Edwards, Blake / Rohrbeck, Oliver – Richard Diamond, Privatdetektiv: Fall 9 & 10

_Pferd und Witze lahmen: Krimi mit halber Kraft_

Die amerikanische Radio-Krimiserie der 1950er Jahre aus der Feder von Blake Edwards („Der rosarote Panther“) wird von der |Lauscherlounge| wieder zum Leben erweckt und mit bekannten Stimmen als Hörspiel vertont – den Stimmen von George Clooney, Ben Stiller und Reese Witherspoon.

Der smarte Privatdetektiv Richard Diamond gerät in seinen abenteuerlichen Fällen an fiese Verbrecher, mysteriöse Mörder und trifft verführerische Frauen. Aber er kehrt immer wieder zu seiner geliebten Helen zurück.

Fall 9: Der Graue Mann

Ein Mann mit grauen Augen, grauer Haut und grauer Zunge – so einen hat man in New York City noch nie gesehen. Ricks neuer Fall hat es in sich: In fünf Stunden müsse der Mann laut eigenen Angaben sterben und bittet ihn daher, eine bestimmte Person zu finden, der ihm helfen könne. Was hat es mit dem Mysteriösen auf sich?

Fall 10: Gute Nacht, Nocturne

Rick auf Spurensuche in einem Rennstall. Das wertvolle Pferd „Nocturne“ und sein Jockey sind spurlos verschwunden. Der Besitzer, ein ehemaliger Mafioso, beauftragt Diamond, das Pferd zu suchen. Doch der Detektiv findet etwas Schreckliches über seinen Auftraggeber heraus …

1. Staffel:

Fall 1: Die schwarze Puppe
Fall 2: Der braune Umschlag
Fall 3: Der Fall Ed Lloyd
Fall 4: Der Mordauftrag
Fall 5: Der Mord am Barbier
Fall 6: Der Gibson-Fall

2. Staffel:

Fall 7: Die rote Rose
Fall 8: Der Karussell-Fall
Fall 9: Der graue Mann
Fall 10: Gute Nacht, Nocturne
Fall 11: Der Nachtclub-Fall
Fall 12: Mr. Walkers Problem

_Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Richard Diamond: Tobias Kluckert (dt. Stimme von Tyrese Gibson, Adam Baldwin in „Firefly“)
Helen Asher: Ranja Bonalana (dt. Stimme von Julia Stiles, Renée Zellweger, Reese Witherspoon)
Lt. Walt Levinson: Detlef Bierstedt (dt. Stimme von George Clooney, Bill Pullman, Robert ‚Freddy Krueger‘ Englund)
Sgt. Frazer: Oliver Rohrbeck (dt. Stimme von Ben Stiller, Michael Rapaport)
Sowie Alex Lutter, Joachim Kaps, Ilona Otto, Rainer Fritzsche und Denise Gorzellany. In Folge 10 kommen noch hinzu: Gerald Paradies, Uschi Hugo, Helmut Gauß, Thomas Hailer, Eva-Maria Werth und Detlef Gieß.

Regie führte Oliver Rohrbeck, die Musik komponierte Dirk Wilhelm, für Sounds/Mischung/Mastering war Tommi Schneefuß zuständig, die Aufnahme erfolgte im Hörspielstudio |Xberg|.

_Der Fall 9: Der graue Mann_

New York ist im Schnee versunken, und alles ist grau und weiß, außerdem saukalt, findet Rick in seinem karg eingerichteten Büro. Da tritt zu allem Überfluss ein grauer Mann ein. Alles an ihm ist grau; die Haut, die Augen, sogar die Zunge. Rick wundert sich sehr. Ansonsten ist der Typ gut angezogen und bittet Rick, binnen fünf Stunden einen Mann zu finden, sonst müsse er selbst sterben. Es handle sich um den College-Chemiedozenten Louis Karns. Der Lohn, den der Graue verspricht, ist beträchtlich: 500 $ jetzt, 500 $ im Erfolgsfall. Ricks Auftragsgeber nennt sich Roger Vegas, vom Studio für moderne Fotografie.

Bei Walt Levinson von der Polizei besorgt sich Rick Adressen und fährt zum Campus, um Louis Karns zu finden. Dort verweist ihn eine Bürokraft an Karns Stadthaus, wo dessen Schwester Drusilla wohne. Die aber behauptet, ihr Bruder sei verschwunden. Dieser Roger Vegas habe die Ehe ihres Bruders zerstört, so dass sich seine Ehefrau vor fünf Tagen vom Dach eines Hauses gestürzt habe. Also geht es um eine Dreiecksgeschichte.

Als sich Rick vor Drusillas Haus auf die Lauer legt, dauert es nicht lange, bis er ihrem Wagen folgen kann: zum Campus. Als sie zu einem kleinen Haus mit verschlossenem Eingang geht, gelingt es Rick, dort den geheimnisvollen Louis Karns persönlich abzupassen. Der kleine Mann weiß natürlich von Vegas, dem Grauen Mann. Aber alles verhalte sich anders, als Vegas es darstelle. Rick findet, dass etwas an diesem Fall oberfaul ist und besucht dessen Fotostudio. Dort ist nur der Verkäufer George Youngwell, den Rick allzu gut kennt: Er hat den Gauner selbst ins Kittchen gebracht.

Dieser Fall wird ja immer seltsamer, denkt Rick, und erfährt von Sgt. Frazer auf der Wache, dass in einen Fotoladen eingebrochen wurde und man Fingerabdrücke von Louis Karns gefunden habe. Die graue Gesichtsfarbe rühre von einer Vergiftung mit Silbersalzen her, wie man sie beim Fotografieren verwende. Rick fährt wieder zu Vegas‘ Fotostudio, um herauszufinden, was dieser Typ als wirkliche Einnahmequelle angeben kann …

|Mein Eindruck|

Die ist ein typischer Mystery-Fall, der sich im Laufe der Ermittlung als sein genaues Gegenteil entpuppt. Die Spannung erwächst daher nicht aus gewalttätiger Konfrontation, sondern aus der Lösung des Rätsels, eben des „mystery“. Außerdem hat der Fall ein paar Horrorzüge: der Graue Mann sieht nicht gerade sehr menschlich aus. Er gemahnt an die Grauen Männer, die in Michael Endes Fantasyroman „Momo“ ihr Unwesen treiben. Die Erklärung für das Grau ist jedoch bei Rick Diamond rein naturwissenschaftlich.

Die Lösung des Rätsels ist in doppelter Hinsicht überraschend. Der Klient ist der Täter und entlarvt sich obendrein auch noch selbst. Trotzdem gehört der letzte Lacher Mr. Karns. Die Rolle von Täter und Opfer wechselt dauernd, was den besonderen Reiz dieser Folge ausmacht.

_Der Fall 10: Gute Nacht, Nocturne_

Rick telefoniert gerade mit seiner Angebeteten, da tritt ein Italiener ein, der keine Faxen versteht: Rick soll sofort mitkommen. Louis Vendetti wolle ihn sehen. Der Name sagt Rick durchaus etwas: Vendetti ist ein Ex-Mafioso, der schon einiges auf dem Kerbholz hat, aber nun angeblich ehrlich geworden ist. Ob man das glauben darf?

Diamond soll Vendettis Rennpferd „Nocturne“ suchen, das kürzlich samt Jockey Troy Ogden verschwunden ist. Der Haken: Das Pferd muss rechtzeitig zum nächsten Rennen in sieben Stunden gefunden sein. Dafür gibt’s reichlich Knete: 500 $ im Voraus. Gebongt.

Rick sieht sich in den Ställen um und stößt auf den kleinen Stallknecht Hercules. Der hat tags zuvor einen Wagen mit Pferdeanhänger vorfahren gesehen, in den „Nocturne“ verfrachtet wurde. Troy Ogdens Vermieterin Angeline hat gesehen, wie Gangster den Jockey besuchten. Sobald Rick kapiert und sie mit einem neuen Mop und Eimer besticht, darf er auch Ogdens Zimmer betreten. Ein Foto von einer üppigen Blondine fällt ihm ins Auge: Debbie.

Debbie Carter ist Lehrerin auf einer Rollschuhbahn und auch ansonsten sehr ansehnlich, aber sie weiß auch nicht, wo Ogden zu finden sein könnte. Höchstens bei seinem Bruder, der eine Autowerkstatt besitzt. Als Rick dort das Rolltor hochschiebt, schluckt er schwer: Sowohl der Jockey als auch sein Gaul sind mausetot. „Nocturne“ wird keinen Blumentopf mehr gewinnen. Aber warum? Jetzt fängt der Fall an, interessant zu werden …

|Mein Eindruck|

Wenn sich schon ein Ex-Mafioso als Auftraggeber herausstellt, dann ist zu erwarten, dass an diesem Fall etwas faul ist. Natürlich spannt uns Rick erst einmal auf die Folter, bevor er die Katze aus dem Sack lässt. Es handelt sich um Versicherungsbetrug von der übelsten Sorte. Denn unter diesem Vorgehen haben nicht nur Jockeys zu leiden, sondern auch unschuldige Tiere, eben Rennpferde wie das hoch versicherte „Nocturne“.

Zum Ausgleich für die Schlechtigkeit der Welt singt Rick abends – oder morgens, ich bin mir nie so sicher – ein Ständchen zur Klavierbegleitung. Doch er will ihr immer noch keinen Heiratsantrag machen – schnüff!

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Es ist schon unterhaltsam, wenn man in einem Serienhörspiel all jene Schauspieler sprechen hört, die man sonst mit bildschirmfüllenden Actionkrachern oder großartigen Romanzen in Verbindung bringt: Reese Witherspoon, Colin Farell und George Clooney. Das hebt die Handlung, die ansonsten leicht etwas trivial hätte wirken können, doch gleich eine Stufe höher, verleiht ihr den Glanz von Hollywood.

Tobias Kluckert, 1972 geboren, ist Schauspieler und Synchronsprecher. Er lieh unter anderem Joaquin Phoenix als Johnny Cash in dem Film „Walk the Line“ seine Stimme, ist aber auch die deutsche Synchronstimme von Colin Farrell in „The New World“, von 50 Cent in „Get rich or die tryin'“ und Brian Krause als Leo in „Charmed“. Kluckert trägt mit seiner Darstellung der Hauptfigur das ganze Hörspiel und macht Diamond zu einem sympathischen Burschen, der tagsüber für Recht und Ordnung sorgt und – meistens, nicht immer – abends zu seiner Herzensdame zurückkehrt. Er will immer cool erscheinen, doch seine Aktionen sprechen eher dafür, dass er seinem Herzen gehorcht, so etwa, als er den Mord an seinem Lieblingsfriseur aufklärt.

Ranja Bonalana, die deutsche Stimme von Reese Witherspoon, spricht Helen Asher und somit zwar eine Nebenfigur, aber eine feste Konstante in der Besetzung. Ihre Stimme ist wunderbar verführerisch und stets heiter. Die Wortgeplänkel, die sich Helen mit Diamond liefert, gehören zum Feinsten, das Blake Edwards je geschrieben hat. Leider sind sie allzu kurz, denn sie gehören nicht zum jeweiligen Fall. Ich habe nie herausbekommen, was Helen Asher tagsüber macht. Wahrscheinlich füttert sie die Katze, denn abends, wenn Rick sein Ständchen spielt, miauen im Hintergrund die Katzen regelmäßig zum Steinerweichen, sozusagen als ironischer Kommentar seitens der Tierwelt (und des Tonregisseurs).

|Geräusche|

Alle Geräusche sind natürlich aus der Realität entnommen und verleihen der Handlung den Anstrich von Filmqualität. Aber sie kommen nie den Dialogen in die Quere, sondern sind in dieser Hinsicht zurückhaltend. Wir hören also sowohl Straßenverkehr und Hintergrundstimmen als auch altmodisches Telefonklingeln und Nebelhörner usw. In den diversen Wohnungen sind Standuhren, miauende Katzen (bei Helen) und natürlich Türen zu hören. Diesmal sind auch wiehernde Rennpferde und sämtliche Geräusche einer Pferderennbahn zu hören, inklusive Durchsage und Glocke.

|Musik|

Die Musik von Dirk Wilhelm fungiert meist als Pausenfüller, um so die Szenen voneinander zu trennen, aber auch um die Stimmung der nächsten Szene einzuleiten. Der Musikstil erinnert an nichts so sehr wie an die Filmmusik von „L.A. Confidential“. Zu hören sind also gedämpfte Trompeten oder Posaunen, ein gedämpftes Klavier und sehr dezente Streicher. Von Jazz kann also keine Rede sein, vielleicht sollte man einfach nur von „Cool“ sprechen.

Die Ausnahme von dieser Regel sind Ricks selbst vorgetragene Stücke, die er am Klavier für seine Helen spielt. Und man staunt, wie gut Tobias Kluckert singen kann.

_Unterm Strich_

Nach dem Erfolg von „L.A. Confidential“ und [„Die schwarze Dahlie“ 3353 sind Nostalgie-Krimis wieder angesagt. Verschiedene Hörbuchverlage haben dies mit diversen Serien – Lester Powells Damen-Krimis, Stahlnetz, Tatort, Derrick, Dr. Mabuse, Francis Durbridge u. v. a. – vorexerziert. Höchste Zeit war’s also, dass auch |Lübbe Audio| etwas Entsprechendes in sein Angebot aufnimmt.

In Fall Nummer neun macht die Action dem Rätsellösen Platz, um in der Handlung Spannung zu erzeugen. Bemerkenswert ist dabei, wie sich die Rollen von Täter und Opfer ständig abwechseln, so dass noch mit der Schlusspointe ein solcher Austausch stattfinden kann. Es kommt eben darauf an, wer zuletzt lacht.

Der zehnte Fall zieht sich ebenfalls einigermaßen hin, bis eine Lösung des Rätsels in Sicht kommt. Debbie Carter entpuppt sich nicht als die verführerische Männerfresserin, sondern als American Girl next door: nett, aber langweilig. Die Pointe mit dem Pferd trifft daher den Hörer umso härter. Einen Ausgleich gibt’s dann wieder im romantischen Epilog, als Rick seiner Angebeteten ein ironisch verbrämtes Ständchen bringt. Aber muss man deswegen gleich heiraten? Iwo, meint Rick. So bleibt ihm Zeit für den nächsten Fall.

|Das Hörspiel|

Das Hörspiel ist von Rohrbecks |Lauscherlounge| sorgfältig produziert worden und ich habe an der Technik nichts auszusetzen. Die Stimmen der Hollywoodschauspieler verleihen der gewohnt abwechslungsreichen Handlung etwas Filmglamour. Da [„L.A. Confidential“ 1187 einer meiner Lieblingsfilme ist, konnte ich mich im Ambiente von Rick Diamond sofort zurechtfinden und die Produzenten brauchten keinerlei Erklärungen zum kulturellen Hintergrund mehr zu liefern.

Mag sein, dass die Figuren in ihren männlichen und weiblichen Geschlechterrollen recht überholt sind, aber herrje, das sind die Karl-May-Geschichten schließlich auch, und doch werden sie weiterhin von Millionen Lesern und Zuschauern verschlungen. Helen Asher ist keineswegs das häusliche Heimchen am Herd, sondern sie weiß ihren Rick durchaus zu nötigen, ihr zu Gefallen zu sein. Die Katze im Hintergrund ist nicht umsonst ihr Haustier, denn es heißt, Katzen seien unabhängig. Diese Rollenbilder sind also weit entfernt von der moralischen Korruption, die in den Noir-Filmen der dreißiger und vierziger Jahre gespiegelt wurde.

|Aus dem Englischen übersetzt von Andrea Wilhelm
64 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3615-9|

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