Dan Simmons – Das Schlangenhaupt

Packender und bewegender Thriller

Dr. Darwin Minor ist als Spezialist für die Rekonstruktion von Unfallursachen im südlichen Kalifornien tätig. Als Gutachter wirkt er an der Aufdeckung von Versicherungsbetrügereien mit. Als er nach einem Einsatz nach Hause fährt, wird er von zwei russischen Killern verfolgt, die ihn bei 250 km/h auf einem Interstate Highway töten wollen. Das Ergebnis sind ein fliegender Mercedes und zwei tote Russen.

Nach diesem Zwischenfall wird eine Sonderkommission gebildet, in der Darwin mit der Chefermittlerin des Generalstaatsanwalts Sydney Olson gemeinsam ermittelt. Die beiden sind einem Versicherungsbetrug gigantischen Ausmaßes auf der Spur, der in höchste Kreise führt und bei dem Menschenleben bedeutungslos sind. (Verlagsinfo)

Der Autor

Dan Simmons, 1948 in Peoria im US-Bundesstaat Illinois geboren, ist bekannt geworden mit dem Horror-Roman „Sommer der Nacht“, der auch für „A Winter Haunting“ den Hintergrund bildet. Beide Romane sind in dem Buch „Elms Haven“ vereint. Noch erfolgreicher wurde er allerdings mit Science Fiction-Romanen: „Hyperion“ und Hyperions Sturz“ sowie „Endymion“ und „Endymion – Die Auferstehung“ fanden ein großes Publikum. Diese Tradition setzte er im Herbst 2003 mit seinem Roman „Ilium“ fort, in dem griechische Götter eine wichtige Rolle spielen. (Die Fortsetzung trägt den Titel „Olympos“.)

Außerdem ist Dan Simmons ein Verfasser exzellenter Kriminalthriller und Kurzgeschichten (z.B. „Styx“ bei Heyne oder „Lovedeath“ bei Festa). Mit „Eiskalt erwischt“ hat er eine Krimireihe um den „gefallenen“ Privatdetektiv Joe Kurtz gestartet, die mit „Bitterkalt“ und „Kalt wie Stahl“ fortgesetzt wurde.

Dan Simmons‘ erster Roman „Göttin des Todes“ (Carrion Comfort) wurde mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet (siehe dazu meinen Bericht). Weitere Horror-Romane und zahlreiche –Stories folgten. Für seine Science Fiction-Romane um die Welten Hyperion und Endymion wurden mit Preisen überhäuft. Sein Mainstream-Roman „The Terror“ wurde fürs Fernsehen verfilmt.

In den letzten Jahren hat sich Simmons dem Mainstream angenähert. „Fiesta in Havanna“ erzählt von Hemingways Spionageabenteuern auf Kuba, und „Darwin’s Blade“ ist ein waschechter Kriminalthriller.

Simmons lebt in Colorado in dem Ort Windwalker in einem Haus namens „Shrike Hill“. „Shrike“ heißt das Monster in den „Hyperion“-Romanen…

Handlung

Dr. Darwin Minor ist ein ehemaliger Scharfschütze, der jedoch Feuerwaffen hasst. Er hat eine stoische Philosophie, liebt aber schöne Autos und Designermöbel. Sein Job besteht in der Untersuchung von Autounfällen auf Versicherungsbetrug. Er arbeitet mit einer entsprechenden Firma zusammen, die von San Diego aus in ganz Südkalifornien besorgt die drastische Zunahme von Versicherungsbetrugsfällen registriert. Steckt jemand dahinter, fragt sich Klein-Darwin.

Der erste Fall

Schon sein erster Fall ist so grotesk, dass der Leser Darwin bewundert, wie er auf die einzige wahrscheinliche Möglichkeit schließt, wie sich das Unglück abgespielt haben muss: Ein junger Mann hatte zwei Raketenmotoren an sein Auto montiert, war damit abgehoben und in eine Felswand gerast. Schon jetzt wird klar, dass Dar ziemlich methodisch arbeitet – etwa mit Computerzeichenprogrammen – und sich selbst von noch so irrsinnigen Umständen nicht irritieren lässt.

Der Gegner

Auf der Autobahn versucht ihn ein Killer aus einem schwarzen Mercedes heraus zu erschießen. Mit einem erstaunlichen Manöver rettet Dar sein Leben, aber sein japanischer Sportwagen weist jetzt eklige Löcher in der Karosserie auf. Wütend nimmt Dar die Verfolgung der Killer auf und jagt sie durch halb San Diego bis hinauf in die Berge. Mittlerweile ist bereits die halbe Autobahnpolizei hinter ihm her, weil er mit 260 Sachen über die Piste brettert. Auch ein TV-Helikopter zeigt sich neugierig.

Auf einem Bergpass kommt es zu einem spektakulären Crash, als Dar die Killer abdrängt, diese durch ein Rasthaus von Bikern pflügen und zu einem spektakulären Abflug in die Schlucht dahinter abheben. Wobei sie fast noch den Heli mitnehmen. Die Biker sind entzückt, die Bullen weniger. Sie buchten Dar kurzerhand ein.

Die Frau

Bei der Verhandlung lernt er die Chefermittlerin des Staatsanwalts kennen. Sydney Olson ermittelt in Sachen Versicherungsbetrug und hat das FBI bereits eingeschaltet. Von Dars Fähigkeiten beeindruckt, will sie auch ihn rekrutieren. Dar gibt ihr einen Korb. Als wenig später ein Scharfschütze seinen Kopf nur um Haaresbreite verfehlt, kommen ihm Zweifel. Doch erst als er Zeuge eines misslungenen Autounfalls wird, der einem Versicherungsbetrug dienen sollte, aber zwei Kinder und ihre Mutter das Leben kostet, erklärt er sich zur Kooperation mit Syd bereit.

Showdown

Er weiß inzwischen, dass eine hochgestellte und durch das Fernsehen landesweite Persönlichkeit mit russischen Killern daran arbeitet, das Betrugsgeschäft in den westlichen USA an sich zu reißen. Doch erstens gibt es einen Verräter in Syds Team und zweitens muss Dar erst noch die russischen Ex-Mafiosi und Ex-Soldaten ausschalten. Es kommt zu einem aberwitzigen Luftkampf am Mount Palomar (wo das Observatorium steht), in dem es ein Segelflugzeug mit einem bewaffneten Helikopter aufnimmt, und zu einem furiosen Finale, in dem sich Dars Scharfschützenkünste bewähren müssen…

Mein Eindruck

„Das Schlangenhaupt“ ist ein waschechter, aber sehr ironischer Kriminalthriller mit einem ungewöhnlichen „Helden“, der sich ungewollt mit einem Ring von Versicherungsbetrügern angelegt hat. Der Erzählton schwankt zwischen ironisch, makaber und nüchtern. Bis auf eine langsame Passage im zweiten Viertel ist das Tempo rasant, und die Zweikämpfe hatte ich so noch nie gelesen!

Die Hauptfigur

Dieses Buch war für mich vor allem deshalb so befriedigend zu lesen, weil die Hauptfigur Darwin Minor eine Entwicklung durchmacht. Der Hauptfaktor dafür ist seine Liebe zu Sydney, der Chefermittlerin. Dar ist zu Beginn geradezu verbittert, nachdem seine geliebte Frau Barbara und sein Sohn bei einem Flugzeugabsturz umgekommen waren. In zehn Jahren hat sich Dar seitdem eine stoische Philosophie als Schutzpanzer zugelegt. Außerdem mag er die Spartaner und glaubt an die unausrottbare Dummheit der Menschen (wofür er jede Menge Beweise findet).

Erst die Liebe zu Syd und der Kampf darum, sie zu behalten, lassen ihn erkennen, wie sinnlos sein Stoizismus ist. Dummheit wird zwar nie enden, denn „selbst Götter kämpfen dagegen vergebens“ (Schiller). Doch nun hat er wenigstens wieder Hoffnung, dass er Liebe findet und eine Zukunft. Dar bleibt eine der ungewöhnlichsten Figuren der Krimiliteratur.

Action

Die Zweikämpfe in diesem Thriller sind spektakulär und sowohl kaltblütig bis aufs Blut ausgetragen als auch makaber und komisch wie so vieles in diesem Roman. Wenn der Wagen der Killer zu seinem finalen Flug abhebt, so ist dies grandios, komisch, aber eigentlich schrecklich. Fast genauso verläuft der Zweikampf zwischen Segelflieger und Heli, doch dabei erweist sich Sydney als entscheidender Faktor, der den Sieg bringt.

Die Konfrontation zwischen den russischen und dem amerikanischen Scharfschützen wird in ihrer fast mythischen Dimension erst verständlich, nachdem Dar Sydney von Vietnam erzählt hat. 1974 verteidigten vier Scharfschützen den einzigen südvietnamesischen Atomreaktor gegen mehrere Panzerbataillone der Vietcong und der nordvietnamesischen Armee, bis sie gerettet wurden. So wird klar, über welche Macht Scharfschützen verfügen und auf welche Weise sie kämpfen: als Einzelkämpfer, mit nur einem Assistenten. Dar ist daher die Samurai- und Spartaner-Mentalität recht nahe. Doch das reicht nicht, um Syds Leben zu retten…

Unterm Strich

„Das Schlangenhaupt“ – ein recht unsinniger Titel mit einem noch verwirrenderen Titelbild – ist ein guter, stellenweise absolut fesselnder und beeindruckender Thriller, wie man ihn so schnell nicht wieder lesen oder gar vergessen können wird.

Taschenbuch: 477 Seiten
Originaltitel: Darwin’s Blade, 2000;
Aus dem Englischen von Jörn Ingwersen
ISBN-13: 9783442451050

www.randomhouse.de

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