J. M. Dillard – Star Trek V: Am Rande des Universums

Das geschieht:

„Nimbus III“ ist ein Wüstenplanet, der die Grenze zwischen der Föderation und den Imperien der Romulaner und Klingonen markiert. Die drei latent verfeindeten Mächte verwalten „Nimbus III“ gemeinsam. Auf einen Notruf von dort schickt die Sternenflotte das Raumschiff „Enterprise“ unter Captain James T. Kirk. Aus dem klingonischen Reich naht das Schlachtschiff „Okrona“. Kapitän Klaa würde sich gar zu gern das Kopfgeld verdienen, das nach dem „Genesis“-Vorfall (vgl. „Star Trek III – Auf der Suche nach Mr. Spock“) auf den legendären Kirk ausgesetzt wurde.

Auf „Nimbus III“ wartet der vulkanische Messias Sybok. Aus seiner Heimat als Rebell und Ketzer vertrieben, weil er sich der für sein Volk so typischen Gefühlskontrolle nicht unterwarf, jagt er seit Jahrzehnten seinem Traum von Sha-ka-Ree hinterher, dem mythischen Paradies der Vulkanier, wo Gott höchstpersönlich residieren soll. Sybok glaubt, diesen Ort endlich lokalisiert zu haben: im Zentrum der Galaxis und hinter der Barriere aus Staub und glühendem Plasma, das jedem Raumschiff den Einflug verwehrt. Aber Gott hat zu Sybok gesprochen und ihm verraten, wie dieses Hindernis zu überwinden ist. Dazu benötigen er und seine Anhänger ein Schiff, und so locken sie eines nach „Nimbus III“.

Syboks ‚Waffe‘ ist seine eigenartige Gabe, seinen Mitmenschen ihren Seelenschmerz zu nehmen. Damit zieht er auch die vermeintlichen Retter von der „Enterprise“ auf seine Seite, als ihm diese in „Paradise City“, der Hauptstadt des Planeten, in die Falle gegangen sind. Sogar der unerschütterliche Spock wird in Syboks Bann gezogen – kein Wunder, entpuppt sich dieser doch als sein lange verschollener Halbbruder! Nur Kirk verweigert die Mitarbeit, lenkt aber ein, als es der „Enterprise“ nicht nur gelingt, die Galaktische Barriere zu überwinden, sondern Sha-Ka-Ree – einen Planeten mitten im Nichts – tatsächlich zu finden. Gemeinsam macht er sich mit Spock, Dr. McCoy und dem euphorischen Sybok auf, um „Gott“ aufzusuchen, der sie freundlich begrüßt und erklärt, er habe schon so lange auf sie – und ihr Schiff – gewartet …

Absonderliche Irrfahrt mit entsprechenden Ereignissen

Was Kirk zu der inzwischen in den „Star-Trek“-Legendenkanon eingegangenen Frage veranlasst, wozu Gott denn ein Raumschiff brauche, um damit eine inzwischen arg verquaste Handlung endlich wieder in vertraute Bahnen zu lenken: Einem weiteren kosmischen Finsterling wird von den Helden der „Enterprise“ tüchtig in den Hintern getreten, während die Pausen zwischen den Spezialeffekten mit Scherzen über die faltig gewordene „Enterprise“-Crew (die Summe der Lebensjahre aller sieben Haupthelden ist gleich dem Gewicht von Chefingenieur Scott) und „Wie-werde-auch- ich-ein-Großer-Vogel-der Galaxis“-Rührseligkeiten überbrückt werden.

„Star Trek V – Am Rande des Universums“ nimmt unter den sechs Kinofilmen mit der klassischen Gesamt-Crew um James T. Kirk eine Sonderstellung ein. Die Kritik wertete diesen Streifen lange weniger als Film, sondern als Egotrip seines Hauptdarstellers, Mit-Drehbuchautors und Regisseurs William Shatner, der im kulturellen Ökosystem der USA etwa dieselbe Nische besetzt wie hierzulande die Juroren von DSDS: als erfolgreicher aber ungeliebter, aufgrund gewisser Macken sogar verlachter Trash-Star. Shatner fügte sich irgendwann in diese Rolle und steuert sie souverän genug, um seine Karriere in Gang zu halten. Also gibt er den pompös chargierenden, würdelos alternden Frauenhelden mit Wanst im Korsett und auf den Kahlkopf getackertem Toupet, das bereits als stehender Witz Eingang in die amerikanischen Sitcoms gefunden hat.

Lassen wir an dieser Stelle einmal unberücksichtigt, dass a) „Star Trek V“, der Film, gar nicht so übel ist, und b) Shatner, der Regisseur-Novize, von seinem Studio übel hereingelegt wurde, sondern beschränken wir uns auf die Story. Sie markiert das ehrenhafte Scheitern eines Mannes, der grundsätzlich auf dem richtigen Weg war.

Wohin soll/kann es noch gehen?

Nach dem leichtgewichtigen „Star Trek IV – Zurück in die Gegenwart“ musste es entweder weiter gehen auf dem rutschigen Pfad des Science Fiction-Kalauers oder eine ganz andere Richtung eingeschlagen werden. Da William Shatner die großen Gesten liebt, war damit zu rechnen, dass ihm ein episches „Star Trek“-Abenteuer vorschwebte. Die Suche nach Gott, der sich als Teufel herausstellt, konnte deshalb nicht wirklich überraschen. Damit war auch kaum zu rechnen, denn nicht einmal der beinhärteste (oder dümmste) Trekkie hätte geglaubt, dass Kirk den ‚echten‘ Gott besuchte.

Was steckte wirklich dahinter? Allein auf diese Frage bzw. die Antwort kam es an – ein höchst riskantes Spiel, das ziemlich daneben ging. Zu zahllosen fragwürdigen Details (was zum Teufel haben berittene Pistoleros in einem SF-Film zu suchen?), die an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben sollen, gesellt sich ein weiterer Kardinalfehler: Drei Viertel der erzählten Geschichte verstreichen darüber, dass Sybok die „Enterprise“ in die Falle lockt und anschließend Mann für Mann (plus eine Frau – Uhura) seine Seelenklempnerei angedeihen lässt. Dieses dramaturgische Ungleichgewicht wird durch das schwache Finale höchstens noch betont.

Das Buch ist besser als der Film

Viel Arbeit also, ein außer Kontrolle geratenes Drehbuch in einen Roman zu verwandeln. Aber es geschah ein kleines Wunder: Mit J. M. Dillard nahm sich eine Autorin dieser Aufgabe an, die nicht nur ehrgeizig war, sondern mit einem soliden schriftstellerischem Talent gesegnet ist, das sie voll zum Einsatz brachte. „Am Rande des Universums“ hat deshalb nichts mit den üblichen „Romanen zum Film“ zu tun, die als Abfallprodukt des Drehbuchs den dummen Fans noch ein bisschen Geld zusätzlich aus der Tasche locken sollen, sondern kann sich als eigenständiges Werk im Kanon der nicht verfilmten „Star-Trek“-Romane behaupten – und dies weit im oberen Mittelfeld!

Mit viel Liebe zum Detail und ohne Scheu vor der Arbeit, die dies zur Folge gehabt haben muss, nimmt Dillard das Drehbuch auseinander, studiert die Segmente, entscheidet, welche die Geschichte funktionieren lassen und welche nicht, strafft oder ergänzt das Handlungsgerüst, wo es nötig ist, merzt und bügelt allzu grobe Konstruktionsfehler aus (jetzt geht es nicht mehr an den „Rand des Universums“, was in der Tat ziemlicher Schwachsinn ist, sondern in dessen Zentrum – einen Ort, unter dem man sich wenigstens etwas vorstellen kann!) und setzt dann die Einzelteile zu einem Roman zusammen, der nun in erster Linie ihr Werk ist und wie ein gut geöltes Uhrwerk abläuft.

Die Verfasserin knüpft damit an die große Tradition ihrer Vorgängerin an. Vonda McIntyre, die auch sonst in der SF einen guten Namen hat, waren mit „Star Trek II – Der Zorn des Khan“ und „Star Trek III – Auf der Suche nach Mr. Spock“ zwei ebensolche Kleinodien des Unterhaltungsromans geglückt, bevor der enttäuschende „Star Trek IV“ deutlich machte, dass sie die Lust verloren hatte. Dillard sprang in die Bresche, und sie erwies sich als gleichwertiger Ersatz.

Die Story hinter dem Chaos

Plötzlich ist da tatsächlich eine Geschichte, die es wert ist erzählt zu werden. Die im Film oft aufgesetzt wirkenden Menscheleien fügen sich harmonisch ins Gesamtbild ein. Aus alten Männern, die am Lagerfeuer sitzen und alberne Lieder singen, werden nun alte Freunde, die sich eine Ersatzfamilie sind, ohne dass es peinlich wirkt. Die Suche nach „Gott“ und ihr Scheitern ist für Dillard nicht der Höhepunkt eines Abenteuers, sondern steht als konsequentes Ende hinter einer tragischen, ganz anderen Geschichte – der von Sybok, der nur das Beste wollte, dabei die Kontrolle über sich verlor und kläglich scheiterte.

Fazit: Ein makelloses Stück Trivial-SF (und mehr – aber auch nicht weniger – ist „Star Trek“ nicht!), ein Lesespaß, der sich – auch dank der guten Übersetzung – flüssig liest und es daher verdient hat, endlich (als Hörbuch) neu veröffentlicht und gelesen zu werden!

Autorin

J. M. Dillard ist das Pseudonym der Schriftstellerin Jeanne Kalogridis, die am 17. Dezember 1954 im US-Staat Florida geboren wurde. An der University of South Florida studierte sie Mikrobiologie und Russische Literatur. Ab 1976 arbeitete sie zwei Jahre als Sekretärin, bevor sie für ein Studium der Sprachwissenschaft an die Universität zurückkehrte. Anschließend ging Kalegridis nach Washington und lehrte acht Jahre Englisch an der American University.

Sie gab ihre Stellung auf, nachdem ihre parallel verfolgte Laufbahn als Schriftstellerin so gut Fahrt aufgenommen hatte, dass Kalegridis freie Autorin werden konnte. Zunächst verdingte sie sich als „J. M. Dillard“ in den Minen der „tie-in“-Industrie und produzierte Romane zu Filmen und Fernseh-Serien. Dabei spezialisierte sie sich auf das „Star-Trek“-Universum. Für dieses Franchise schrieb sie nicht nur für sämtliche Serien, sondern verfasste auch die Romane zu den Kinofilmen „Star Trek“ V bis X. Ihre Beiträge beschränken sich nicht auf die genaue Kenntnis der „Star-Trek“-‚Fakten‘ und schriftstellerische Routinen. Deshalb gehören Dillard-Romane zu den lesenswerteren Franchise-Buchprodukten.

Unter ihrem Geburtsnamen veröffentlichte Kalogridis zwischen 1994 und 1996 eine Chronik der Familie Dracul, die lose auf Bram Stokers Horror-Klassiker „Dracula“ basiert. Ebenfalls unter ihrem richtigen Namen schrieb Kalegridis ab 2001 Historienromane. Sie verbinden Fakten mit Schmalz und sind sehr umfangreich, sodass sie eine große, vorwiegend weibliche Leserschaft finden.

Jeanne Kalogridis lebt und arbeitet an der US-amerikanischen Westküste. Über ihr Werk informiert sie auf dieser Website.

Taschenbuch: 302 Seiten
Originaltitel: Star Trek V – The Final Frontier (New York : Pocket Books/Simon & Schuster 1989)
Übersetzung: Norbert Stresau
http://www.heyne-verlag.de

eBook: 686 KB
ISBN-13: 978-3-641-11464-0
http://www.heyne-verlag.de

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