William Shatner (mit Judith u. Garfield Reeves-Stevens) – Sternennacht (Star Trek)

Das geschieht:

Das Romulanische Reich ist in Aufruhr, seit der Klon Shinzon die gesamte Regierungsmannschaft umgebracht und die Macht an sich gerissen hatte. Der Usurpator konnte gestoppt werden, aber eine verhängnisvolle Lawine war in Gang gekommen: Romulus, der Zentralplanet des Reiches, besitzt einen bisher geheimen Nachbarn – Remus, einen unwirtlichen, düsteren Minenplaneten, auf dem die Remaner, das Brudervolk der Romulaner, Sklavenarbeit leisten müssen. Unter Shinzon begehrten die Unterdrückten auf. Auch nach dem Tod ihres Anführers fordern sie ihr Recht auf Mitsprache und dürsten nach Vergeltung. Auf Romulus und Remus liefern sich Separatisten, religiöse Eiferer, fanatische Neuerer und verbissene Wahrer alter Traditionen offene und heimliche Kämpfe.

In dieser Situation trifft Botschafter Spock auf Romulus ein. Der berühmte Diplomat träumt von einer Wiedervereinigung von Romulanern und Vulkaniern, Bei einem sorgfältig inszenierten Attentat ‚stirbt‘ er vor den Augen seines romulanischen Publikums, um so als Märtyrer seine Sache populär zu machen.

Die Föderation fürchtet einen Krieg der Remaner. Um diese nicht zu provozieren, schickt man nicht die Sternenflotte, sondern ein Team, das offiziell als Ermittler im Mordfall Spock auftritt. Ausgewählt werden Admiral Janeway, Jean-Luc Picard und der Zivilist James T. Kirk. Doch die Mission geht schief. Unsere Spione sind demaskiert, bevor sie eintreffen. Man erwartet sie schon und entführt Kirks minderjährigen Sohn als neuen remanischen „Heiland“. Mit dem ihm eigenen Überschwang macht sich sein Vater an die Verfolgung. Das Chaos regiert und gipfelt in einer wilden Hetzjagd über zwei Planeten, während sich eine weitere Partei einschaltet, die es auf die Herrschaft über die gesamte Galaxis abgesehen hat …

Mut zur Lücke

Womit jenes Umfeld geschaffen ist, in dem ein vom Schicksal auserkorener (bzw. sich selbst zum Schicksalsboten erhebenden) Geselle wie James T. Kirk aufblüht. Er will doch nichts als Ruhe & Frieden & ein guter Vater für seinen Spross Joseph sein, aber dann gerät wieder irgendwo das Weltall aus den Fugen, und nur Captain Kirk kann’s richten. Dieses Mal sägt kein irrer Wissenschaftler am temporalen Unterbau der Galaxis. Auch die Finsterlinge aus dem bösen Spiegel-Universum bleiben zu Haus. Die Borg assimilieren an anderer Stelle. Einen altmodischen Krieg gilt es stattdessen zu verhindern – natürlich einen Krieg, der den gesamten bekannten Weltraum in Brand setzen könnte, denn sonst käme man ohne Kirk aus.

Der Ausgangspunkt für die hier erzählte Geschichte ist klug gewählt. „Star Trek: Nemesis“ gilt zwar nicht gerade als Höhepunkt der Filmserie. Die Ereignisse stellen jedoch den bisherigen Endpunkt der „ST“-Chronik dar. Der Relaunch des Franchises erzählt die Vergangenheit der „ST“-Zukunft in einem parallelen Universum ohne Kirk (aber mit Spock Prime) neu.

Mit „Sternennacht“ trägt William Shatner die klassische Handlung ungeachtet beträchtlicher Probleme weiter. So richtete sich viel Kritik gegen den Einfall (oder die Einfalt), dem Planeten Romulus ein dunkles Gegenstück zu schaffen und dieses ausgerechnet „Remus“ zu nennen. Auch die bärtige Story vom Aufstand der Verdammten des Weltalls ließ keine Begeisterung aufkommen. Aber während der „Nemesis“-Film durch ein allzu simples und schematisches Drehbuch Schaden nahm, bedient sich „Sternennacht“ der identischen Kulissen und Darsteller mit sichtlich kundiger.

Kein Wunder, denn die „Star-Trek“-Profis und -Kenner Judith und Garfield Reeves-Stevens sind am Werk. (William Shatner als „Ideenquelle“ vergessen wir an dieser Stelle erst einmal.) Sie greifen die vielen losen Enden der Shinzon-Story auf und verknüpfen sie nicht nur, sondern geben dem Geschehen wohl zum ersten Mal einen echten Sinn. Romulus und Remus sind keine Punkte im All, an denen Picard & Co. ihr aktuelles Abenteuer abarbeiten, sondern buchstäblich dreidimensionale Welten, die in ein komplexes politisches und kulturelles Gefüge eingebettet sind. Für einen Film sind solche Querverbindungen zu kompliziert. Erst im Roman wird deutlich, unter welchen Schwierigkeiten Romulaner/Remaner, Klingonen, Vulkanier und Menschen koexistieren. Das ist spannender als die ewigen Hetzjagden und Bedrohungen von ganz weit draußen, mit denen die Autoren ihr Werk letztlich leider doch auf Länge bringen.

Kaum Platz neben dem Kirk

Schon oft & laut wurde Klage geführt über William Shatners Ego und den daraus resultierenden, schier unwiderstehlichen Hang zur Selbstdarstellung. Aus dem Film- und TV-Universum haben ihn die „Star Trek“-Götter verbannt. Also muss er sich damit begnügen, literarisch das Heft an sich zu reißen. Dies verfolgt er mit einer Offenheit, die man dreist nennen oder bewundern kann.

Längst benötigt James T. Kirk die „Enterprise“ und seine Crew nicht mehr. Für seine neuen Aktivitäten wurde ihm das alte Schiff zu klein. Nach seiner ‚Runderneuerung‘ durch die Borg können die alten Knacker von der Ur-„Enterprise“ ohnehin nicht mehr mit Kirk mithalten. Weil sie auch ihre Fans haben, dürfen sie immerhin noch am Rande des Geschehens als blasse Statisten mitwirken. Ganz schön fies, den einst so aktiven Spock hilflos durch die Unterwelt von Remus tappen zu sehen, wo er mit seinem menschlichen Erbe barmt und sich ausgiebig an die schöne Zeit mit James T. Kirk erinnert …

Die Besten aus den übrigen „Star Trek“-Welten sind ansonsten gerade gut genug, um Kirk zur Seite zu stehen. Sein bester Kumpel ist jetzt Jean-Luc Picard. Kathryn Janeway und der Holo-Doc der „Voyager“ sind auch gnädig willkommen. Alle sind sie Helden auf ihre Art, aber eben kein Captain Kirk, so dass auch sie beiseite treten und diesen machen lassen.

Kirk plus Kirk 0,5

Aber wird das reichen? Muss Spock (schon wieder) sterben? „Obwohl Logik das Ende so oft verhindert hatte. Obwohl Schicksal, Glück und James T. Kirk so oft in den Fluss von Ursache und Wirkung eingegriffen hatten“ (S. 9)?

Weil das nicht wirklich eine spannende Frage ist, dichtet Shatner Kirk (= sich) ein wahres Wunderkind an die Seite. Söhnchen Joseph ist eine Mischung aus dem jungen Clark Kent als „Superboy“ und dem Rainman. Aus solchem kosmischen Holz ist ein Nachkomme von James T. Kirk geschnitzt! Kein Wunder, dass Joseph sich als Messias der Remaner entpuppt. Womöglich stellen sich später noch Verwandte aus dem Q-Kontinuum ein …

Wo Shatner sie nicht ins Abseits drängt, gelingen seinen Mitautoren wie immer schöne und überzeugende Figurenzeichnungen. Die Garfield-Reeves sprechen einfach in „Star-Trek“-Zungen. Ihr immenses Hintergrundwissen lässt die Verzahnung unzähliger Fakten aus der „ST“-Chronik zu einem stimmigen und stimmungsvollen Gesamtbild zu. Deshalb ist es doppelt schade, dass sie offenbar aus ökonomischen Gründen mit Shatner in ein ‚Team‘ gezwungen werden, statt allein ihren Job zu erledigen. Das können sie nachweislich außerordentlich gut: Nicht umsonst zählt ihr „Federation“ (dt. „Die Föderation“) zu den Höhepunkten der gesamten Serie.

Autor/en

William Shatner wurde am 22. März 1931 im kanadischen Montreal geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften, wurde aber schon in jungen Jahren Schauspieler – zunächst beim Theater, wo er u. a. in zahlreichen Shakespeare-Stücken auftrat. 1956 ging Shatner nach New York zum Broadway. Parallel dazu spielte er in TV-Dramen, die damals noch live gesendet wurden. Zwei Jahre später tauchte Shatner in „The Brothers Karamazov“ (dt. „Die Brüder Karamasow“) an der Seite von Yul Brunner und Maria Schell im Kino auf.

Der echte Durchbruch blieb aus. In den nächsten Jahren spielte Shatner in zahlreichen aber schnell vergessenen Kinofilmen und TV-Shows mit. Darin lieferte er trotz seiner theatralischen bis pathetischen Darstellungsweise durchaus achtbare Leistungen ab, die ihm die Kritik bekanntlich gern abspricht. 1966 bis 1969 folgte die Hauptrolle in „Star Trek – The Original Series“, gefolgt von einer langen Durststrecke und den für Shatner typischen Rollen in B-Movies und Fernsehserien.

Aber Shatner blieb am Ball. Die Rückkehr als Captain Kirk in den „Star-Trek“-Kinofilmen brachte ihm endlich die Popularität, die er sich wünschte. Er nutzte sie geschickt, um in den 1980er und 90er Jahren eine parallele Karriere als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent in Gang zu bringen. Seine Aktivitäten als Schauspieler schränkte er keineswegs ein, versuchte sich als Sänger, wurde Pferdezüchter, gründete eine Firma für Spezialeffekte – und entwickelte schriftstellerische Ambitionen.

Von Anfang an sah sich Shatner primär als Lieferant von Plots und Ideen, die von Profischreibern in literarische Form gegossen wurden aber unter seinem zugkräftigen Namen erschienen. Als Ghostwriter für die „Tek-War“-Serie (ab 1994) fungierte SF- Veteran Ron Goulart. Da der Erfolg sich in Grenzen hielt, besann sich Shatner seines Alter Egos James T. Kirk, den er mit tatkräftiger Unterstützung der Reeves-Stevens (s. u.) ins Leben zurückkehren ließ.

Trotz seines Alters denkt Shatner nicht an den Ruhestand. In seiner Rolle als unwürdiger Greis besetzt er im Kulturleben der USA heute etwa dieselbe Nische wie hierzulande Dieter Bohlen oder Jürgen Drews und hat sich als Trash-Ikone und Amerikas liebster Toupet-Träger eine solide Alterskarriere aufgebaut. William Shatner ist in dritter Ehe verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Südkalifornien und Kentucky.

Website

Judith and Garfield Reeves-Stevens schreiben Romane und Drehbücher. Außerdem sind sie Produzenten für Kinofilme und Fernsehserien, Ideenlieferanten für SF- und Fantasy-Games und, und, und … Im „Star-Trek“- Universum zählen die Reeves-Stevens zu den Besten unter den Fließband-Literaten des Franchises. Garfield allein schrieb bisher fünf Thriller, die Elemente der Science Fiction mit der des Horrors verknüpfen.

Garfield und Judith sind kompetente „Star-Trek“-Chronisten, die über die verschiedenen Serien großformatige, sehr informative und unterhaltsame Sachbücher verfasst haben.

Taschenbuch: 344 Seiten
Originaltitel: Captain’s Blood (New York : Pocket Books 2004)
Übersetzung: Andreas Brandhorst
http://www.randomhouse.de/heyne

eBook: 691 KB
ISBN-13: 978-3-641-11519-7
http://www.randomhouse.de/heyne

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