James Patterson & Maxine Paetro – Todesbote

Katz-und-Maus-Spiel mit vertauschten Rollen

Als der Journalist Ben Hawkins sich auf der Fährte des verschwundenen Fotomodells Kim McDaniels nach Hawaii aufmacht, rechnet er höchstens mit einer lauwarmen Story für die Klatschspalte und einem spesenfinanzierten Kurzurlaub.

Doch spätestens als Kims grauenvoll entstellte Leiche gefunden wird, ist ihm klar, dass ihn alles andere erwartet als langweilige Routine. Zumal der Serienkiller, auf den die Polizei bald Jagd macht, gerade an Ben ein besonderes Interesse zu zeigen scheint… (Verlagsinfo)

Die Autoren

James Patterson, ehemaliger Besitzer einer Werbeagentur, ist der Autor von fünfzehn Nummer-1-Bestsellern (inklusive diesem Buch). Allerdings sind es vor allem seine Alex-Cross-Thriller, die den Leser berühren. Folglich war Alex Cross bereits zweimal im Film zu sehen: „Im Netz der Spinne“ und „…denn zum Küssen sind sie da“ wurden beide erfolgreich mit Morgan Freeman in der Hauptrolle verfilmt. Für Einsteiger sei gesagt, dass Alex Cross ein sympathischer schwarzer Polizeipsychologe ist, der mit seiner Familie in Washington, D.C., lebt.

Patterson ist extrem fleißig. Sein letzter Solo-Roman hieß „The Lake House“, doch inzwischen wurde auch „Sam’s Letter to Jennifer“ veröffentlicht, das ähnlich aufgebaut ist wie der „tearjerker“ „Briefe an Nicholas“. Im November 2003 erschien ein neuer Alex-Cross-Roman mit dem Titel „The Big Bad Wolf“. Nähere Infos finden sich unter www.twbookmark.com und www.jamespatterson.com . Patterson lebt mit seiner Familie in Florida.

Maxine Paetro ist eine Journalistin und Schriftstellerin, die mit ihrem Mann in New York City lebt. Sie hat mit Patterson die Serie um den Women’s Murder Club geschrieben.

Handlung

Barbara und Levon McDaniels erhalten die Nachricht, dass ihre geliebte Tochter Kim auf der Hawaii-Insel Maui verschwunden sei. Der Anruf kommt von einem Mann, der behauptet, Kim sei „in schlechte Hände geraten“. Was soll das denn heißen? „Sie gefiel mir. Ich nahm sie mir“, sagt er und legt auf. Nach der anfänglichen Verwirrung fliegt das Ehepaar von Grand Rapids, Michigan, aus über Seattle nach Honolulu und von dort zur Insel Maui, an deren sandigen Stränden sich ein Luxushotel an das andere reiht.

An dieser tropischen Riviera fand Kims letzte Foto-Session statt, die sie für „Sporting Life“ im Bikini absolvieren sollte. Ja, sie hatte die nötige Bikini-Figur, aber nach Levons Willen hätte sie Medizin studieren sollen. Klug genug dafür war sie jedenfalls. Ein kluges, wunderhübsches Mädchen. Volljährig allerdings, so dass sie gehen konnte, wohin sie wollte, ohne ihre Eltern davon informieren zu müssen.

Das Eintreffen der McDaniels bleibt keineswegs unbemerkt. Nicht nur die Pressemeute ist vollzählig vertreten, auch die Anwälte und Chefmanager des Verlags von „Sporting Life“ sind versammelt. Die unterschwellige Botschaft ist klar. Und trifft keine Schuld, wir wollen nicht verklagt werden, schon gar nicht, wenn wir euch ein 3000-Dollar-Hotelzimmer bezahlen! Aber Kim ist inzwischen als vermisst gemeldet worden. Bei der lokalen Polizei meldet sich zu Levons endlosem Frust nur der Anrufbeantworter.

Der Reporter

Da nimmt Ben Hawkins Kontakt mit den McDaniels auf. Barbara kennt ihn als Autor des Buches „Rot“, das sie bewundert. Er darf als einziger Journalist mit ins Hotel, und als er klärt, dass er als ehemaliger Angehöriger der Kripo von Los Angeles versuchen würde, etwas bei der Polizei zu erreichen. Ein tiefer Fall vom Inspector zum Klatschreporter, findet Ben nicht auch? Erst nachdem er Barbaras Frage nach dem Grund beantwortet hat – er wurde von seinen korrupten Kollegen aufs Kreuz gelegt – , darf er ihnen Fragen nach Kim stellen. Er hat ihr Vertrauen gewonnen. Barbara ist Mathelehrerin an der Oberschule und ganz schön schlau.

Der Cop

Das erste Gespräch mit Lt. Jackson von der Maui-Polizei verläuft gewalttätig, genau wie Jackson es geplant hat: Levon besteht den Test mühelos, indem er Jackson zu Boden stößt. Barbara und Ben stehen schockiert daneben. Das Ergebnis: Jackson hat einen Verdächtigen namens Cahill. Der war der letzte Anrufer auf dem gefundenen Handy Kims und hat die ganze Mailbox mit seinen Anrufen gefüllt, bis die Speicherkapazität erschöpft war.

Der Schnüffler

Ben vermittelt einen lokalen Privatdetektiv namens Eddie Keola. Levon und Barbara sind skeptisch. Eddie sieht aus wie ein Milchbubi. Aber Levon gibt ihm eine Chance, denn er ist preiswert. So ist Eddie der erste, der Ben anruft, um ihn darüber informieren, dass eine Leiche an der Küste gefunden worden sei. Vor Ort an der Fundstelle ist ein Boot der Feuerwehr dabei, einen Körper aus den Höhlen zu fischen. Es ist ein Mädchen mit schwarzen Haar, höchstens zwölf Jahre alt. Kim war blond und 21. Eine Latino-Mutter bricht in Geschrei und Tränen aus: „Rosa! Mi bebe!“ Ben informiert sofort Levon, denn die Pressekameras übertragen diesen Moment in Echtzeit.

Verdächtig

Doch die McDaniels‘ haben andere Sorgen: Lt. Jackson hat Doug Cahill, Kims Freund, offiziell als „verdächtig“ bezeichnet und befragt. Keine Rede von Gewahrsam oder so. Im TV ist zu sehen, wie der massig gebaute Quarterback vor die Kameras tritt und seine Unschuld beteuert. An seiner Seite droht ein Staranwalt, jeden zu verklagen, der Cahill auch nur im geringsten beschuldigen würde.

Unterdessen

Julia Winkler ist ein weiteres Fotomodell, aber nicht irgendeines: Sie war die Zimmergenossin von Kim McDaniel. Traurig von deren verschwinden kann sie es kaum erwarten, die Insel und ihren Medienrummel zu verlassen. Doch kurz vor ihrer Abreise lernt sie den überaus zuvorkommenden Fotografen Charlie Rollins kennen, der sie nicht nur zu einem üppigen Dinner à la Lanai einlädt, sondern ihr den großartigsten Sex ihres Lebens verschafft. Sie ahnt nicht, dass die ganze eine winzig kleine Kamera in seiner Reisetasche läuft und die ganze Show in Echtzeit überträgt. Die Zuschauer sind übers Internet zugeschaltet und von „Henri Benoits“ Darbietung sehr angetan, aber warum lebt das Mädchen noch? Gehört das nicht zu Henris Vertrag?

Wochen später

Nach der Auslöschung der McDaniels-Familie ist Ben Hawkins erschüttert in seine Wohnung in L.A. zurückgekehrt, die er mit der Konditormeisterin Amanda Diaz bewohnt. An diesem Tag lauert ihm „Henri Benoit“ vor der Haustür auf und zwingt ihn mit vorgehaltener Waffe, in die Wohnung zu gehen. Ben erkennt in ihm „Charlie Rollins“ und Marco, den Fahrer der McDaniels. Er befürchtet das Schlimmste: Wird Benoit ihn umlegen? Doch Benoit hat ein anderes Anliegen: „Ich möchte, dass Sie meine Geschichte aufschreiben und bei Ihrem New Yorker Verlag veröffentlichen.“

Nachdem er seinen Verleger von dem bizarren Buchprojekt, das zweifellos ein Millionenseller werden wird, bestellt der Killer Ben in die Wüste, genauer: in den Joshua Tree Nationalpark. Nach drei harten Tagen taucht Henri wieder unter und Ben muss nachts durch die schlangenverseuchten Wüste wandern, um bis zum Highway zu gelangen. Es ist Amanda, die den Peilsender entdeckt, den Henri fast unbemerkt unter die Haut von Bens implantiert hat wie einem Hund. Kaum haben sie das reiskorngroße Teil gemeinsam herausgeschnitten, verspüren sie ein Fünkchen Freiheit: Sie können jetzt Benoit an der Nase herumführen und ihrerseits ihn jagen…

Mein Eindruck

Die erste Hälfte des Thrillers spielt auf Hawaii, und dort ereignen sich die abschreckenden Morde, die man von einem Serienkiller-Thriller erwarten würde: ein Opfer nach dem anderen, eines hübscher als das andere – offenbar spiele die Autoren hier mit dem voyeuristischen Instinkt des meist männlichen Lesers. Damit auch andere Emotionen zu ihrem Recht kommen, wird die restliche Familie McDaniels in die verhängnisvollen Geschehnisse verwickelt und zählt schließlich selbst zu den Opfern.

So weit ist alles ziemlich vorhersehbar. Spannung erzeugt lediglich die Frage, wie weit der Killer gehen wird – und wie er sich mit falschen Identitäten tarnt. (Die oben zitierte Verlagsinfo ist jedenfalls unzutreffend und führt den leser auf eine falsche Fährte. Das ist seitens des Verlags eigentlich kein guter Service. )

In der zweiten Hälfte des Buches verfolgen wir die Ereignisse meist aus dem Blickwinkel des Journalisten und Expolizisten Ben Hawkins. Dass der Killer ihn engagiert, um ihn seine Memoiren schreiben zu lassen, verhilft Ben zu einem Einblick in die internationale Organisation des Voyeure, die für – inszenierte und gefilmte – Auftragsmorde gutes Geld zahlen. Zwischendurch lässt es sich Benoit mal in Thailand, mal in Paris gutgehen, doch dann fällt sein Killerauge auf Bens attraktive Freundin Amanda, die ein Kind erwartet – spätestens jetzt schrillen bei den weiblichen Lesern sämtliche Alarmglocken.

Wird es Ben gelingen, die drei wichtigsten Ziele seines Lebens zu erreichen: Amanda retten, Benoit zu stoppen und die Voyeurs-Organisation zu zerschlagen? Das darf hier nicht verraten werden.

Die Übersetzung

Der Text ist alles andere als anspruchsvoll, denn er wurde für das breitestmögliche, aber immerhin erwachsene Publikum verfasst. Immerhin konnte ich keine erwähnenswerten Druckfehler feststellen.

Unterm Strich

Der Roman lässt sich ratzfatz weglesen, wenn man auf Killerthriller steht. Man kann aber auch von den ultrakurzen Kapiteln, die selten länger als drei Seiten sind, unterfordert werden und deshalb das Buch zur Seite legen. Ich zähle zu solchen Snobs. Beim Wiedereinstieg hatte ich dann Mühe, wieder alle Namen den richtigen Figuren zuzuordnen. Selber schuld. Nach 123 Kapiteln war ich dann froh, dass ich das Buch ohne größeren Hirnschäden bewältigt hatte (jedenfalls habe ich keine bemerkt, aber dieser Eindruck ist natürlich subjektiv).

Dass die Autorin Maxine Paetro, die ich schon vom Women’s Murder Club kenne, vor allem eine weibliche Leserschaft anspricht, ist von vornherein klar. Allerdings muss man dafür einen Blick auf die zweite Seite nach dem Cover werfen, denn das Cover führt den Leser, wie schon der Klappentext, in die Irre. Der dritte Faktor: Was hat eine Straße in einer Großstadt mit dem Tropenparadies Hawaii zu tun? Rein gar nichts.

Die Autorin beutet das voyeuristischen Spannungsfeld zwischen Fotomodellen, Erotikfotos und Online-Voyeurismus aus, wie es anno 2009 noch außerhalb des Internets anzutreffen war. Mittlerweile ist das alles online, und Snuff-Videos gibt es – hoffentlich – nur im Darknet. Den Spieß umzudrehen und seinerseits den Killer zu jagen, ist ein netter Twist, den uns da „Ben Hawkins“ auftischt. Doch allzu leicht wird die Katze ihrerseits zur Gejagten, und wenn Amanda in die Fänge des Killers gerät, schlägt so manches Leserinnenherz höher.

Taschenbuch: 366 Seiten
Originaltitel: Swimsuit, 2009
Aus dem Englischen von Helmut Splinter.
ISBN-13: 9783442471225

www.goldmann-verlag.de

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