Timothy Zahn – Astra. SF-Roman

Für Trekkies: Durchschnittliche Techno-Science-Fiction

Astra scheint ein ziemlich unscheinbarer Planet zu sein, doch er weist eine rätselhafte Eigenschaft auf: Es gibt eine Region, die keinerlei Metalle enthält und in der, bringt man sie dorthin, Metalle buchstäblich vom Erdboden verschluckt werden.

Noch absurder wird die Situation, als in dieser Region gewaltige Gravitationsanomalien auftreten und scheinbar ein lange untätig gewesener Vulkan ausbricht, indem er ein Artefakt ausstößt. In Wahrheit handelt es sich jedoch um die automatische Produktionsanlage einer längst untergegangenen Rasse, die wieder ihre Tätigkeit aufgenommen hat.

Nichts ist wertvoller als das Know-how hochtechnisierter Rassen, das man plündern und ausbeuten kann – und prompt beginnt der politische und militärische Wettlauf um Astra und seine Geheimnisse. (aus der ergänzten Verlagsinfo)

Der Autor

Timothy Zahn wurde 1951 in Chicago geboren, lebt in Oregon und ist heute einer der beliebtesten Science-Fiction-Autoren der USA. Sein bekanntestes Werk ist die sogenannte Thrawn-Trilogie, die mehrere Jahre nach dem Ende von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ spielt und die Geschichte des Star-Wars-Universums in eine neue Zeit vorantreibt („Expanded Universe“). Diesen Büchern folgte eine Reihe weiterer Star-Wars-Romane. Für seine Novelle „Cascade Point“ wurde Zahn 1984 mit dem renommierten „Hugo Award“ ausgezeichnet. (Quelle: Amazon.de)

Handlung

Prolog

Es beginnt 2016 mit der überlichtschnellen Suche nach neuen Welten, die für die Besiedelung geeignet sind. Doch „Aurora“, „Pathfinder“ und „Celeritas“ stoßen überall auf Fremdwesen, und eines der Schiffe wird sogar mit einer Rakete beschossen! Schleunigst erstatten die Erkunder Bericht, und der Sicherheitsrat der UNO setzt sich zusammen. Als ein Alienschiff über der Erde erscheint, ist auch den ungläubigen Russen klar, dass die Amis nicht gelogen haben: Die Menschen sind nicht allein in Weltraum.

Trostpflaster

Doch statt hehrer Ziele wie Kulturaustausch haben die Aliens nur eins im Sinn: Geschäfte. Das verheißt nichts Gutes. Sie versichern den Menschen, dass sie selbst mindestens neun Fremdrassen persönlich kennen, und sicher seien, dass noch 17 weitere existieren. Es gebe keine besiedelbaren Welten mehr, die die zu spät gekommenen Menschen beanspruchen könnten. Mit einer Ausnahme: eine armselige kleine Welt, die keinerlei Metalle aufweist und deshalb von den Rooshrike gnädigerweise für 100 Jahre verpachtet wird. Man nennt die Welt „Astra“.

Aber der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach, sagen sich die Menschen. Im Sicherheitsrat der UN gelingt dem russischen Botschafter ein genialer Schachzug. Als es um die Frage geht, wer die Erschließung dieser reichlich wertlosen Welt bezahlen soll, schlägt er die Amerikaner vor: Sie sollen erstmal unter Beweis stellen, dass es überhaupt machbar sei. Eine Herausforderung für das Pionierkorps der US Army…

Haupthandlung

Ein paar Jahre später haben die Militärs schon einige Siedlungen angelegt, sind aber noch mit dem Auspacken der Landwirtschaftsgeräte beschäftigt. Oberst Meredith ist der Oberbefehlshaber und meist ein umgänglicher Mensch, kein Eisenbeißer wie Major Dunlop. Dunlop hat es fertiggebracht, eine protestierende Menge von hispanischen Landarbeitern zusammenzuschießen und einen „Rädelsführer“ namens Cristóbal Perez festzusetzen. Meredith schasst den schießwütigen Major und setzt die kluge Carmen Olivero als zivile Mittlerin zwischen Militärs und Zivilisten ein. Sie fädelt einen Deal ein, Bürgerkomitees einzurichten. Die haben zwar (noch) kein Mitspracherecht, beruhigen aber die Gemüter auf beiden Seiten.

Entdeckungen

Als ein Vertreter der Rooshrike landet, wird Meredith klar, dass die ersten Aliens, die Ctenctri, die Menschen übers Ohr gehauen haben. Die Rooshrike, Astras Verpächter, haben das Astra-System nämlich gar nicht verlassen, sondern betreiben immer noch eine Mine auf einer der inneren Welten. Und auch die Information, dass es auf Astra keine Metallvorkommen gäbe, stellt sich als nicht ganz zutreffend heraus – jede Art von Metall (sogar Kunstdünger) verschwindet im Boden, aber wohin?

Auf dem erloschenen Vulkan Olympus existiert eine elektrische Anomalie, die einen der Flieger zum Absturz gebracht und zwei Piloten das Leben gekostet hat. Peter Hafner, ein Geologe aus Pennsylvania, will den Berg untersuchen. Carmen Olivero besorgt ihm den Flieger, er ihr die Bürgerkomitees. Eine Hand wäscht die andere. Peter mag zwar von Politik keine Ahnung haben, aber dass an einem Ort die Schwerkraft nicht einfach auf null sinken kann, kapiert er sofort. Und doch ist es so. Könnte es sein, fragen sich er und Meredith, dass weitere Aliens einen unter dem Vulkan verborgenen Apparat zurückgelassen haben, der für diese seltsamen Phänomene verantwortlich ist?

Exportartikel

Während der Sozialist Perez noch für eine großzügige Zuwanderung durch die Armen der Erde agitiert, beobachtet Hafner mit größter Bestürzung, wie ein langer dunkler Gegenstand aus dem Vulkan emporgeschossen wird. Und nicht etwa nur ein paar Meter, sondern hinaus in den Weltraum! Die Rooshrike sind sehr begierig, ihre Hilfe zu leisten, wenn es darum geht, das Objekt zu untersuchen, nicht ohne Hintergedanken, versteht sich.

Es handelt sich um ein sechs Zentimeter dickes Kabel, das drei ungewöhnliche Eigenschaften aufweist: Es hat eine nie zuvor gesehene Zugfestigkeit, ist klebrig bis zum Gehtnichtmehr und kann zu einem Supraleiter umfunktioniert werden. Ein Supraleiter weist keinerlei elektrischen Widerstand auf und erlaubt so maximale Übertragungsgeschwindigkeiten für elektrische Signale – kurzum: Das Kabel wäre ein höchst begehrenswerter Exportartikel.

Invasion

Doch das Kabel weckt nicht nur Begehrlichkeiten unter weiteren Aliens im Raumsektor, sondern wirft auch die Frage auf, wozu die „Spinner“ (Weber), deren automatische Anlage es irgendwo hergestellt haben muss, es produziert haben – und zwar seit mindestens hunderttausend Jahren. Doch bevor Meredith und seine Kollegen militärischer und ziviler Natur dieser Frage nachgehen können, landet eine Invasionsstreitmacht der M’zach. Sie wollen das Kabel – mindestens.

Aber Oberst Meredith wäre nicht auf diesen Posten gelangt, wäre er auf den Kopf gefallen. Gemeinsam mit Carmen Olivero und den anderen fädelt er eine hinterlistige Abwehrtaktik ein, die den fiesen Invasoren schon bald sauer aufstoßen wird. Und Astra trägt ihren Anteil dazu bei, dass der riskante Plan gelingt…

Mein Eindruck

Man kann Astra mit Fug und Recht als Zankapfel bezeichnen. Alle streiten sich darum: die USA, die Aliens und vor allem die UNO, die mittlerweile zu einer mächtigen Wirtschaftsmacht aufgestiegen ist, die selbst die USA zum Nachgeben zwingen kann. Diese Welt ist also ein klein wenig auf den Kopf gestellt. Doch wer nun erwartet, dass fortwährend Krieg herrscht, sieht sich angenehm enttäuscht. Da Astra selbst über keinerlei Waffen verfügt und im Super-Kabel über eine Art Kronjuwel verfügt, erklären sich alle Aliens außer den Ctenctri zu seinen Schutzmächten.

Den klugen unter den Fremdrassen ist nämlich klar geworden, welchen Schatz das Kabel bzw. dessen Produktionsanlage darstellen. Auf dieser Seite der Ereignisse, die die Handlung vorantreiben, demonstriert die Geschichte, wie eine einzige Innovation das Schicksal von Nationen und Rassen zum Besseren wenden kann. Aber als Amerikaner muss der Autor seinem Lesepublikum auch demonstrieren, dass ein einziger Kabelstrang von einem Kilometer Länge auch einen ungeheuren monetären Wert darstellt. Die Übersetzerin wirft mit Billionen und Trillionen nur so um sich, doch ich glaube, sie meint angelsächsische Billionen, die unseren Milliarden entsprechen. Es bleibt immer noch ein hübsches Sümmchen übrig.

Astra ist so eine Art Drachenschatz à la „Der Hobbit“, um den sich nun vor allem die UNO bemüht. Dieser Schatz ist nicht unbewacht, und das legt Oberst Meredith und seinen Getreuen eine Trumpfkarte in die Hand: Sie kontrollieren den Zugang zur Produktionsanlage. Die Geschichte hält ständig neue Wunder und Wendungen parat. Wie schon früh abzusehen, erklärt sich Major Dunlop zum Agenten der UNO und erobert die Anlage in einer Art Militärputsch. Allerdings hat er sich getäuscht, was den Erfolg seiner „feindlichen Übernahme“ angeht.

Die Handlung ist die reinste Wundertüte. Rätsel werden gelüftet, Konsequenzen bis zur spannenden Krise durchgespielt. So kann es schließlich nicht ausbleiben, dass Meredith und Compagnie auch ein Rettungsschiff finden und damit zur Heimatwelt der „Spinner“ (Weber) abdüsen. Dort gilt es das letzte Geheimnis zu lüften – doch die Wahrheit ist eine Warnung an die Menschen.

Die Übersetzung

Hilde Linnert hat einen flüssig und reibungslos zu lesenden Text abgeliefert, doch ihr sind ein paar Schnitzer unterlaufen, die sich nicht auf Druckfehler beschränken.

Wie gesagt: Die Übersetzerin wirft mit Billionen und Trillionen nur so um sich, doch ich glaube, sie meint angelsächsische Billionen, die unseren Milliarden entsprechen.

S. 7: „Stwart“ statt „Stewart“.

S. 176: „was ich t[e]ue“. Das E ist überflüssig.

S. 208: Statt „Simulierung“ sagt man heute „Simulation“, und es klingt ganz normal.

S. 239: „ihr Prospekt zu verteidigen“. Hier geht es nicht um eine Broschüre, sondern um ein „Projekt“, nämlich um das von Carmen Olivero.

S. 344: „Hauptfaktionen“. Gemeint sind politische Fraktionen. „factions“ sagt man im Englischen.

S. 356: „braucehn“ sollte besser „brauchen“ heißen.

Unterm Strich

Was sich zunächst wie eine neue Folge von „Star Trek“ oder „Star Wars“ liest (Zahn ist bekannt als Star-Wars-Autor), entpuppt sich bald als eine endlos spannende und fesselnde Abfolge von Krisen ökonomischer und politischer Art. Der „Drachenschatz“ sorgt ja für erhebliche Begehrlichkeiten, und die UNO scheint dem Lieblingsfeindbild des Autors hundertprozentig zu entsprechen – lauter unangenehme Typen arbeiten dafür.

Botschaft

Mit gesellschaftlichen Umwälzungen hat es der Autor nicht so, aber dafür hat er sich einen größeren Rahmen gewählt: Bildet das traurige Schicksal der „Spinner“, die die Kabelanlage auf Astra bauten, nicht eine ernste Warnung an die Menschheit? Die Spinner igelten sich ein, um sich vor einer aggressiven Rasse in Sicherheit zu bringen. Genutzt hat ihnen diese „splendid isolation“ nichts, im Gegenteil. Die Mahnung, dass Freundschaft und Solidarität erfolgreichere Strategien sind als Konfrontation und Isolation, ist also unüberhörbar.

Zielgruppe

Dieser SF-Roman spricht vor allem ein männliches Lesepublikum an, das nicht einmal zwölf Jahre alt sein muss, um die Handlung zu verstehen. Begriffe wie „Supraleiter“ oder „Dyson-Sphäre“ lassen sich heute problemlos in der Wikipedia nachschlagen, und wie es im Weltraum unter den Fremdrassen zugeht, erklärt jede Folge von „Star Trek“ aufs Anschaulichste. Die Übertragung auf irdische Verhältnisse sollte nicht allzu schwierig sein. Das Internet hat die Weltbevölkerung , so ist zu hoffen, zu einem großen Teil das Teilen gelehrt.

Manko

Die Orientierung an einem jungen, männlichen Publikum dürfte wohl für das große Manko der Geschichte verantwortlich sein: Es gibt keinerlei Romantik. Sicher, es gibt eine Beziehung zwischen Peter Hafner und Carmen Olivero, doch schon das erste Date verläuft eher enttäuschend. Gefühle sind die Sache des Autors nicht, und Oberst Meredith ist auch nicht gerade ein Seelendoktor par excellence.

Dafür ist die Story geradlinig auf die Abfolge von spannenden Ereignissen ausgerichtet. Wem dies gefällt, kommt voll auf seine Kosten. Ich jedenfalls konnte den Roman binnen weniger Tage bewältigen.

Taschenbuch: 383 Seiten
Originaltitel: Spinneret, 1985.
Aus dem Englischen von Hilde Linnert.
ISBN-13: 9783453039084

www.heyne.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)