Fredric Brown – Der Unheimliche aus dem All

brown-unheimlicher-cover-kleinDer außerirdische „Parasit“ schmarotzt sich durch die Hirne seiner Wirte, die er dabei totsicher umbringt. Aktuell müssen die Bewohner des Planeten Erde mit dem ungebetenen Gast fertigwerden, der quasi unsichtbar ist … – ET-Science Fiction vom Feinsten, spannend und witzig in Szene gesetzt von einem heute zumindest hierzulande vergessenen Meister seines Fachs.

Das geschieht:

Der „Parasit“ – geboren auf einem Planeten irgendwo zwischen hier und dem Sternbild Andromeda – macht seinem Namen alle (Un-) Ehre. Er kann seinen Geist vom Körper befreien und sich in einem Wirtshirn einnisten, das er sich unterwirft und steuert. Da er weder Mitleid noch Rücksicht oder andere Gefühle kennt, ist er äußerst gefährlich für die meisten Bürger des bewohnten Alls. Allerdings nicht deshalb haben ihn seine Artgenossen auf einen abgelegenen Planeten abgeschoben, sondern weil er es sogar nach ihren Maßstäben gar zu toll getrieben hat.

Der Parasit ist ein hartnäckiger Zeitgenosse. Zu überleben und zurückzukehren ist sein Ziel. Schnell orientiert er sich in seinem Exil. Der Planet „Erde“ ist reich an Lebensformen aller Art, die dem unheimlichen Besucher keinen Widerstand leisten können. Das gilt auch für die höchstentwickelte Spezies, „Mensch“ genannt. Diese Menschen bestimmt der Parasit zu seinen Wirten. Er gedenkt von Hirn zu Hirn zu springen, bis er eines gefunden hat, dessen Besitzer ihn zurück in seine kosmischen Jagdgründe schicken kann. Dort will er seine Artgenossen über die Erde informieren; die Gesetze auf seinem Heimatplaneten sind so formuliert, dass man ihn mit offenen Tentakeln empfangen und sich anschließend zur Invasion rüsten wird.

Hat der Parasit einmal ein Opfer übernommen, kann er sich von diesem nur wieder lösen, wenn es stirbt. Da dem egoistischen Fremdling dies herzlich gleichgültig ist, steigt die Todesrate in jenem Winkel des US-Staates Wisconsin, in das es ihn verschlug, rapide an. In Bartlesville sind die Bürger freilich nicht besonders helle; gut für den Parasiten, der nicht gerade subtil vorgeht und beim Sprung von Hirn zu Hirn eine breite Spur verendeter Tiere und selbstgemordeter Menschen hinterlässt. Als es einen urlaubsreifen Satelliten-Wissenschaftler in diese abgelegene Gegend verschlägt, wird es jedoch eng für den Parasiten. Dr. Staunton erkennt ein Muster in den mysteriösen Vorfällen in und um Bartlesville. Er kreist den Parasiten ein, bis dieser seine Deckung fallenlässt und zum Gegenangriff übergeht …

Invasion im Dorf der Trottel

Dies ist eine dieser kleinen aber feinen Geschichten, die aus unerfindlichen Gründen von der Kritik gewogen und für zu leicht befunden wurden. Natürlich hat Fredric Brown Größeres geleistet als diese recht schlichte Story einer heimlichen Invasion aus dem All. Als Vollprofi ist ihm mit „Der Unheimliche aus dem All“ nichtsdestotrotz ein zeitresistenter Science-Fiction-Thriller gelungen, der sich auch heute noch spannend liest.

Eigentlich gilt Brown als Klassiker des Kriminalromans. Das schlägt sich im vorliegenden Werk durchaus nieder: Der Bodycount ist für einen SF-Roman erstaunlich hoch. Eine lange Reihe manchmal recht blutiger Selbstmorde werden sachlich aber detailliert geschildert. Frauen und Kinder bleiben davon nicht ausgenommen – Brown scheint sich um das Wohlwollen der politisch korrekten Kritiker keine Sorgen gemacht zu haben.

Fredric Brown war ohnehin ein recht unkonventioneller Autor sein. Er zählt mit Recht zu jenen raren SF-Schriftstellern, die über echten Humor verfügen und diesen in ihr Werk einfließen lassen können. Man sollte meinen, es gäbe wenig zu lachen in einem grimmigen Werk wie diesem, aber dem ist ganz & gar nicht so. Brown gibt seinen Lesern quasi nebenbei einige bittere Pillen zu schlucken. Sein Bild vom traulichen Bartlesville wirkt bei näherer Betrachtung recht sarkastisch. Das ehrbare Landvolk, besonders in der Unterhaltungsliteratur gern als Salz des Bodens verklärt, entpuppt sich hier als verschrobener, mürrischer, geistig unterbelichteter Haufen, was damit zusammenhängen mag, dass für Hochzeiter das Durchschnittsalter in Bartlesville bei 16 Jahren liegt.

Das Böse unter den Blöden

Der Sheriff hebt gern einen und schert sich dabei wenig um die Dienstzeiten. Sein erstes menschliches Opfer schnappt sich der Parasit, als dieses nach verbotenem Sex im postkoitalem Schlummer liegt. Wird ihm die Rückkehr auf die Heimatwelt gelingen, werden seine Mitparasiten ihn, den sie zuvor verjagt haben, umgehend zum Anführer ihres Invasionsheeres zur Erde ernennen. Milde Bosheiten wie diese verstreut Brown geschickt über den gesamten Text.

„Der Unheimliche aus dem All“ mutet wie eine schnellere, böse Variation des Hal Clement-Klassikers „Needle“ (1949/50; dt. „Die Nadelsuche“) an. Auch hier kommt ein Außerirdischer auf die Erde, der sich des Menschen als Wirt bedient – dies freilich als Symbiont, der mit seinem Gastgeber zusammenarbeitet, statt ihn zu knechten. Clements „Jäger“ ist der ‚freundliche ET‘, der einen kriminellen Artgenossen dingfest machen soll. Von dessen Untaten erfahren wir wenig. Was er auf Erden getrieben haben könnte, führt uns nun Fredric Brown vor Augen. Wieder einmal bestätigt sich, dass der Bösewicht fast automatisch der interessantere Charakter ist …

Das Finale kommt erfahrenen Lesern bekannt vor. Brown ‚entlieh‘ es einem weiteren Klassiker: Jack Finneys „The Body Snatchers“ (1954; dt. „Unsichtbare Parasiten“ bzw. „Invasion der Körperfresser“). Schläft Doc Staunton ein, wird ihn der Parasit übernehmen. Wie er sich aus dieser Klemme windet, ist etwas enttäuschend. Hier setzt Brown offensichtlich jenes Quäntchen Moral ein, das er sich bisher hatte verkneifen können, ohne dass man es vermisst hätte. Am günstigen Gesamteindruck ändert dies glücklicherweise kaum etwas.

Fremd und böse oder einfach nur fremd?

Der Parasit ist ein geistig recht einfach gestrickter Geselle. Das wundert nicht, denn sein Denken und Handeln kreist allein um sein Überleben. Brown destilliert daraus einen überzeugenden Charakter, der Furcht erregend und fremd, aber nicht unbedingt abstoßend wirkt.

Trotz seiner überirdischen Fähigkeiten ist der Parasit kein Superwesen. Tatsächlich passt er gut zu den Bewohnern von Bartlesville. Er begeht unnötige Fehler, aus denen er selten lernt. Darüber ärgert er sich selbst, was ihn aber nicht zur Besserung treibt. Der Parasit ist mehr Instinkt als Intellekt, und genau das führt schließlich sein Ende herbei.

Doc Staunton ist – neben der fabelhaften Miss Talley – die einzige Menschenfigur, deren Intelligenzquotient die Raumtemperatur deutlich übersteigt. Wie er dem Parasiten auf die Schliche kommt, wirkt dennoch etwas aus der Luft gegriffen. Brown geht nicht weiter darauf ein, sondern treibt seine Geschichte mit Tempo über diese und andere Schwachstellen hinweg. Ansonsten ist Staunton wacker und redlich und erfüllt insofern seine Aufgabe als Kontrahent des Parasiten. Mehr hat er auch nicht zu leisten.

Nach 160 Seiten ist der Spuk schon vorbei. Heute würde die Schlacht zwischen dem Parasiten und seinen Kontrahenten vermutlich über mindestens drei Bände à 1000 Seiten gehen. Früher war zwar keineswegs alles besser, doch vermisst man jene Zeit, als ein Geschichtenerzähler sich kurz fasste und auf den Punkt kam.

Autor

Fredric William Brown wurde 1906 in Cincinnati, Ohio, geboren. Er besuchte die Abendschule der University of Cincinnati und studierte ein Jahr am Hanover College in Indiana. Zwischen 1924 und 1936 arbeitete er in einem Bürojob, anschließend wechselte er in die Redaktion des „Milwaukee Journal“. Ersten Kontakt zur literarischen Szene nahm Brown als Mitglied des „Milwaukee’s Fictioneers Club“ auf. In den 1930er Jahren begann er Storys für die Pulp-Magazine dieser Ära zu schreiben. In diesem schlecht bezahlten Gewerbe erwies er sich als schneller und einfallsreicher Autor, der nicht auf ein Genre fixiert war. Brown begann mit humoristischen Kurzgeschichten, verfasste Krimis und nach 1940 Science Fiction und Horror.

Nachdem er ca. 300 Storys veröffentlicht hatte, schrieb Brown 1947 mit dem Thriller „The Fabulous Clipjoint“ 1947 seinen ersten Roman, der von den „Mystery Writers of America“ als bester Krimi des Jahres mit einem „Edgar Award“ ausgezeichnet wurde. Brown schuf in diesem Buch seine einzigen Serienhelden, die Ermittler Ed und Am Huster, die er in fünf weiteren Werken auftreten ließ. Der Erfolg seines Erstlings ließ Brown den Schritt zum hauptberuflichen Schriftsteller wagen. Seine originellen, gut geplotteten und geschriebenen Thriller wurden gern gelesen und mehrfach auch verfilmt; Brown verfasste später selbst Drehbücher, so für Alfred Hitchcocks berühmte TV-Serie.

„What Mad Universe“ war 1951 sein erster Science-Fiction-Roman. Während Brown für seine Krimis gerühmt wird, beurteilt die Kritik sein phantastisches Werk differenzierter. Demnach belegen primär die Kurzgeschichten sein Talent. „Arena“ (1944) belegt auf allen Listen der besten SF-Storys aller Zeiten stets Spitzenplätze. (Sie wurde u. a. in der klassischen „Star Trek“-Serie 1966 verfilmt.) Brown war kein Freund überflüssiger Worte und verstand es auf den Punkt zu kommen; in die SF-Annalen ist er als Schöpfer der kürzesten Grusel-Story aller Zeiten eingegangen: „Der letzte Mensch der Erde saß allein in seinem Zimmer. Plötzlich klopfte es an der Tür …“

Unter Browns SF-Romanen ragen „What Mad Universe“ und „Martians, Go Home!“ heraus. Sie zeigen einen Verfasser, der sich wie wenige seiner Kollegen mit Humor und Sarkasmus über heilige Kühe aller Art lustig machen konnte, wobei er die SF und ihre Repräsentanten keineswegs ausklammerte. Brown war zweimal verheiratet und hatte zwei Söhne. Er starb am 11. März 1972 im Alter von 66 Jahren.

Taschenbuch: 159 Seiten
Originaltitel: The Mind Thing (New York : Bantam Books 1961)
Übersetzung: Wulf H. Bergner
http://www.randomhouse.de/heyne

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)