiozeitschriften und -Zeitungen.)

Daher ist das Gewinnen von weiteren Content-Providern so wichtig. In den USA verfügt Audible Inc. über 230 Vertragspartner (stand Mai 2005), die mehr als einer halben Million Kunden über 50.000 Stunden Audio-Inhalte anbieten. Dies ist die Marke, auf die das Unternehmen auch hierzulande hinarbeiten muss – wenn auch eine Nummer kleiner als im riesigen US-Markt. Doch bei einem genaueren Blick ins Angebot von Audible.de bekommt der Kunde zunächst vielleicht ein langes Gesicht. Bei einem Sortiment von 80 Klassikern, 28 Offerten im Kinder- und Jugendbuch, 32 Angeboten bei den Krimis und Thrillern, 30 „Märchen und Sagen“ sowie 86 Hörbüchern unter „Romane“ und „Allgemein“ fallen die deutschsprachigen Angebote noch eher spärlich aus. Dafür gibt es bereits 152 deutsche Sachbücher und Ratgebertitel. Diese Angaben spiegeln den Stand Anfang Mai 2005 wider – das Angebot wird sukzessive erweitert, um etwa 40 deutsche Titel pro Woche, sagte mir der Geschäftsführer Arik Meyer.

„Manche Autoren wie etwa Wolfgang Hohlbein oder Brian Lumley sucht man vergebens, Autoren wie Patricia Cornwell oder Dan Brown sind nur mit englischen Ausgaben vertreten. Gerade bei Harry Potter hätte ich mindestens eine deutsche Ausgabe erwartet“, berichtet Audible-Kunde Volker Wende.

Die Schwierigkeit beim Einstellen deutschsprachiger Angebote liegt laut Arik Meyer darin, dass für jeden Titel die Rechte geklärt und freigegeben werden müssen. Dieser Prozess erstreckt sich bis hin zum Autor, Produzenten, Sprecher, Übersetzer oder gar Musiker, der auf einem Hörbuch auftaucht. Audible.de wartet auf eine Urheberrechtsnovelle, die diesen Prozess beschleunigen soll.

Wie geht das?

Für das Einkaufen geht der Kunde wie bei Amazon.de vor: Konto anlegen, Modalitäten für Zahlung usw. erledigen, auswählen der Ware und Ablage in einem Warenkorb. Dieser heißt hier allerdings „Bibliothek“ und dient zugleich als Archiv: Man kann die dort gespeicherten Dateien beliebig oft herunterladen, was bei einem Verlust von Player oder CD recht willkommen ist. Eine Download-Seite ist natürlich für Downloads ausgelegt. Doch wie groß sind diese und wie lange? Wo werden die Dateien extern gespeichert?

Herunterladen

Jedes Hörbuch liegt in vier Qualitätsstufen bereit. Die geringste Stufe erzeugt die kleinste Datei, die höchste Stufe (128 KBit/s) generiert die größte Datei, liefert aber die beste Tonqualität. Das kennt man ja vom verlustbehafteten JPEG-Bildformat. Die minimale Qualität ist indiskutabel, findet Audible-Nutzer Volker Wende. Audible-Geschäftsführer Arik Meyer weist jedoch darauf hin, dass man eine gekaufte Audio-Datei mehr als einmal herunterladen darf, so natürlich auch in einem besseren Klangformat.

Die maximale Qualität führt zu Dateigrößen zwischen 80 und 120 Mbyte (105 MB = ca. 7,5 Stunden Hördauer). Da ein solcher Download mit einem 56K-Modem eine kleine Ewigkeit dauert, ist ein DSL-Anschluss sehr anzuraten. Dann dauert das Herunterladen nur wenige Minuten.

Die neue Datei wird vom |Audible|-eigenen AudioManager verwaltet, der zugleich als Archiv des Kunden dient. In diesem Manager ist ein eigener Player zum PC-basierten Abspielen der Dateien integriert. Man kann die Dateien aber auch mit dem Windows-Mediaplayer oder mit dem Realplayer nach Installation entsprechender Plugins wiedergeben.

Der AudioManager benötigt selbst rund 25 MB Speicherplatz und handhabt Downloads auf den Audible-kompatiblen MuVo-MP3-Player im Wert von rund 180 Euro, den |Audible.de| im Jahresabo anbietet, oder auf den |iPod shuffle|, der zur Zeit im Angebot ist. Der Player ist kostenlos, wenn man ein Jahresabo bestellt, das ja fast genau 180 Euro (14,95 x 12) für 24 Hörbücher kostet.

Speichern und Nutzen

Die Bedienung eines MP3-Players brauche ich hier ja wohl kaum zu beschreiben. Sie ist kinderleicht, dennoch liegt sicherheitshalber eine Bedienungsanleitung bei. Der getestete MuVo-Player versah seinen Dienst anstandslos, allerdings suchte ich die Möglichkeit, quasi „zurückzuspulen“. Das wäre bei weniger leicht verständlichen Englischtexten eine sehr erwünschte Funktion. Die Funktion ist aber zu finden, wenn man im Handbuch nachschlägt. Der neue |iPod shuffle|, der zur Zeit im Angebot fürs Jahresabo ist, stand für Testzwecke nicht zur Verfügung. Er kostet im Laden 99 Euro.

Nun könnte der Eindruck entstehen, das heruntergeladene Format sei ein einfach zu handhabendes MP3-Format. Dem ist nicht so! Vielmehr handelt es sich um das .aa-Format, das der MuVo-Player versteht und das höhere Kompressionsraten als MP3 zulässt. Zweitens bietet es den viel größeren Vorteil, dass es nur eine zusammenhängende Datei zu verwalten und zu handhaben gibt statt Dutzende davon. Wenn man mitten in der Datei aufhört, den Text zu hören, kann man später an dieser Stelle fortsetzen, so als hätte man hier ein Lesezeichen gesetzt. Nach Meyers Angaben besteht auch die Möglichkeit, von Kapitel zu Kapitel beziehungsweise – in einer Audio-Zeitschrift – von Artikel zu Artikel zu springen.

Gerätekunde

Die folgenden mobilen Geräte werden unterstützt, auf die man die Dateien mit Hilfe dieses Managers übertragen kann: Creative MuVo MP3-Player, Apple iPod, Rio Forge, Rio Carbon, Samsung Napster / YH-920, alle Modelle der HP iPAQ-Serie, Windows Pocket PC anderer Hersteller, wie z. B. Hewlett-Packard (Jornada), Dell, Toshiba, Casio, Audiovox, ViewSonic, und NEC, PalmOne Handhelds wie der Zire 71 und die Tungsten C-, E- und T-Series und Palm One Treo 600 und 650 Smartphone. Man sollte sich auf der Audible-Webseite umsehen. Laut Arik Meyer plant Nokia für seine Smartphones, ebenfalls das .aa-Format zu unterstützen.

Brennen

Das .aa-Format lässt sich mit Hilfe eines MP3-Rippers ins MP3-Format konvertieren. Immerhin darf man laut Lizenz (s. u.) das Hörbuch jeweils einmal auf CD brennen. Dazu wird ein Plugin von Roxio automatisch in den Audible-Manager integriert. Auch passende Labels lassen sich einfach ausdrucken. Das Brennprogramm sollte von guter Qualität sein, damit der Brennvorgang erfolgreich verläuft. Für die nötige Konvertierung in MP3 gibt es Ripping-Shareware. Bei einer Qualitätsstufe von 128 KBit/sec entsteht ein Speicherbedarf von rund 400 MByte. Das sollte man beim Einsatz eines entsprechenden MP3-Players hinsichtlich seiner Kapazität (512 MB oder mehr; der MuVo hat 1 GB Speicher) berücksichtigen.

Auf bis zu drei MP3-Player darf man sein Hörbuch übertragen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen heißt es: „(Es ist erlaubt,) die Audioprogramme für den individuellen privaten Gebrauch einmalig auf CD zu brennen und auf jeweils maximal drei MP3-Spielern und/oder PCs nutzbar zu machen.“ Natürlich gilt es beim Brennen auf CD oder bei der Konvertierung in MP3 den Zeit- und Materialaufwand zu berücksichtigen, der gerade auf schwächeren Systemen beträchtlich sein kann. Zwei Stunden für sechs CDs sind bei meinem 1-GHz-PC mit DVD-Brenner keine Seltenheit. Zieht man diesen Aufwand in Betracht, wird ein Hörbuch-Preis von 10 Euro (oder 20 Euro bei neueren und umfangreicheren Titeln und ohne Abo) schon wesentlich weniger attraktiv. Berücksichtigt man noch, dass es gebrauchte Hörbücher für ähnliche Preise bei |Amazon| und |eBay| gibt, so relativiert sich der Audible-Preis noch einmal.

Andererseits kann man sich diesen ganzen Aufwand sparen, wenn man einen der 1-GB-Player nutzt. Der Download geht mit einer DSL-Leitung schnell, ebenso die Übertragung per USB2-Bus. Anschließend braucht man keine CDs herumzuschleppen und zu wechseln – bei sechs CDs für den neuen Grisham „Die Begnadigung“ kann das lästig werden. Zudem lässt sich leicht zwischen den Medien wechseln: vom Hörbuch zur Zeitschrift, von dort zum Reiseführer – je nach Gusto und Gelegenheit.

Empfehlungen

|Audible.de| sollte vielleicht von vornherein das MP3-Format oder das entsprechende .wma-Äquivalent von Microsoft, das ja ebenfalls stärker als MP3 komprimiert, anbieten. Allerdings hat .aa seine oben angeführten Vorteile. Um Missbrauch vorzubeugen, lassen sich die Dateien ja mit einem DRM-Stempel – quasi einem digitalen Wasserzeichen – versehen. DRM steht für Digital Rights Management und wird von Microsoft stark unterstützt. „Sollte nun eine copyrightgeschützte Datei auf Tauschbörsen oder dergleichen auftauchen, lässt sich der verantwortliche Verkäufer und Käufer rasch ermitteln“, erläutert Volker Wende. „Jeder Käufer hat also selbst ein großes Interesse daran, seine Hörbuchdateien gut zu verwahren und nicht weiterzugeben.“ Wer sein Abo kündigen will, wendet sich an: Audible GmbH, Bayerstraße 21, 80335 München; Fax-Nr.: 089-206077-42; E-Mail: info@audible.de.

Unterm Strich

Zurzeit erscheint es mir für deutsche Interessenten noch früh, aber nicht verfrüht, ein Abonnement mit |Audible.de| abzuschließen. Den Audio-Player braucht man zwar nicht zu kaufen (im Wert von 180 Euro bzw. 100 Euro beim |iPod shuffle|), aber man sollte damit umgehen können. Für À-la-Carte-Käufe finden sich momentan schon attraktive Angebote in einem breiten Spektrum von Reiseführern über Zeitschriften und Zeitungen bis hin zu Roman-Hörbüchern.

Dass die meisten deutschen Audiobooks von |Random House| (Bertelsmann) stammen, ist auf dessen Beteiligung am Jointventure zurückzuführen. Hier kann man nur hoffen, dass die Klärung der Rechte an diesen Werken möglichst beschleunigt werden kann und so sukzessive ein größerer Anteil an deutschsprachigen Werken verfügbar wird.

Wenn der Otto-Mair-Verlag einsteigen würde, so könnte man bald Reise- und Stadtführer in rauen Mengen (Baedeker, Marco Polo usw.) erstehen. Zur Leipziger Buchmesse gab es bereits einen Stadtrundgang, der auf dem Testgerät zu finden war. Eine interessante Technik jedenfalls. Oder wird man in Zukunft die Städte nicht mehr real besuchen, sondern nur noch virtuell – mit dem Kopfhörer im Ohr?

Mosse, Kate – verlorene Labyrinth, Das

Mystik-Thriller: Zeitreise zum Gralshüter

Bei archäologischen Ausgrabungen in einer Höhle im Herzen der süfranzösischen Landschaft Languedoc entdeckt die Engländerin Alice Tanner zwei Skelette und eine labyrinthische Wandmalerei. Der Hauch des Bösen, der über der archäologischen Stätte liegt, weckt dunkle Vorahnungen in ihr. Zudem hat sie das seltsame Gefühl, die eingeritzten Worte verstehen zu können. Als sich die Polizei einschaltet, verstärkt sich Alices Gefühl, dass an dem rätselhaften Ort etwas geschehen ist, das im Verborgenen hätte bleiben sollen. Etwas, das 800 Jahre in die Vergangenheit zurückreicht …

Achthundert Jahre zuvor, ebenfalls im Juli, aber im Jahre des Herrn 1209, erhält die 16 Jahre junge Alaïs von ihrem Vater ein Buch mit fremdartigen Zeichen und Diagrammen, deren schicksalhafte Bedeutung ihr Vater als den wahren Gral bezeichnet – allerdings ist es nur eines von drei solchen Büchern. Sie weiß, dass sie das Geheimnis des Buches hüten muss – um jeden Preis. Verlust, Intrige, Gewalt und Leidenschaft prägen fortan das Leben beider Frauen. Es soll nicht die einzige Verknüpfung ihrer Schicksale bleiben …

Die Autorin

Kate Mosse, eine der Initiatorinnen des Frauen-Literaturpreises „Orange Prize“, arbeitet für Rundfunk und Fernsehen. Für BBC Four moderiert sie eine wöchentliche Sendung, in der Autoren und ihre Bücher vorgestellt werden. Kate Mosse hat zwei Romane und zwei Sachbücher geschrieben, vor ihrer Arbeit für Rundfunk und Fernsehen war sie stellvertretende Intendantin des Chichester Festival Theatre in West Sussex. Sie ist Mitglied der Royal Society of Arts und CBE. Mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt sie in West Sussex und in Carcassonne.

Die Sprecherin

Julia Fischer, geboren 1966 in München, hatte ihre ersten Sprecherinnenrollen schon im Alter von sieben Jahren mit Auftritten beim Bayerischen, Westdeutschen und Hessischen Rundfunk. Neben Theaterengagements und Rollen in diversen Fernsehfilmen moderiert Fischer auch in Hörfunk- und Fernsehsendungen. Zudem ist sie Sprecherin für den Bayerischen Rundfunk und verschiedene Hörbuchproduktionen.

Sie liest eine nach Angaben des Verlags ungekürzte Fassung des Romans. Diese Fassung ist 1379 Minuten lang: 23 Stunden 19 Minuten.

Hintergrund

Der Romanhandlung ist eine lange Einleitung vorangestellt. Darin wird der so genannte Katharer- oder Albigenser-Kreuzzug von 1209 bis 1229 beschrieben, wer daran teilnahm und warum. Unter dem Deckmantel einer Vertreibung von Ketzern eroberten die nordfranzösischen Adligen das Land der Südfranzosen und unterdrückten die dort zuvor herrschende Liberalität in der gesamten Kultur. Der Kreuzzug forderte Zehntausende von Opfern und zwar nicht nur unter den Soldaten, sondern vor allem unter der Zivilbevölkerung. Weil es im ersten Feldzug nicht gelungen war, die Häresie auszurotten, gründete ein neuer Papst (Gregor IX) die Inquisition, welche die bekannten verheerenden Opferzahlen zeitigte und erschütternde Gräueltaten beging. Als letzte Katharerfestung fiel die Zitadelle Montsegur im März 1244. Sie spielt im letzten Viertel des Romans eine zentrale Rolle.

Handlung

Die Engländerin Dr. Alice Tanner, knapp 30, hat sich bei der archäologischen Ausgrabung am Pic de Soularac abgesetzt und erkundet nun auf eigene Faust den felsigen Hang dieses Berges. Die Pyrenäen sind nicht weit entfernt. Eigentlich ist sie ja Dozentin für mittelenglische Literatur in ihrer Heimatstadt Chichester. Sie wurde von Sheila O’Donnell eingeladen, an der Grabung teilzunehmen, während sie auf einen Anwaltstermin in Carcassonne wartet: Sie sollte das Erbe ihrer Tante Grace antreten. Sie ahnt nicht, was auf sie wartet.

Unter einem großen Felsen findet Alice eine alte Scheibenfibel aus Silber und Kupfer. Da fällt der Fels herab, sie kann ausweichen und erblickt den Zugang zu einer Höhle. Statt die Kollegen, allesamt Profis, zu verständigen, drängt etwas Alice, den Tunnel in die Höhle selbst zu erkunden. In einer Kammer an dessen Ende stößt sie auf zwei Skelette. An der Wand ist ein kreisförmiges Labyrinth eingeritzt und davor befindet sich eine Felsplatte wie ein Altar. In einem Lederbeutel bei einem der beiden Gerippe findet Alice einen Steinring, den sie an sich nimmt. Ein weiterer professioneller Fehler.

Plötzlich bekommt Alice Angst. Die Menschen, von denen nur noch die Skelette übrig sind, starben eines gewaltsamen Todes und ein Dolch liegt zwischen ihnen. Auch das Labyrinthmuster verwirrt sie, und als sie glaubt, Schritte zu hören, flüchtet sie vor diesem offenbar verfluchten Ort. Alice leidet seit ihrer Kindheit am Mesnieres’schen Syndrom, bei dem Menschen angesichts eines Labyrinths eine Erfahrung erleben, als ob sie sich außerhalb der Zeit oder in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort befänden. Genau dies passiert Alice später mehrere Male. Sie weiß nicht, warum und was es mit diesem Geistreisen auf sich hat. Kurzum: Alice ist eine sehr ungewöhnliche Frau.

Als sich die Polizei einschaltet, verstärkt sich Alices Gefühl, dass an dem rätselhaften Ort etwas geschehen ist, das im Verborgenen hätte bleiben sollen. Besonders ein Mann namens Paul Authié, seines Zeichens Rechtsanwalt, jagt Alice Angst und Widerwillen ein. Völlig zu Recht. Er will den Ring. Und ständig fragt er sie nach einem Buch, von dem sie keine Ahnung hat.

Carcassonne

In der okzitanischen Stadt Carcassonne schreibt ein alter Mann namens Audric Baillard an einem Buch. Er ist der letzte Zeuge jener schicksalhaften Ereignisse zwischen dem Jahr 1209 und 1244, von denen die zweite Handlungsebene des Romans erzählt. Er erinnert sich an seine Jugendliebe, die schöne Alaïs, deren Lebensweg sie zu eben jener Höhle führte, die Alice Tanner nun entdeckt hat. Audrig, der früher anders hieß, kann sich genau an Alaïs erinnern, als wäre es gestern gewesen. Sein wunderbares Geheimnis wird erst ganz am Schluss gelüftet, als Alice den Weg zu ihm findet.

Achthundert Jahre vor den Ereignissen in der Jetztzeit, ebenfalls im Juli, aber im Jahre des Herrn 1209, erhält die 16 Jahre junge Alaïs von ihrem Vater ein Buch mit fremdartigen Zeichen und Diagrammen, deren schicksalhafte Bedeutung ihr Vater als den wahren Gral bezeichnet – allerdings ist es nur eines von drei solchen Büchern. Sie akzeptiert die Verantwortung, dass sie das Geheimnis des Buches hüten muss – um jeden Preis. Denn sobald alle drei solcher Bücher zusammenkämen und in die falschen Hände fielen, wer weiß, welche Macht dann missbraucht werden könne.

Als der Kreuzzug der Nordfranzosen beginnt und gleich zu Beginn die Bevölkerung der Stadt Beziers am Golf von Lyon massakriert wird, ahnt Alaïs, dass das Buch in Carcasonna eventuell nicht sicher sein könnte. Doch ihr Vater, der Burgverwalter Bertrand Pelletier und rechte Hand des Grafen Raymond-Roger Trencavel, glaubt, dass seine Tochter und sein ihm anvertrauter Schatz, die drei Bücher des Grals, in der Burg von Carcasonna sicher seien.

Das erweist sich als schwerer und folgenreicher Irrtum. Denn innerhalb der Burg, in seiner nächsten Nähe, befindet sich ein Mensch, der keine Skrupel kennt, wenn es darum geht, an die Bücher des Grals heranzukommen. Und diese Person bedient sich sogar des Gemahls von Alaïs, Guyème,

Chartres

In Chartres, der Schwesterstadt von Alices Heimat Chichester, findet im Juli 2005 ein blutiges Ritual statt. In einer Kammer stehen Kapuzenmänner um einen Altar, vor welchem sich einerseits ein Labyrinthmuster und andererseits ein demütig kniender Mann befindet. Eine stolze Frau namens Marie-Cécile de l’Orador leitet die Zeremonie der Noblesso véritable. Der Kniende wird das Ritual nicht überleben. Er ist ein Verräter.

Leseprobe

Montag, 4. Juli 2005

Ein dünner Blutfaden läuft die blasse Innenseite ihres Arms wie ein roter Saum auf einem weißen Armel hinunter.

Zuerst hält Alice es für eine Fliege und achtet nicht weiter darauf. Insekten gehören zum Berufsrisiko bei einer Ausgrabung, und aus unerfindlichen Gründen sind weiter oben auf dem Berg, wo sie arbeitet, mehr Fliegen als unten an der Hauptausgrabungsstätte. Dann fällt ihr ein Tropfen Blut auf das nackte Bein und zerspritzt wie ein Feuerwerkskörper am nächtlichen Silvesterhimmel.

Diesmal schaut sie auf ihren Arm und sieht, dass der Schnitt innen am Ellbogen wieder aufgegangen ist. Es ist eine tiefe Wunde, die einfach nicht heilen will. Sie seufzt, drückt dann das Pflaster mit dem Mull darunter fester auf die Haut. Dann, da keiner da ist, der es sehen konnte, leckt sie sich das Blut vom Handgelenk.

Einzelne Haarsträhnen, die die hellbraune Farbe von Karamell haben, sind aus dem Pferdeschwanz unter ihrer Mütze gerutscht. Sie streicht sie sich hinter die Ohren und wischt sich mit einem Taschentuch über die Stirn, ehe sie das Gummiband ihres Pferdeschwanzes wieder festzieht.

Aus ihrer Konzentration gerissen, steht Alice auf und streckt die Hand aus …

Mein Eindruck

Ich habe mich ein wenig auf Kate Mosses umfangreicher und informativer Webseite http://www.mosselabyrinth.co.uk umgesehen. Dort finden sich nicht nur die Hintergründe zum Buch, sondern auch eine hilfreiche Figurenliste mit Erklärungen. Außerdem gibt es jede Menge lobende Pressestimmen und ein aufschlussreiches Interview mit der Autorin. Dieses ist auch auf den deutschen Webseiten von audible.de (Audiobook für Download) und droemer.de (Buch) nachzulesen.

Zunächst wollte sie eigentlich einen Roman über die Wurzeln der Gralslegende im alten Ägypten schreiben, aber etwas kam ihr in die Quere: Das war ihre Liebe zu ihrem zweiten Wohnsitz Carcassonne. Während das alte Ägypten immer wieder in der Hintergrund-Story über das geheime Gralswissen in den drei Büchern aufblitzt, spielt Carcassonne als Widerstandszentrum während des Albigenerkreuzzugs eine ganz zentrale Rolle. Mosse lässt die Stadt sowohl im Jahr 1209, in dem Alaïs Dumas lebt, als auch im Jahr 2005, in dem Alice Tanner lebt, vor unserem geistigen Auge lebendig werden.

Dies gelingt allerdings ein wenig zu gut. Obwohl sie beteuert, sie habe den Roman massiv gekürzt und dabei auf lieb gewonnene Figuren und Szenen verzichtet (natürlich blutenden Herzens), sind doch noch jede Menge Längen übrig geblieben, durch die sich der Leser und vor allem der Hörer hindurchkämpfen muss. Und nicht jede Szene ist so aufregend, dass sie man davon gefesselt ist. Beschreibungen von Naturszenerien und Kemenateninventar sind zwar „realistisch“, reißen aber nicht gerade vom Hocker. Bei der frühen Szene, in der Alaïs beim Kräutersammeln die Wasserleiche findet, wurde ich regelrecht ungeduldig.

Was ist der Gral?

Der Leser sucht sein Heil instinktiv in dem mystisch-historischen Thriller um den Gral. Und eine Weile sieht es so aus, als könnte diese Story das voluminöse Werk tragen. Aber es gibt eine Menge Stolpersteine. Der wichtigste davon besteht darin, zu begreifen, woraus der Gral besteht und wo er bzw. seine Komponenten sich im jeweiligen Moment befinden, um so eine Relevanz für die Gesamtstory zu erhalten.

Der Gral besteht offenbar aus drei alten „Büchern“, die man sich als kleine in Holz gebundene Pergamente vorzustellen hat, welche sich relativ leicht verbergen lassen. Eines davon näht Alaïs in ihren Wintermantel ein; es kann also weder groß noch schwer sein. Verblüffend ist die Tatsache, dass es drei Bücher gibt: das „Buch der Arzneien“, das „Buch der Wörter“ und das „Buch der Zahlen“. Das Labyrinth spielt darin stets eine zentrale Rolle. Marie-Céline hat zwei dieser Bücher anno 2005 und vermutet das dritte im Besitz von Alice Tanner. Sie braucht – genau wie 1209 Orianne – alle drei Bücher, um die Gralszeremonie ausführen zu können.

Was kann der Gral?

Worin dieses Ritual besteht und was es bezweckt, ist ebenfalls eine spannende Frage. Leider erscheint es erst im letzten Drittel als von hoher Bedeutung. Denn dann steuern sowohl die Handlung um Alaïs als auch um Alice ihrem jeweiligen Höhepunkt in der Höhle zu, die am Anfang steht: Der Roman ist ein Rondo. Und wenn erst einmal klar wird, was es mit Audric Baillard auf sich hat, klärt sich die Frage, warum sowohl Orianne als auch Marie-Céline so wild darauf sind, das Ritual auszuführen: Es bzw. das Erscheinen des Grals macht potenziell unsterblich. Sicherlich lohnt es sich dafür, über Leichen zu gehen, oder?

Verwirrung

Der Umstand, der nun bei den Lesern Verwirrung stiftet, ist die Frage, welche Komponenten (3 Bücher oder mehr?) zum Gral gehören, welche Symbole die jeweiligen Gralshüter ausweisen (die Rede ist von Steinringen und Labyrinthen und einem rätselhaften Mirel oder Merel). Das alles ist ein solches Hin und Her und Brimborium, dass einem die Lust vergeht, sich das alles im Detail zu merken. Noch nach 300 Seiten, also etlichen Kapiteln, war es einer Amazon-Leserin nicht klar, worauf das Ganze hinauslaufen sollte.

Das letzte Drittel spielt rund 35 Jahre nach der Haupthandlung. Die letzte Katharerfestung Montségur fällt in die Hände der Inquisition und ihrer Truppen, ebenso Alaïs und ihre Tochter. Sie hat den Gral bei sich bzw. das dritte Buch. Spannend wird’s, als sich der Leser fragt, ob Alaïs entkommen und der Gral gerettet werden wird. Können die Katharer ihren Schatz vor dem Zugriff des Papstes bewahren? Doch die Truppen und vor allem Orianne, Alaïs’ Erzfeindin, rücken ihnen ziemlich auf die Pelle. Dieser Teil erscheint ein wenig angehängt. Aber er erweist sich als folgerichtige und integrale Fortsetzung des Hauptteils.

Mystik

Hinzu kommen die seltsamen mystischen Erlebnisse von Alaïs und ihrem Pendant Alice. Alice hat eine ungewöhnliche seelische Konstitution (s. o.), die sie ab und zu im Traum eine Flammenwand und einen Waldpfad sehen lässt. Diese Geistreise ist offenbar auch eine Zeitreise ins Jahr 1209. Alaïs hat diese Zeitreisevision viel seltener, aber angesichts der schrecklichen Zukunft, die ihr und ihrer Tochter bevorsteht, sind die Horrorvisionen kein Wunder. Dennoch fragt sich der heutige Leser, wie sich solche Gesichte begründen lassen. Die Frauen benutzen keine psychotropen Substanzen wie etwa Pilze, wie sie gewisse Schmanen, oder die Tollkirsche, wie sie mittelalterliche Kräuterfrauen einzunehmen pflegten. Ein klarer Fall für „Akte X“.

Meriten

Es gibt allerdings ein unleugbares Verdienst der Autorin: Sie schildert in den Katharern eine mittelalterliche Gesellschaft, die ihre Frauen nicht unterdrückte und nicht als Menschen zweiter Klasse behandelte. Im Gegenteil. Frauen durften nicht nur ohne weiteres Medizinerinnen und Kriegerinnen sein, sondern sogar – besonders im Alter – auch Priesterinnen. Das sollte es erst wieder im 20. Jahrhundert geben, wie die Autorin nicht versäumt, deutlich zu machen. „Als die Franzosen im Süden Frankreichs einmarschierten, wurden die Lebensbedingungen der Frauen um Aberhunderte von Jahren zurückversetzt.“

Auch die Toleranz gegenüber Juden und Sarazenen, also Muslimen, wird im Buch herausgestellt, wohingegen die Papsttruppen eine hirnlose Intoleranz praktizieren. Mehr als eine Million Katharer wurden als „heretici“, also Ketzer, getötet, darunter Frauen und Babys. Dieser Aspekt des Buches kommentiert indirekt das erneute Aufkommen des religiösen Fundamentalismus. „Die Sprache der Kreuzzüge wird wieder einmal verwendet, sei es von Präsident Bush, der religiösen Rechten oder von fundamentalistischen Islamisten- oder Judengruppen“, sagt die Autorin. „Militante Religionen aller Art erleben eine Wiedergeburt.“

Die Sprecherin

Julia Fischer hat eine sehr angenehm klingende Stimme mit einem warmen, nicht zu hohen Timbre. Besonders auffällig ist das kehlig rollende R, das sie benutzt. Es macht ihren Vortrag besonders sinnlich, was der weiblichen Leser- und Zuhörerschaft sehr entgegenkommen dürfte. Die meisten Figuren sind sowieso weiblich und mit nur zwei Ausnahmen handelt es sich um angenehme Frauenzimmer. Diese zwei Ausnahmen sind natürlich Oriane und Marie-Celèste, zwei gierige Dominas, wie sie im Buch stehen. An ihnen erweist sich die Qualität der Sprecherin, und meistens gelingt es ihr, sie glaubwürdig klingen zu lassen.

Etwas ganz anderes sind natürlich die Männer. Natürlich reden sowohl die Guten wie auch die Bösewichte mit unrealistisch hohen Stimmen, aber das lässt sich selbstverständlich nicht ändern. Die Sprecherin bemüht sich hörbar, dafür ihre Tonhöhe zu senken, etwas härter zu artikulieren und langsamer, aber autoritärer zu sprechen.

Vielsprachig

Bewunderung ringt uns die Sprecherin ab, wenn sie sowohl Französisch, Englisch als auch Okzitanisch fehlerfrei aussspricht. Das ist eine beachtliche Leistung. Leider bin ich des Okzitanischen nicht mächtig, kann also die Korrektheit dieser Aussprache nicht beurteilen, aber wenigstens das Französische und Englische klingen einwandfrei. Das Okzitanische klingt übrigens wie ein Mittelding aus Italienisch, katalanischem Spanisch und mittelalterlichem Französisch. Tatsächlich ist es verwandt mit Provenzalisch und Katalanisch. So heißt es statt „père“ für ‚Vater‘ im Okzitanischen „peire“, wobei das >eiai< ausgesprochen wird. Wie es in der Einleitung heißt, erlebt das Okzitanische, die Langue d’Oc, seit Mitte des 20. Jahrhunderts eine Wiedergeburt.

An einer Stelle habe ich aber Zweifel, ob die Aussprache korrekt ist. Der Nachname Audric Baillard sollte eigentlich "bajahr" ausgesprochen werden, doch Fischer sagt stets "bejahr". Der einzige andere Fehler, denn Fischer macht, ist die falsche Betonung von Wörtern in einem Satz. Wenn zum Beispiel ein Du – statt eines anderen denkbaren Angesprochenen – hervorgehoben werden müsste, so erfolgt dies nicht und die von der Autorin im Text vielleicht kursiv hervorgehobene Betonung ist nicht zu hören. Der Fehler tritt mehrmals auf, ist aber nicht schlimm.

Fehler auf der CD-Fassung

Was mich zunächst gewundert, dann aber zunehmend gestört und schließlich geärgert hat, war ein vernehmliches Knacksen in der Aufnahme. Das Knackgeräusch fehlt aber im Audiobook von Audible.de. Es lag also nicht am Mikrofon (was extrem peinlich wäre). Ich kann es mir daher nur so erklären, dass das Störgeräusch beim CD-Produktionsprozess, für den exklusiv der Argon-Verlag verantwortlich zeichnet, entstanden ist. Besonders die CD 19 in meinem Exemplar des Hörbuchs ist geradezu gespickt mit dem Störfehler und verhindert den Genuss des Vortrags.

Unterm Strich

Der Roman funktioniert am besten als historischer Mystikthriller, der zufällig eine zweite Handlung besitzt, die in der Gegenwart spielt. Und da die vier Hauptfiguren – sowohl auf Seiten des Guten wie des Bösen – allesamt weiblich sind, richtet sich das Buch in erster Linie an Frauen. Frauen werden sich von dem menschlichen Drama, der Parapsychologie bzw Esoterik und von den erotischen Stellen gleichermaßen angezogen fühlen. Die historischen Geschehnisse sind quasi notwendiges Beiwerk, das aber so mache Leserin als kostenlose Geschichtsstunde willkommen heißen könnte.

Allerdings stehen mehrere Elemente und Aspekte dem leichten Verständnis und der hindernislosen Unterhaltung entgegen. Dazu gehört vor allem alles, was den Gral anbelangt: jede Menge verwirrendes Brimborium. Dass der Gral kein Kelch ist wie in den späteren Parsifal-Epen von Chretien de Troyes oder Wolfram von Eschenbach (Audric Baillard liefert dazu detaillierte Informationen), erfordert ebenfalls ein gewisses Umdenken.

Das Hörbuch

Dass ein Hörbuch 23 Stunden dauert, halte ich für ein Unding. Es ist eine Zumutung, einen solchen Schmöker ungekürzt zu lassen. Die oben genannten Längen hätten eliminiert werden können und müssen. Die geübte Sprecherin tut ihr Bestes, aber nicht immer fehlerfrei.

Dass das Hörbuch rein technisch nicht einwandfrei ist, ist nicht hinzunehmen. Ein Ersatzexemplar, das ich angefordert habe, ist bis heute nicht eingetroffen, obwohl es mir zugesagt wurde. Daher bleibt mir nichts anderes übrig, als diesen Mangel in die Gesamtwertung der CD-Fassung einfließen zu lassen.

Dieser Abzug trifft natürlich NICHT das Download-Audiobook von Audible.de, das – je nach Bitrate und korrelierender Soundqualität – in einwandfreiem Zustand zu hören ist.

23 Stunden 15 Minuten auf 20 CDs
Originaltitel: Labyrinth, 2005
Aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

[Unsere Rezension zur Buchfassung 1650
Das Hörbuch gibt es zum Download unter http://www.audible.de.

[NEWS] Tad Williams – Die Grenze (Shadowmarch 1)

Krieg zieht herauf. Die Elben, einst hinter der Schattengrenze im Norden zurückgezogen, treten aus dem Nebel heraus und wollen verlorene Gebiete zurückerobern. Aber auch der machtbesessene Autarch im Süden stellt Heere bereit und beide haben die Südmarkfeste zum Ziel. Dort müssen die königlichen Zwillinge Barrick und Briony die Regierungsgeschäfte übernehmen. Dort hütet Chaven, der über geheimes Wissen aus den Alten Tagen verfügt, einen magischen Spiegel. Dort verzehrt sich Ferras Vansen, Hauptmann der Königlichen Garde, in einer Leidenschaft, von der niemand ahnt. Und dort findet der Funderling Chert ein Kind, dessen Schicksal ihn ins tiefste Herz des Schattenreiches führen soll … (Verlagsinfo)

Hörbuch-Download
Spieldauer: 30 Stunden und 54 Minuten
Gelesen von David Nathan
audible / Der Hörverlag

Ernest Cline – Ready Player One

Die Handlung:

Im Jahr 2044 hat die reale Welt für Wade Watts nicht mehr viel zu bieten. Daher flieht er – wie die meisten Menschen – in das virtuelle Utopia von OASIS. Hier kann man leben, spielen und sich verlieben, ohne von der bedrückenden Realität abgelenkt zu werden. Da entdeckt Wade in einem Online-Game den ersten Hinweis auf einen unsagbar wertvollen Schatz, den der verstorbene Schöpfer von OASIS in seiner Cyber-Welt versteckt hat. Plötzlich ist Wade eine Berühmtheit, aber er gerät auch in das Visier eines Killerkommandos – in OASIS und in der Realität. Wade weiß, dass er diese mörderische Hetzjagd nur überleben kann, wenn er das Spiel bis zu seinem ungewissen Ende spielt!
(Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Ernest Cline – Ready Player One weiterlesen

Jussi Adler-Olsen – Das Alphabethaus

Die Handlung:

Deutschland zur Zeit des Zweiten Weltkriegs: Nach einem Flugzeugabsturz über feindlichem Territorium retten sich die britischen Fliegerpiloten Bryan und James in einen Krankentransport. Um nicht entdeckt zu werden, nehmen sie die Identität von zwei deutschen Soldaten an und gelangen so in ein Lazarett für Geisteskranke. Hier müssen sie ihre Rolle spielen und sind der Willkür und dem Sadismus des Personals hilflos ausgeliefert. Bryan gelingt schließlich die Flucht, doch das Schicksal von James bleibt ungewiss. (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Nachdem wir in Deutschland erst das Sonderdezernat Q und seinen leicht verschrobenen Carl Mørck kennenlernen durften, erscheint nun der 1997 erstmalig auf Dänisch veröffentlichte Roman „Alfabethuset“ von Jussi Adler-Olsen auch bei uns. Ganz anderes Setting, ganz andere Zeit. Und man merkt, dass Adler-Olsen sich hier auf einem Terrain bewegt, auf dem er sich auskennt. Als Sohn eines Mannes, der mit psychisch kranken Menschen zu tun hatte, bekam er als Kind eine Menge mit und verarbeitete dies auch in seinem „Alphabethaus“. Gut recherchiert und authentisch beschrieben wirken seine „Heilanstalt“ und die Grausamkeiten, die dort an den Patienten vorgenommen werden.

Leider nicht ganz so spannend, wie man aufgrund des Klappentextes erwarten könnte, gestaltet sich dieser erste von zwei Handlungssträngen, es ist eher eine Erzählung. Die beiden britischen Soldaten, die über kleinere Umwege in eine deutsche Anstalt gelangen, in der an Menschen experimentiert wird, entdecken noch weitere „Simulanten“. Einem der Soldaten gelingt die Flucht und sein schlechtes Gewissen darüber, den Kameraden und Freund zurückgelassen zu haben, bringt ihn gute 30 Jahre später im zweiten Handlungsfaden dazu, sich auf die Suche nach ihm zu machen. Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg mittlerweile überstanden und wir befinden uns am Anfang der 1970er. Hier wird es dann auch interessanter, weil sich die Suche als schwieriger und komplizierter gestaltet, als es der Hörer angenommen hat. Und auch das Ende wird sicher nicht jeder so erwarten, wie es sich gestaltet.

Das Hörerlebnis:

Wolfram Koch ist bemüht, die Stimmungen und Gefühle der Charaktere lebendig ins Ohr des Hörers zu transportieren. Leider gelingt ihm das nicht wirklich. Es ist ein ambitioniertes Vorlesen, kein lebendiges Erzählen, kein echtes Hör-Erlebnis. Zu sehr und zu oft wird der Hörer durch seine oftmals gleichmäßige Erzählweise daran erinnert, dass hier jemand im Studio ein Skript abliest. Außerdem baut er in fast jeden Satz zu lange Sprechpausen ein, um die Dramatik künstlich zu steigern oder das gerade Berichtete sacken zu lassen, das dämpft aber recht schnell den Hörspaß wie eine Stotterbremse das entspannte Autofahren. Vielleicht ist das ja auch seinem Theater-Sprachtraining anzulasten.

Der Autor:

Jussi Adler-Olsen (*2. August 1950), geboren in Kopenhagen. Er studierte Medizin, Soziologie, Politische Geschichte und Film. Bevor er 1995 mit dem Schreiben begann, arbeitete er in verschiedenen Berufen, u. a. als Redakteur für Magazine und Comics und als Koordinator der dänischen Friedensbewegung. 1997 erschien sein erster Roman »Alfabethuset«. Weitere Kriminalromane folgten, bevor Adler-Olsen 2007 mit »Erbarmen«, das den ersten Fall von Carl Mørck vom Sonderdezernat Q schildert, einen Riesenerfolg hatte. 2008 stürmte er mit dem zweiten Roman über Kommissar Carl Mørck die Bestsellerlisten. Seither gilt er als bestverkaufter dänischer Krimiautor. (Verlagsinfo)

Der Sprecher:

Wolfram Koch hat an der Hochschule für Musik und Darstellende Künste in Frankfurt studiert. 1995 bis 2000 war er festes Ensemblemitglied am Schauspielhaus Bochum, seitdem arbeitet er frei unter anderem am Schauspiel Frankfurt, an der Volksbühne und am Deutschen Theater in Berlin. Außerdem tritt er oft in Film und Fernsehen auf. (Verlagsinfo)

Mein Fazit:

Adler-Olsen beschreibt, was er kennt. Seine Jugenderfahrungen in der Psychiatrie seines Vaters hat er hier geschickt eingearbeitet und mit einer interessanten Grundidee gekoppelt. Lässt sich der erste Teil, der während des Zweiten Weltkriegs spielt, noch recht schleppend an, so wird es 1972 in Freiburg interessanter und spannender. Leider hat mich die Sprecherleistung nicht wirklich überzeugen können und somit war mein Kopfkino nicht mit 3D-Technik und auch nicht mit Surround-Sound ausgestattet.

Spieldauer: 8:27 Std.
1 Track
Format: AAX+ mit DRM-Kopierschutz (für das Abspielen wird ein kompatibler Player benötigt)
Download mit 467 MB
Aufnahme: 128 kbit / 44 kHz
Originaltitel: Alfabethuset
Gelesen von Wolfram Koch
www.audible.de

Craig Russell – Tiefenangst (Lesung)

In Hamburg wird ein weiblicher Torso angespült. Ist es ein weiteres Opfer des so genannten Network-Killers, der seine weiblichen Opfer im Internet aufspürt, sie vergewaltigt, tötet und dann ins Wasser wirft? In diesem Fall ermitteln bereits Hauptkommissar Jan Fabel und seine Kollegen. So werden sie auch zum Fundort des Torsos gerufen. Kurz darauf meldet sich der Hamburger Senator Müller Voigt bei Fabel, da er zu wissen glaubt, dass es sich bei der noch nicht identifizierten Leiche um seine Geliebte – Meliha – handelt, die seit Tagen spurlos verschwunden ist. Müller-Voigt erzählt Fabel seine Geschichte und gesteht, schon seit einiger Zeit ein Verhältnis mit Meliha zu haben. Meliha war angeblich Journalistin, die die Umweltorganisation Pharos im Visier gehabt hat. Müller-Voigt vermutet, dass Meliha bei ihren Nachforschungen zu viel herausgefunden hat und nun ausgeschaltet worden ist.

Doch als Fabel beginnt, Melihas Geschichte zu überprüfen, stellt er fest, dass sie ihrem Geliebten nicht nur einen falschen Namen genannt hat, sondern auch eine falsche Adresse. Als kurz darauf auch der Senator ermordet aufgefunden wird, verdichten sich die Hinweise, die zu der Umweltorganisation Pharos führen. Doch diese schottet sich mit aller Macht von der Öffentlichkeit ab. Den obersten Boss der Organisation, Dominik Korn, kennt man praktisch nur dem Namen nach und auch seine rechte Hand, Peter Wiegand, lässt niemanden hinter die Kulissen von Pharos blicken.

Auch wenn bei den Todesopfern zuhause kurioserweise nie Handys oder Computer gefunden werden, kommt die Polizei ihrem Network-Killer immer näher. Sie überprüfen diejenigen Menschen, die in einem Internetforum zuletzt Kontakt mit den Opfern aufgenommen haben. Unklar ist aber weiterhin, ob der Network-Killer-Fall mit Pharos zusammen hängt. Hier tappt die Polizei weiter im Dunkeln, zumal sie der mysteriösen Umweltorganisation nicht das Geringste nachweisen kann …

_Der Tod kommt per Internet_

In „Tiefenangst“, dem bereits sechsten Fall von Jan Fabel und seinen Kollegen von der Hamburger Polizei, hat sich Craig Russell zwei Themen herausgepickt, um die herum er seinen Kriminalfall aufzieht: Zum einen geht es um das Internet, die Kommunikation im Internet und darum, dass sich in Chatforen Menschen kennen lernen, die sich mitunter auch im wahren Leben treffen und dort eventuell auch auf ihren Mörder stoßen können. Denn im Internet kann man sein wahres Gesicht noch viel besser verschleiern als in der Wirklichkeit, und so prangert Craig Russell diese Form der Kommunikation an und macht deutlich, welche Gefahren sich dahinter verbergen können. Doch ganz ehrlich: Wem ist das in der heutigen Zeit noch neu? Muss da ein Craig Russell herkommen, um mit dem Zaunpfahl zu wedeln und seinen Lesern bzw. Hörern davon berichten, wie gefährlich das Internet sein kann? Spätestens seit Stephanie zu Guttenbergs Fernsehauftritten dürften die Gefahren des Internets nun hinlänglich bekannt sein.

Bleibt Craig Russells zweites Thema, der Ökoterrorismus. Die Organisation Pharos ist undurchsichtig und stinkt gen Himmel. Wer dort Mitglied werden möchte, muss sich ganz dem Projekt verschreiben und all sein Vermögen der Organisation übergeben. Grundidee des Ganzen ist, dass der Mensch mit seinem Tun immer wieder in die Umwelt eingreift und sie verändert, und das prangert Pharos an und möchte verhindern, dass der Mensch weiterhin die Umwelt mit seinem Wirken zerstört. Doch gleichzeitig befinden sich im Hauptgebäude von Pharos die modernsten Computer, die Jan Fabel bislang gesehen hat. Ist das nicht ein Widerspruch? Sehr merkwürdig auch, dass die Journalistin Meliha, die Pharos ins Visier genommen hat, spurlos verschwunden ist und es scheint, als habe es sie nie gegeben. Jemand hat gründlich hinter ihr aufgeräumt und versucht, ihre Identität auszulöschen. Doch mit viel Glück stehen Fabel und seine Kollegen doch irgendwann in Melihas Wohnung und können dort nach Spuren suchen.

Die Spurensuche ist recht spannend gelungen. Auch dass die Polizei praktisch gleichzeitig in zwei Fällen ermittelt – nämlich dem Network-Killer-Fall und dem Fall der verschwundenen Meliha – ist durchaus gelungen, auch wenn man natürlich früh ahnt, dass beides zusammen hängt und am Ende die Organisation hinter den Morden steht (zu denen sich im Laufe der Geschichte natürlich noch einige hinzugesellen).

Der Spannungsbogen ist daher ganz nett gelungen, auch wenn mir die Grundidee des Buches nicht so zugesagt hat, da ich sie bereits zu abgegriffen finde. Unterstützt wird die Spannung durch David Nathans gelungenen Vortrag, der mit seiner tiefen Stimme und den stets passenden Nuancen immer wieder zu der düsteren Atmosphäre beiträgt. Besonders gelungen fand ich auch die dramatische Musik, die am Ende einiger Kapitel eingespielt wurde und mir dabei immer wieder einen Schauer über den Rücken hat laufen lassen. Die Atmosphäre in diesem Hörbuch ist wirklich hervorragend gelungen, was in erster Linie natürlich David Nathan – der nicht nur als Hörbuchsprecher hinlänglich bekannt ist, sondern vor allem als Synchronsprecher von Johnny Depp oder Christian Bale – zu verdanken ist, der wie immer eine mehr als solide Sprecherleistung abliefert.

Aber zurück zum Inhalt: Durch die parallele Ermittlung in zwei Fällen ist die Geschichte mitunter leider recht verwirrend, da man nicht so recht weiß, worauf alles hinaus laufen soll. Am Ende präsentiert uns Craig Russell eine Auflösung, mit der ich zugegebenermaßen nicht gerechnet habe, die mich allerdings auch nicht vollauf überzeugen konnte. Zwar war alles in sich stimmig, doch empfand ich die Auflösung als etwas zu „platt“.

_Was am Ende übrig bleibt_

Unter dem Strich ist „Tiefenangst“ ein recht solider Thriller, der sich rund um das Internet und eine mysteriöse Umweltorganisation dreht. Spannend wird es, als die Polizei beginnt, der verschwundenen Freundin eines Hamburger Senators nachzuforschen, denn ab dem Moment gibt Craig Russell wohldosiert immer mal wieder neue Hinweise, die zur Aufklärung des Falles beitragen. Dadurch baut sich immer mehr Spannung auf und man wird zum Mitraten animiert. Nichtsdestotrotz konnte mich der Fall nicht wirklich überzeugen, denn als die Polizei beginnt, die verschiedenen Männer zu treffen, mit denen die Opfer des Network-Killers zuletzt Kontakt hatten, franst der Fall etwas aus und wird unübersichtlich. Da verliert man schnell den Faden, gerade bei einem Hörbuch. Auch die Auflösung fand ich nicht vollauf überzeugend. Diesem zwar soliden, aber doch eher mittelmäßigen Fall steht der gelungene Vortrag David Nathans gegenüber, der zusammen mit der leider etwas spärlich eingesetzten dramatischen Musik für eine düstere Atmosphäre sorgt und das Zuhören doch wieder zu einem Genuss macht.

Download-Version mit 7:34 h Spieldauer
Originaltitel: A Fear of Dark Water
www.audible.de

auch erschienen als:

6 Audio-CDs mit 454 Minuten Spieldauer
Sprecher: David Nathan
ISBN-13: 978-3-7857-4464-2
www.luebbe.de

del Toro, Guillermo / Hogan, Chuck – Blut, Das (Lesung)

_Die |The Strain|-Trilogie:_

Band 1: [„Die Saat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5905
Band 2: [„Das Blut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6691
Band 3: „Eternal Night“ (noch ohne dt. Titel)

„Das Blut“, der zweite Teil von Guillermo del Toros und Chuck Hogans Vampirtrilogie, kommt in vielerlei Hinsicht etwas schlanker daher als der Erstling [„Die Saat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5905 – und das bezieht sich nicht nur auf die Seitenzahl. Es gibt weniger Charaktere, weniger Nebensächliches und dafür mehr Fokussierung auf die eigentliche Gefahr und wie man sie denn beseitigen könnte.

Dabei sieht es zu Beginn des Romans eigentlich so aus, als sei die letzte Schlacht schon längst verloren. New York gleicht einer Geisterstadt. Ganze Straßenzüge sind ausgestorben, die Infrastruktur zusammengebrochen. Eigentlich ginge es nun nur noch darum, zu verhindern, dass das vampirische Virus von New York auf den Rest des Landes überspringt. Doch dazu müssten die Behörden Maßnahmen ergreifen. Diese weigern sich allerdings, die Gefahr überhaupt anzuerkennen. Also liegt es weiterhin in den Händen von Ephraim, Setrakian, Nora und dem Kammer- jetzt Vampirjäger Vasiliy, die Menschheit zu retten. Bald jedoch können sie mit Hilfe von unerwarteter Seite rechnen: Nicht nur haben die Alten, eine Gruppe Meistervampire, einen eigenen Vampirjäger angeheuert, der die Seuche in New York eindämmen soll und sich bald mit Ephs Mannen zusammenschließt. Darüber hinaus treten die Alten schließlich selbst an Setrakian heran, der bei Christie’s ein mysteriöses Buch ersteigern will, dem aber naturgemäß das benötigte Kleingeld fehlt.

_Grundsätzlich passiert_ in „Das Blut“ also mehr als in „Die Saat“, denn es wird an mehreren Fronten gleichzeitig gekämpft. Andererseits beleuchtet das Autorenduo ein weiteres Mal die geschichtlichen Hintergründe und folgt Setrakian in dessen Vergangenheit, die von dem fast schon fanatischen Kampf gegen die Blutsauger bestimmt wird. Besonderes Augenmerk wird hier wieder auf die Nazi-Zeit und alte Schergen (Setrakians Gegenspieler ist diesmal nicht der Vampir Sardu selbst, sondern ein alter KZ-Aufseher) gelegt. Das mag auf manchen Leser ermüdend wirken, schließlich ist der Nazi-Bösewicht nicht wirklich eine neue und originelle Erfindung. Andererseits ist diese Zeit schon immer ein wichtiges Thema im Schaffen del Toros gewesen und es ist daher nur logisch, dass er sie auch hier zumindest anschneidet.

Weniger verzeihlich ist da schon die Tatsache, dass auch in „Das Blut“ die Charaktere größtenteils eindimensional sind und kaum eine charakterliche Entwicklung durchmachen. Deren geistiges Innenleben interessiert die beiden Autoren wenig, viel mehr geht es ihnen um die Beschreibung der äußerlichen Katastrophe. Um das nicht allzu deutlich werden zu lassen, wird eine recht uninspirierte Liebesgeschichte zwischen Eph und Nora (der einzigen weiblichen Protagonistin in diesem testosterongeschwängerten Hörbuch) angedeutet und von Zeit zu Zeit darf Eph seinem fürchterlich lieben und verständnisvollen Sohn Zach seine väterliche Liebe gestehen. Gerade dieser Sohn ist ein Schwachpunkt der Geschichte, wohl auch, weil man von del Toro tiefer gehenderes gewohnt ist – man denke nur an Ofelia aus „Pans Labyrinth“, die interessant genug war, um einen ganzen Film zu tragen. Im Gegensatz dazu ist Zach nicht mehr als ein kindliches Abziehbild, das zwar kurzzeitig bocken darf, hauptsächlich jedoch unglaublich erwachsen daherkommt und als Beweis dafür dienen muss, was für ein toller Vater Eph denn doch ist, wenn er nicht gerade die Welt rettet.

Apropos Film: Wie auch schon in „Die Saat“, hat man bei „Das Blut“ den Eindruck, eigentlich einen Film zu sehen und man fragt sich zwangsläufig, warum del Toro sich für ein Buchprojekt anstatt (zum Beispiel) für eine Miniserie entschieden hat. Die szenische Darstellung der Handlung, die auf den größtmöglichen visuellen Effekt abzielt, ruft beim Leser im wahrsten Sinne des Wortes ein Kopfkino hervor (ein Effekt, der durch das Hörbuch noch verstärkt wird) und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, ein besonders umfassend ausformuliertes Drehbuch vor sich zu haben. Das ist auf der einen Seite positiv, da es die Handlung besonders plastisch werden lässt und man sich tatsächlich mittendrin befindet. Andererseits bleibt dabei natürlich für die Fantasie des Lesers kaum noch Spielraum.

Natürlich gibt es – wie im ersten Teil auch – wieder Anspielungen auf bekannte Größen des Genres. So erfährt der Leser beispielsweise, dass Setrakian verheiratet war und dass seine Frau als Vampir endete – in einer Szene, die stark an die weiße Dame aus Stokers [„Dracula“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=210 erinnert.
Und dass das mysteriöse Buch, in dem die Namen der vampirischen Alten verzeichnet sind, an Lovecrafts sagenumwobenes [„Necronomicon“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4521 erinnert, ist sicher auch kein Zufall.

Besonders interessant allerdings, gerade im Hinblick auf die momentanen Ereignisse in Japan, sind del Toros Ideen zum Thema Kernkraft, die hier als Beispiel für die Korrumpierbarkeit der Mächtigen dient. Denn Atomkraftwerke (unter anderem auch Tschernobyl) spielen im Verlauf des Romans eine immer wichtiger werdende Rolle. Nicht nur kann man mit der Explosion eines Atomreaktors einen der Alten erfolgreich ins Jenseits befördern. Viel wichtiger ist, überhaupt erst die Gewalt über ein Atomkraftwerk zu erlangen. Und hier zeigen del Toro und Hogan sehr anschaulich, dass es letztendlich der Mensch ist, der die Werkzeuge zu seiner eigenen Vernichtung in der Hand hält. Denn wie sicher auch immer gebaut wird und welche unwahrscheinlichen Risiken auch mit eingeplant werden, in del Toros Welt wird es immer korrupte Einzelpersonen geben, die den Tod Vieler in Kauf nehmen, wenn sie glauben, dass daraus für sie ein Vorteil erwächst. In dieser Hinsicht ist del Toros Welt natürlich auch unsere Welt. Nicht jeder ist eben so edel und gut wie Ephraim. Nicht jeder wirft sich für das Überleben der Menschheit mutig in die Bresche. Die große Mehrheit tut einfach gar nichts und lässt sich von den Medien (die die Seuche einfach totreden) einlullen. Und dann gibt es ein paar Einzelne, die sich auf die Seite des Siegers schlagen – in dem Fall auf die Seite der Vampire, weil sie sich davon Geld und Macht – und natürlich Unsterblichkeit – erhoffen. Insofern ist „Das Blut“ durchaus entlarvend und legt viele Mechanismen unserer heutigen Welt frei.

_Abschließend sei_ zur Hörbuchversion zu sagen, dass es natürlich zu begrüßen ist, dass man sich für eine ungekürzte Lesung mit einer Spielzeit von stolzen zwölf Stunden entschieden hat. Da die Handlung nun doch an Komplexität gewinnt, mag man sich nicht vorstellen, wo hier zu kürzen wäre. Und dass als Sprecher David Nathan gewonnen wurde, tut ein Übriges für das Hörvergnügen. Nathan ist ein unglaublich routinierter Sprecher (im besten Wortsinne), der den Hörer souverän durch die Handlung führt. Besonders gut gelingt ihm Setrakian, der alte Erzfeind der Vampire. Dass er eben auch ein ambivalenter Charakter ist (ebenso wie sein Vorbild van Helsing in „Dracula“) wird durch Nathans Interpretation noch deutlicher herausgearbeitet. Wen also das backsteinartige Format des Romans schreckt (oder wer eine lange Autofahrt vor sich hat), dem sei das Hörbuch als Alternative ans Herz gelegt.

|Ungekürzte Lesung: 12 Std. 3 Min.
Gelesen von David Nathan|
[www.audible.de]http://www.audible.de

auch erschienen als:

|Gekürzte Lesung: 7 Std.
Gelesen von David Nathan
ISBN 978-3-8371-0425-7|
[Random House Audio]http://www.randomhouse.de/randomhouseaudio/index.jsp