Max Allan Collins – CSI Las Vegas: Tod im Eis

Das geschieht:

„Never change a winning team“, lautet eine alte Binsenweisheit, die sich dieses Mal jedoch nicht verwirklichen lässt. Die bewährte Nachtschicht-Besatzung des „Crime Scene Investigation” (CSI) Las Vegas muss dieses Mal getrennt arbeiten, d. h. Tatorte sichern und meist quasi unsichtbare oder sogar unmögliche Spuren untersuchen. Gil Grissom, der Chef, und seine Kollegin Sara Sidle nehmen an einer Konferenz im fernen und winterlichen Bundesstaat New York teil.

Zurück bleiben Grissoms Stellvertreterin Catherine Willows und ihre Mitarbeiter Warrick Brown und Nick Stokes. Sie werden mit einem seltsamen Leichenfund konfrontiert: Weit außerhalb von Las Vegas wurde in der Wüste eine tote Frau gefunden. Der Mörder hat sich viel Mühe gegeben, die Spuren seiner Untat zu vertuschen: Sorgfältig hat er die Leiche eingefroren und sich nun erst ihrer entledigt.

Wer ist die Unbekannte? Wie lange ist sie tot? Warum wurde sie buchstäblich auf Eis gelegt? Die gewitzten CSI-Ermittler plus Detective Jim Brass klären die ersten Fragen rasch, scheitern jedoch zunächst an der dritten. Der Ehemann der Verblichenen scheint glaubhaft verzweifelt, die besten Freunde sind entsetzt, Feinde gibt es angeblich nicht. Eine verfahrene Situation, die Willows & Co. zusätzlich anspornt.

Derweil entwickelt sich der Forensiker-Kongress zum Fiasko. Er findet in einem einsamen Hotel in den Bergen statt, das durch einen Schneesturm von der Außenwelt abgeschnitten wird. Während eines Spaziergangs stoßen Grissom und Sidle auf eine noch brennende Leiche. Der Täter muss unter den Gästen des Hotels zu finden sein. Jede/r ist verdächtig – und das CSI-Duo steht ohne seine Hightech-Instrumente in der Wildnis. Grissom muss improvisieren, ein Wettlauf gegen die Zeit setzt ein, denn die wenigen Spuren drohen unter einer tiefen Schneedecke zu verschwinden …

Der Traum vom perfekten Ermittler

Natürlich arbeiten sie nach einer Masche: Die Untat ist bizarr, rätselhaft, nicht aufzulösen. Eigentlich sind es sogar zwei Morde, denn um des Fernsehzuschauers Aufmerksamkeit zu fesseln, bedarf es vieler faszinierender Bilder. Also treten die Frauen und Männer des CSI-Teams in wechselnder Besetzung gegen das Böse an. Bis sie es aufdecken können, verrennen sie sich in manche Sackgasse, grübeln heftig, beschimpfen einander und muntern sich wieder auf, improvisieren, setzen staunenswerte Geräte in Gang, die Mörder-DNA noch auf dem unrasierten Hinterbein eines Sumpfmoskitos feststellen können.

Was sich im Fernsehen spektakulär bewährt hat – „CSI Las Vegas“ fährt seit Jahren Traumquoten ein und hatte zwischenzeitlich zwei ‚Ablegerserien“ – wirft auch Max Allan Collins klugerweise nicht über den Haufen. „Tod im Eis“ ist ein „Roman zur TV-Serie“, spricht also jenen Teil des Publikums an, das nicht genug von seinen Helden bekommen kann und des Lesens willens bzw. mächtig ist.

Viel Spielraum lässt das dem Schriftsteller nicht; kein Wunder, dass die meisten Filmromane dürftig in Worte gefassten Drehbüchern gleichen. Collins gibt sich mehr Mühe, er hat sogar Ehrgeiz: „Tod im Eis“ ist ein Titel, der zwei Handlungsstränge beschreibt, obwohl der eine in der Wüste, der andere in einer Winterlandschaft spielt. Die Parallelen sind da, Collins arbeitet sie heraus und spielt mit ihnen.

Ansonsten hält er die Fäden routiniert in der Hand. Immer wieder scheint alles klar zu sein, bevor die Ereignisse neuerlich Haken schlagen. Der Täter oder die Täterin ist nach guter alter Sitte stets der oder die garantiert unverdächtigste Person. Wir wissen das, aber Collins schafft es wie seine TV-Kollegen trotzdem, uns zu verblüffen. Was wollen wir von einem ausschließlich zur schnellen Unterhaltung geschaffenen Krimi mehr verlangen?

Fast eine Familie

Wir kennen sie aus dem Fernsehen, wo ihnen fähige, wenig bekannte und daher umso überzeugender in ihren Rollen wirkende Schauspieler Gesicht und Gestalt verleihen. Gil Grissom ist der zweifellos geniale aber in seinem Privatleben fast autistische Anführer eines entschlossenen Rudels mit- und manchmal gegeneinander wetteifernder Ermittler.

Der Einsatz, den die Beteiligten zeigen, ist beinahe übermenschlich. Unbezahlte Überstunden werden im Dienst der Gerechtigkeit gern geschoben. Genauso wichtig ist freilich der Ehrgeiz, aus einem Nichts von Spuren einen komplexen Fall zu rekonstruieren. Dieser Arbeit werden alle persönlichen Bedürfnisse weitgehend untergeordnet.

Zwar erwähnt Collins Warrick Browns stets lauernde Spielsucht, Catherine Willows‘ Überforderung als allein erziehende Mutter, Sara Sidles vergebliche Werbung um den spröden Grissom. Das sind jedoch primär auf TV-Niveau zurechtgeschneiderte Emotionen, die den Darstellern Persönlichkeit verleihen sollen, ohne dafür allzu viel Zeit der eigentlichen Handlung opfern zu müssen. Wenn‘s aus Gründen der Dramatik nötig ist, wird Brown eben wieder spielen, Willows ihr chaotisches Familienleben beklagen, Sidle frustriert dem (gefühls-) tauben Grissom hinterherrennen.

Dennoch haben wir sie ins Herz geschlossen, die schlauen aber nicht perfekten CSI-Schnüffler. Glücklicherweise hat sich ein talentierter Autor ihrer angenommen. Romane zu Kinofilmen oder Fernsehserien sind normalerweise billig produzierte Abfallprodukte. Auch „Tod im Eis“ ist keine große Literatur, aber Max Allan Collins ist ein guter Fang: ein Profi, der im Krimi-Genre Großes geleistet hat und sich nicht zu schade für einen (gut entlohnten) Buchmarkt-Schnellschuss ist.

Collins weiß, worauf es ankommt: CSI-typisch sind höchst verwickelte Fälle, die unter Einsatz modernster wissenschaftlicher Erkenntnisse und Science Fiction-Technik (scheinbar) logisch gelöst werden. Genauso wichtig ist es, den aus dem Fernsehen bekannten „Ton“ zu treffen. Grissom & Co. müssen sich so verhalten, wie wir sie wöchentlich sehen und hören, sonst platzt die Illusion, wird das Buch nicht gelesen. Collins gelingt dieses gar nicht so einfache Kunststück. „Tod im Eis“ könnte die Nacherzählung einer TV-Episode sein; vor dem geistigen Auge kann man die bekannten Gestalten regelrecht schauspielern sehen.

Autor

Max Allan Collins wurde 1948 in Muscatine, US-Staat Iowa, geboren. Er entwickelte als Kind ein ausgeprägtes Interesse an Comics, entdeckte aber auch generell seine Liebe zur Populärkultur: zum Thriller, zur Musik, zum Fernsehen und zum Film. In den ersten beiden Jahren als Student arbeitete Collins als Reporter. Ab 1971 unterrichtete er Englisch an einem College. 1977 gab er dies auf und etablierte sich als freier Schriftsteller. Sechs Jahre zuvor hatte er seinen ersten Roman verkaufen können: „Bait Money“ (dt. „Köder für Nolan“) wurde zugleich das Debüt seines ersten Serienhelden Nolan, der als professioneller Dieb ständig mit der Polizei wie mit der Unterwelt in Konflikt gerät.

1975 schuf Collins seine bisher bekannteste und erfolgreichste Figur. Ursprünglich war der Privatdetektiv Nathan Heller als Held einer Comic-Serie geplant, die jedoch ihre Premiere nicht erlebte. Die aufwändigen Recherchen versetzten den Schriftsteller in die Lage, Heller 1983 mit „True Detective“ (dt. „Chicago 1933“) einen ebenso voluminösen wie eindrucksvollen ersten Auftritt zu verschaffen. Wie selten zuvor im Genre gelang Collins die Einbettung des klassischen Schnüfflers in das historische Umfeld der frühen 1930er Jahre.

Im Comic-Bereich feierte Collins erste Erfolge als Texter für den Klassiker „Dick Tracy“, der seit 1931 läuft. Collins führte die Serie an ihre Ursprünge zurück und zu neuem Ansehen. Er textete auch für „Batman“ und schuf mit dem Zeichner Terry Beatty die erfolgreiche Comic-Serie „Ms. Tree“ um eine weibliche Privatdetektivin.

1990 entdeckte Collins ein neues Betätigungsfeld: Als Dick-Tracy-Spezialist wurde er engagiert, das Buch zum Film von und mit Warren Beatty zu verfassen. Auch zwei Fortsetzungen flossen aus seiner Feder. Seitdem schreibt Collins immer wieder „tie-ins“ – u. a. für alle „CSI“-TV-Serien –, die durch ihre sorgfältige Machart und ihre Lesbarkeit auffallen.

Gebunden: 303 Seiten
Originaltitel: Crime Scene Investigation – Cold Burn (New York : Pocket Books 2003)
Übersetzung: Frauke Meier

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