Mosse, Kate – verlorene Labyrinth, Das

Mystik-Thriller: Zeitreise zum Gralshüter

Bei archäologischen Ausgrabungen in einer Höhle im Herzen der süfranzösischen Landschaft Languedoc entdeckt die Engländerin Alice Tanner zwei Skelette und eine labyrinthische Wandmalerei. Der Hauch des Bösen, der über der archäologischen Stätte liegt, weckt dunkle Vorahnungen in ihr. Zudem hat sie das seltsame Gefühl, die eingeritzten Worte verstehen zu können. Als sich die Polizei einschaltet, verstärkt sich Alices Gefühl, dass an dem rätselhaften Ort etwas geschehen ist, das im Verborgenen hätte bleiben sollen. Etwas, das 800 Jahre in die Vergangenheit zurückreicht …

Achthundert Jahre zuvor, ebenfalls im Juli, aber im Jahre des Herrn 1209, erhält die 16 Jahre junge Alaïs von ihrem Vater ein Buch mit fremdartigen Zeichen und Diagrammen, deren schicksalhafte Bedeutung ihr Vater als den wahren Gral bezeichnet – allerdings ist es nur eines von drei solchen Büchern. Sie weiß, dass sie das Geheimnis des Buches hüten muss – um jeden Preis. Verlust, Intrige, Gewalt und Leidenschaft prägen fortan das Leben beider Frauen. Es soll nicht die einzige Verknüpfung ihrer Schicksale bleiben …

Die Autorin

Kate Mosse, eine der Initiatorinnen des Frauen-Literaturpreises „Orange Prize“, arbeitet für Rundfunk und Fernsehen. Für BBC Four moderiert sie eine wöchentliche Sendung, in der Autoren und ihre Bücher vorgestellt werden. Kate Mosse hat zwei Romane und zwei Sachbücher geschrieben, vor ihrer Arbeit für Rundfunk und Fernsehen war sie stellvertretende Intendantin des Chichester Festival Theatre in West Sussex. Sie ist Mitglied der Royal Society of Arts und CBE. Mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt sie in West Sussex und in Carcassonne.

Die Sprecherin

Julia Fischer, geboren 1966 in München, hatte ihre ersten Sprecherinnenrollen schon im Alter von sieben Jahren mit Auftritten beim Bayerischen, Westdeutschen und Hessischen Rundfunk. Neben Theaterengagements und Rollen in diversen Fernsehfilmen moderiert Fischer auch in Hörfunk- und Fernsehsendungen. Zudem ist sie Sprecherin für den Bayerischen Rundfunk und verschiedene Hörbuchproduktionen.

Sie liest eine nach Angaben des Verlags ungekürzte Fassung des Romans. Diese Fassung ist 1379 Minuten lang: 23 Stunden 19 Minuten.

Hintergrund

Der Romanhandlung ist eine lange Einleitung vorangestellt. Darin wird der so genannte Katharer- oder Albigenser-Kreuzzug von 1209 bis 1229 beschrieben, wer daran teilnahm und warum. Unter dem Deckmantel einer Vertreibung von Ketzern eroberten die nordfranzösischen Adligen das Land der Südfranzosen und unterdrückten die dort zuvor herrschende Liberalität in der gesamten Kultur. Der Kreuzzug forderte Zehntausende von Opfern und zwar nicht nur unter den Soldaten, sondern vor allem unter der Zivilbevölkerung. Weil es im ersten Feldzug nicht gelungen war, die Häresie auszurotten, gründete ein neuer Papst (Gregor IX) die Inquisition, welche die bekannten verheerenden Opferzahlen zeitigte und erschütternde Gräueltaten beging. Als letzte Katharerfestung fiel die Zitadelle Montsegur im März 1244. Sie spielt im letzten Viertel des Romans eine zentrale Rolle.

Handlung

Die Engländerin Dr. Alice Tanner, knapp 30, hat sich bei der archäologischen Ausgrabung am Pic de Soularac abgesetzt und erkundet nun auf eigene Faust den felsigen Hang dieses Berges. Die Pyrenäen sind nicht weit entfernt. Eigentlich ist sie ja Dozentin für mittelenglische Literatur in ihrer Heimatstadt Chichester. Sie wurde von Sheila O’Donnell eingeladen, an der Grabung teilzunehmen, während sie auf einen Anwaltstermin in Carcassonne wartet: Sie sollte das Erbe ihrer Tante Grace antreten. Sie ahnt nicht, was auf sie wartet.

Unter einem großen Felsen findet Alice eine alte Scheibenfibel aus Silber und Kupfer. Da fällt der Fels herab, sie kann ausweichen und erblickt den Zugang zu einer Höhle. Statt die Kollegen, allesamt Profis, zu verständigen, drängt etwas Alice, den Tunnel in die Höhle selbst zu erkunden. In einer Kammer an dessen Ende stößt sie auf zwei Skelette. An der Wand ist ein kreisförmiges Labyrinth eingeritzt und davor befindet sich eine Felsplatte wie ein Altar. In einem Lederbeutel bei einem der beiden Gerippe findet Alice einen Steinring, den sie an sich nimmt. Ein weiterer professioneller Fehler.

Plötzlich bekommt Alice Angst. Die Menschen, von denen nur noch die Skelette übrig sind, starben eines gewaltsamen Todes und ein Dolch liegt zwischen ihnen. Auch das Labyrinthmuster verwirrt sie, und als sie glaubt, Schritte zu hören, flüchtet sie vor diesem offenbar verfluchten Ort. Alice leidet seit ihrer Kindheit am Mesnieres’schen Syndrom, bei dem Menschen angesichts eines Labyrinths eine Erfahrung erleben, als ob sie sich außerhalb der Zeit oder in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort befänden. Genau dies passiert Alice später mehrere Male. Sie weiß nicht, warum und was es mit diesem Geistreisen auf sich hat. Kurzum: Alice ist eine sehr ungewöhnliche Frau.

Als sich die Polizei einschaltet, verstärkt sich Alices Gefühl, dass an dem rätselhaften Ort etwas geschehen ist, das im Verborgenen hätte bleiben sollen. Besonders ein Mann namens Paul Authié, seines Zeichens Rechtsanwalt, jagt Alice Angst und Widerwillen ein. Völlig zu Recht. Er will den Ring. Und ständig fragt er sie nach einem Buch, von dem sie keine Ahnung hat.

Carcassonne

In der okzitanischen Stadt Carcassonne schreibt ein alter Mann namens Audric Baillard an einem Buch. Er ist der letzte Zeuge jener schicksalhaften Ereignisse zwischen dem Jahr 1209 und 1244, von denen die zweite Handlungsebene des Romans erzählt. Er erinnert sich an seine Jugendliebe, die schöne Alaïs, deren Lebensweg sie zu eben jener Höhle führte, die Alice Tanner nun entdeckt hat. Audrig, der früher anders hieß, kann sich genau an Alaïs erinnern, als wäre es gestern gewesen. Sein wunderbares Geheimnis wird erst ganz am Schluss gelüftet, als Alice den Weg zu ihm findet.

Achthundert Jahre vor den Ereignissen in der Jetztzeit, ebenfalls im Juli, aber im Jahre des Herrn 1209, erhält die 16 Jahre junge Alaïs von ihrem Vater ein Buch mit fremdartigen Zeichen und Diagrammen, deren schicksalhafte Bedeutung ihr Vater als den wahren Gral bezeichnet – allerdings ist es nur eines von drei solchen Büchern. Sie akzeptiert die Verantwortung, dass sie das Geheimnis des Buches hüten muss – um jeden Preis. Denn sobald alle drei solcher Bücher zusammenkämen und in die falschen Hände fielen, wer weiß, welche Macht dann missbraucht werden könne.

Als der Kreuzzug der Nordfranzosen beginnt und gleich zu Beginn die Bevölkerung der Stadt Beziers am Golf von Lyon massakriert wird, ahnt Alaïs, dass das Buch in Carcasonna eventuell nicht sicher sein könnte. Doch ihr Vater, der Burgverwalter Bertrand Pelletier und rechte Hand des Grafen Raymond-Roger Trencavel, glaubt, dass seine Tochter und sein ihm anvertrauter Schatz, die drei Bücher des Grals, in der Burg von Carcasonna sicher seien.

Das erweist sich als schwerer und folgenreicher Irrtum. Denn innerhalb der Burg, in seiner nächsten Nähe, befindet sich ein Mensch, der keine Skrupel kennt, wenn es darum geht, an die Bücher des Grals heranzukommen. Und diese Person bedient sich sogar des Gemahls von Alaïs, Guyème,

Chartres

In Chartres, der Schwesterstadt von Alices Heimat Chichester, findet im Juli 2005 ein blutiges Ritual statt. In einer Kammer stehen Kapuzenmänner um einen Altar, vor welchem sich einerseits ein Labyrinthmuster und andererseits ein demütig kniender Mann befindet. Eine stolze Frau namens Marie-Cécile de l’Orador leitet die Zeremonie der Noblesso véritable. Der Kniende wird das Ritual nicht überleben. Er ist ein Verräter.

Leseprobe

Montag, 4. Juli 2005

Ein dünner Blutfaden läuft die blasse Innenseite ihres Arms wie ein roter Saum auf einem weißen Armel hinunter.

Zuerst hält Alice es für eine Fliege und achtet nicht weiter darauf. Insekten gehören zum Berufsrisiko bei einer Ausgrabung, und aus unerfindlichen Gründen sind weiter oben auf dem Berg, wo sie arbeitet, mehr Fliegen als unten an der Hauptausgrabungsstätte. Dann fällt ihr ein Tropfen Blut auf das nackte Bein und zerspritzt wie ein Feuerwerkskörper am nächtlichen Silvesterhimmel.

Diesmal schaut sie auf ihren Arm und sieht, dass der Schnitt innen am Ellbogen wieder aufgegangen ist. Es ist eine tiefe Wunde, die einfach nicht heilen will. Sie seufzt, drückt dann das Pflaster mit dem Mull darunter fester auf die Haut. Dann, da keiner da ist, der es sehen konnte, leckt sie sich das Blut vom Handgelenk.

Einzelne Haarsträhnen, die die hellbraune Farbe von Karamell haben, sind aus dem Pferdeschwanz unter ihrer Mütze gerutscht. Sie streicht sie sich hinter die Ohren und wischt sich mit einem Taschentuch über die Stirn, ehe sie das Gummiband ihres Pferdeschwanzes wieder festzieht.

Aus ihrer Konzentration gerissen, steht Alice auf und streckt die Hand aus …

Mein Eindruck

Ich habe mich ein wenig auf Kate Mosses umfangreicher und informativer Webseite http://www.mosselabyrinth.co.uk umgesehen. Dort finden sich nicht nur die Hintergründe zum Buch, sondern auch eine hilfreiche Figurenliste mit Erklärungen. Außerdem gibt es jede Menge lobende Pressestimmen und ein aufschlussreiches Interview mit der Autorin. Dieses ist auch auf den deutschen Webseiten von audible.de (Audiobook für Download) und droemer.de (Buch) nachzulesen.

Zunächst wollte sie eigentlich einen Roman über die Wurzeln der Gralslegende im alten Ägypten schreiben, aber etwas kam ihr in die Quere: Das war ihre Liebe zu ihrem zweiten Wohnsitz Carcassonne. Während das alte Ägypten immer wieder in der Hintergrund-Story über das geheime Gralswissen in den drei Büchern aufblitzt, spielt Carcassonne als Widerstandszentrum während des Albigenerkreuzzugs eine ganz zentrale Rolle. Mosse lässt die Stadt sowohl im Jahr 1209, in dem Alaïs Dumas lebt, als auch im Jahr 2005, in dem Alice Tanner lebt, vor unserem geistigen Auge lebendig werden.

Dies gelingt allerdings ein wenig zu gut. Obwohl sie beteuert, sie habe den Roman massiv gekürzt und dabei auf lieb gewonnene Figuren und Szenen verzichtet (natürlich blutenden Herzens), sind doch noch jede Menge Längen übrig geblieben, durch die sich der Leser und vor allem der Hörer hindurchkämpfen muss. Und nicht jede Szene ist so aufregend, dass sie man davon gefesselt ist. Beschreibungen von Naturszenerien und Kemenateninventar sind zwar „realistisch“, reißen aber nicht gerade vom Hocker. Bei der frühen Szene, in der Alaïs beim Kräutersammeln die Wasserleiche findet, wurde ich regelrecht ungeduldig.

Was ist der Gral?

Der Leser sucht sein Heil instinktiv in dem mystisch-historischen Thriller um den Gral. Und eine Weile sieht es so aus, als könnte diese Story das voluminöse Werk tragen. Aber es gibt eine Menge Stolpersteine. Der wichtigste davon besteht darin, zu begreifen, woraus der Gral besteht und wo er bzw. seine Komponenten sich im jeweiligen Moment befinden, um so eine Relevanz für die Gesamtstory zu erhalten.

Der Gral besteht offenbar aus drei alten „Büchern“, die man sich als kleine in Holz gebundene Pergamente vorzustellen hat, welche sich relativ leicht verbergen lassen. Eines davon näht Alaïs in ihren Wintermantel ein; es kann also weder groß noch schwer sein. Verblüffend ist die Tatsache, dass es drei Bücher gibt: das „Buch der Arzneien“, das „Buch der Wörter“ und das „Buch der Zahlen“. Das Labyrinth spielt darin stets eine zentrale Rolle. Marie-Céline hat zwei dieser Bücher anno 2005 und vermutet das dritte im Besitz von Alice Tanner. Sie braucht – genau wie 1209 Orianne – alle drei Bücher, um die Gralszeremonie ausführen zu können.

Was kann der Gral?

Worin dieses Ritual besteht und was es bezweckt, ist ebenfalls eine spannende Frage. Leider erscheint es erst im letzten Drittel als von hoher Bedeutung. Denn dann steuern sowohl die Handlung um Alaïs als auch um Alice ihrem jeweiligen Höhepunkt in der Höhle zu, die am Anfang steht: Der Roman ist ein Rondo. Und wenn erst einmal klar wird, was es mit Audric Baillard auf sich hat, klärt sich die Frage, warum sowohl Orianne als auch Marie-Céline so wild darauf sind, das Ritual auszuführen: Es bzw. das Erscheinen des Grals macht potenziell unsterblich. Sicherlich lohnt es sich dafür, über Leichen zu gehen, oder?

Verwirrung

Der Umstand, der nun bei den Lesern Verwirrung stiftet, ist die Frage, welche Komponenten (3 Bücher oder mehr?) zum Gral gehören, welche Symbole die jeweiligen Gralshüter ausweisen (die Rede ist von Steinringen und Labyrinthen und einem rätselhaften Mirel oder Merel). Das alles ist ein solches Hin und Her und Brimborium, dass einem die Lust vergeht, sich das alles im Detail zu merken. Noch nach 300 Seiten, also etlichen Kapiteln, war es einer Amazon-Leserin nicht klar, worauf das Ganze hinauslaufen sollte.

Das letzte Drittel spielt rund 35 Jahre nach der Haupthandlung. Die letzte Katharerfestung Montségur fällt in die Hände der Inquisition und ihrer Truppen, ebenso Alaïs und ihre Tochter. Sie hat den Gral bei sich bzw. das dritte Buch. Spannend wird’s, als sich der Leser fragt, ob Alaïs entkommen und der Gral gerettet werden wird. Können die Katharer ihren Schatz vor dem Zugriff des Papstes bewahren? Doch die Truppen und vor allem Orianne, Alaïs’ Erzfeindin, rücken ihnen ziemlich auf die Pelle. Dieser Teil erscheint ein wenig angehängt. Aber er erweist sich als folgerichtige und integrale Fortsetzung des Hauptteils.

Mystik

Hinzu kommen die seltsamen mystischen Erlebnisse von Alaïs und ihrem Pendant Alice. Alice hat eine ungewöhnliche seelische Konstitution (s. o.), die sie ab und zu im Traum eine Flammenwand und einen Waldpfad sehen lässt. Diese Geistreise ist offenbar auch eine Zeitreise ins Jahr 1209. Alaïs hat diese Zeitreisevision viel seltener, aber angesichts der schrecklichen Zukunft, die ihr und ihrer Tochter bevorsteht, sind die Horrorvisionen kein Wunder. Dennoch fragt sich der heutige Leser, wie sich solche Gesichte begründen lassen. Die Frauen benutzen keine psychotropen Substanzen wie etwa Pilze, wie sie gewisse Schmanen, oder die Tollkirsche, wie sie mittelalterliche Kräuterfrauen einzunehmen pflegten. Ein klarer Fall für „Akte X“.

Meriten

Es gibt allerdings ein unleugbares Verdienst der Autorin: Sie schildert in den Katharern eine mittelalterliche Gesellschaft, die ihre Frauen nicht unterdrückte und nicht als Menschen zweiter Klasse behandelte. Im Gegenteil. Frauen durften nicht nur ohne weiteres Medizinerinnen und Kriegerinnen sein, sondern sogar – besonders im Alter – auch Priesterinnen. Das sollte es erst wieder im 20. Jahrhundert geben, wie die Autorin nicht versäumt, deutlich zu machen. „Als die Franzosen im Süden Frankreichs einmarschierten, wurden die Lebensbedingungen der Frauen um Aberhunderte von Jahren zurückversetzt.“

Auch die Toleranz gegenüber Juden und Sarazenen, also Muslimen, wird im Buch herausgestellt, wohingegen die Papsttruppen eine hirnlose Intoleranz praktizieren. Mehr als eine Million Katharer wurden als „heretici“, also Ketzer, getötet, darunter Frauen und Babys. Dieser Aspekt des Buches kommentiert indirekt das erneute Aufkommen des religiösen Fundamentalismus. „Die Sprache der Kreuzzüge wird wieder einmal verwendet, sei es von Präsident Bush, der religiösen Rechten oder von fundamentalistischen Islamisten- oder Judengruppen“, sagt die Autorin. „Militante Religionen aller Art erleben eine Wiedergeburt.“

Die Sprecherin

Julia Fischer hat eine sehr angenehm klingende Stimme mit einem warmen, nicht zu hohen Timbre. Besonders auffällig ist das kehlig rollende R, das sie benutzt. Es macht ihren Vortrag besonders sinnlich, was der weiblichen Leser- und Zuhörerschaft sehr entgegenkommen dürfte. Die meisten Figuren sind sowieso weiblich und mit nur zwei Ausnahmen handelt es sich um angenehme Frauenzimmer. Diese zwei Ausnahmen sind natürlich Oriane und Marie-Celèste, zwei gierige Dominas, wie sie im Buch stehen. An ihnen erweist sich die Qualität der Sprecherin, und meistens gelingt es ihr, sie glaubwürdig klingen zu lassen.

Etwas ganz anderes sind natürlich die Männer. Natürlich reden sowohl die Guten wie auch die Bösewichte mit unrealistisch hohen Stimmen, aber das lässt sich selbstverständlich nicht ändern. Die Sprecherin bemüht sich hörbar, dafür ihre Tonhöhe zu senken, etwas härter zu artikulieren und langsamer, aber autoritärer zu sprechen.

Vielsprachig

Bewunderung ringt uns die Sprecherin ab, wenn sie sowohl Französisch, Englisch als auch Okzitanisch fehlerfrei aussspricht. Das ist eine beachtliche Leistung. Leider bin ich des Okzitanischen nicht mächtig, kann also die Korrektheit dieser Aussprache nicht beurteilen, aber wenigstens das Französische und Englische klingen einwandfrei. Das Okzitanische klingt übrigens wie ein Mittelding aus Italienisch, katalanischem Spanisch und mittelalterlichem Französisch. Tatsächlich ist es verwandt mit Provenzalisch und Katalanisch. So heißt es statt „père“ für ‚Vater‘ im Okzitanischen „peire“, wobei das >eiai< ausgesprochen wird. Wie es in der Einleitung heißt, erlebt das Okzitanische, die Langue d’Oc, seit Mitte des 20. Jahrhunderts eine Wiedergeburt.

An einer Stelle habe ich aber Zweifel, ob die Aussprache korrekt ist. Der Nachname Audric Baillard sollte eigentlich "bajahr" ausgesprochen werden, doch Fischer sagt stets "bejahr". Der einzige andere Fehler, denn Fischer macht, ist die falsche Betonung von Wörtern in einem Satz. Wenn zum Beispiel ein Du – statt eines anderen denkbaren Angesprochenen – hervorgehoben werden müsste, so erfolgt dies nicht und die von der Autorin im Text vielleicht kursiv hervorgehobene Betonung ist nicht zu hören. Der Fehler tritt mehrmals auf, ist aber nicht schlimm.

Fehler auf der CD-Fassung

Was mich zunächst gewundert, dann aber zunehmend gestört und schließlich geärgert hat, war ein vernehmliches Knacksen in der Aufnahme. Das Knackgeräusch fehlt aber im Audiobook von Audible.de. Es lag also nicht am Mikrofon (was extrem peinlich wäre). Ich kann es mir daher nur so erklären, dass das Störgeräusch beim CD-Produktionsprozess, für den exklusiv der Argon-Verlag verantwortlich zeichnet, entstanden ist. Besonders die CD 19 in meinem Exemplar des Hörbuchs ist geradezu gespickt mit dem Störfehler und verhindert den Genuss des Vortrags.

Unterm Strich

Der Roman funktioniert am besten als historischer Mystikthriller, der zufällig eine zweite Handlung besitzt, die in der Gegenwart spielt. Und da die vier Hauptfiguren – sowohl auf Seiten des Guten wie des Bösen – allesamt weiblich sind, richtet sich das Buch in erster Linie an Frauen. Frauen werden sich von dem menschlichen Drama, der Parapsychologie bzw Esoterik und von den erotischen Stellen gleichermaßen angezogen fühlen. Die historischen Geschehnisse sind quasi notwendiges Beiwerk, das aber so mache Leserin als kostenlose Geschichtsstunde willkommen heißen könnte.

Allerdings stehen mehrere Elemente und Aspekte dem leichten Verständnis und der hindernislosen Unterhaltung entgegen. Dazu gehört vor allem alles, was den Gral anbelangt: jede Menge verwirrendes Brimborium. Dass der Gral kein Kelch ist wie in den späteren Parsifal-Epen von Chretien de Troyes oder Wolfram von Eschenbach (Audric Baillard liefert dazu detaillierte Informationen), erfordert ebenfalls ein gewisses Umdenken.

Das Hörbuch

Dass ein Hörbuch 23 Stunden dauert, halte ich für ein Unding. Es ist eine Zumutung, einen solchen Schmöker ungekürzt zu lassen. Die oben genannten Längen hätten eliminiert werden können und müssen. Die geübte Sprecherin tut ihr Bestes, aber nicht immer fehlerfrei.

Dass das Hörbuch rein technisch nicht einwandfrei ist, ist nicht hinzunehmen. Ein Ersatzexemplar, das ich angefordert habe, ist bis heute nicht eingetroffen, obwohl es mir zugesagt wurde. Daher bleibt mir nichts anderes übrig, als diesen Mangel in die Gesamtwertung der CD-Fassung einfließen zu lassen.

Dieser Abzug trifft natürlich NICHT das Download-Audiobook von Audible.de, das – je nach Bitrate und korrelierender Soundqualität – in einwandfreiem Zustand zu hören ist.

23 Stunden 15 Minuten auf 20 CDs
Originaltitel: Labyrinth, 2005
Aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

[Unsere Rezension zur Buchfassung 1650
Das Hörbuch gibt es zum Download unter http://www.audible.de.

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