Offenbarung 23 – Der Untergang der MS Estonia (Folge 28)

16:66 Uhr: Schwimmende Bomben in Sicht

Was bisher bloße Verschwörungstheorie war, wird Realität: Die geheimnisvollsten Tragödien, die skrupellosesten Verbrechen werden entschlüsselt. Die Welt wird nicht mehr die gleiche sein, denn auch das letzte Rätsel wird gelöst.

Am 28. September 1994 versinkt vor der finnischen Küste das Fährschiff MS Estonia. Über 800 Menschen kommen dabei um – wie viele genau, das weiß man aber nicht. Denn einige Überlebende verschwanden nach ihrer dramatischen Rettung – darunter einer der beiden Kapitäne. Der Berliner Student Georg Brand findet eine seltsame Seekarte, auf welcher der verstorbene Hacker Tron offenbar eine falsche Route der Estonia eingezeichnet hat. Georg beginnt mit eigenen Recherchen und entdeckt bald immer mehr aberwitzige Details der Katastrophe. Doch erkennt er auch die monströse Gefahr, die von dem untergegangenen Havaristen noch immer ausgeht?

Der Autor und die Macher

Jan Gaspard ist ein Pseudonym. Der reale Mensch hat immerhin eine Mailadresse – das ist doch schon mal was. Laut Verlag soll der Rechercheur für Unternehmer wie Axel Springer, Ross Perot, Rupert Murdoch und sogar Dick Cheney gearbeitet haben. Wer’s glaubt, sollte ihn engagieren. Er zeichnet für „Idee, Konzeption, Recherche & Buch“ verantwortlich.

Für die praktische Umsetzung dieser Steilvorlage sorgte hinsichtlich Regie, Produktion & Dramaturgie Lars Peter Lueg, seines Zeichens Verlagsleiter von LPL records. Für den „heiligen Geist“ in Form von „Inspiration“ sorgte Koproduzent Marc Sieper. Schnitt, Musik und Tontechnik lagen in den kompetenten Händen von Andy Matern. Markus Wienstroer bearbeitete die Gitarren in der Titelmelodie – das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen. Die Aufnahmeleitung oblag Anno Storbeck.

1. Staffel von „Offenbarung 23“:
1) „Wer erschoss Tupac?“
2) „Tupacs Geheimnis“
3) „Die ‚Titanic‘ darf nie ankommen“
4) „Die Krebs-Macher“

Einschub: „Offenbarung 23 – Machiavelli“

2. Staffel:
5) „Das Handy-Komplott“
6) „Der Fußball-Gott“
7) „Stonehenge“
8) „Macht!“

3. Staffel:
9) „Gier!“
10) „Die traurige Prinzessin“
11) „Die Hindenburg“
12) „Der Piratenschatz“

4. Staffel:
13) Das Wissen der Menschheit
14) Das Bernsteinzimmer
15) Durst!
16) Krauts und Rüben

5. Staffel:
17) Die Waterkant-Affäre
18) Menschenopfer
19) Angst!
20) Die Pyramiden-Saga

Einschub: 21) Jack the Ripper (Live-Lesung)

6. Staffel:
22) Der Fluch des Tutanchamun
23) Der Jungbrunnen
24) Ausgespäht und Ausgetrickst
25) Sex and Crime

7. Staffel:
26) Wer hat Angst vor Norma Jeane?
27) Der Mann im Mond
28) Der Untergang der MS Estonia
29) 9-11

Mehr Infos: http://www.offenbarung-23.de sowie http://wiki.jan-gaspard.net/ und http://www.vertraue-niemandem.net.

Die Sprecher

In der Riege der Sprecher finden sich etliche einschlägig vorbelastete Herrschaften, die man schon aus dem Hause LPL records kennt:

„Stimme der Wahrheit“: Friedrich Schoenfelder (David Niven, Peter Cushing, Vincent Price)
Ian G.: Till Hagen (Kevin Spacey, Billy Bob Thornton)
Georg Brand alias T-Rex: David Nathan (Johnny Depp, Christian Bale)
Nat Mickler: Helmut Krauss (Marlon Brando, James Earl Jones)
Kim Schmittke: Dietmar Wunder (Daniel Craig)
Zöllner / 3. Funker: Tobias Kluckert (Tyrese Gibson, Seth Rogen)
Miles Davison: Michael Pan (Martin Short, Brent ‚Data‘ Spiner)
Zeuge / 2. Funker: Lutz Schnell (Kevin Chapman, Eddie Marsan)
Nachrichtensprecherin: Ulrike Hübschmann (Jenny ‚Tessa‘ Agutter in „Spooks“)
Matrose / 1. Funker: Rainer Fritzsche (Brian ‚Jimmy Palmer‘ Dietzen in „Navy CIS“)
Callcenter-Agentin: Denise Gorzelanny (Valerie ‚Alma‘ Mahaffery)
Intro: Benjamin Völz (Keanu Reeves, James Spader) & Jaron Löwenberg (Adrien Brody in „King Kong“)

Vorgeschichte

Der Berliner Informatikstudent Georg Brand, in Hackerkreisen als „T-Rex“ bekannt, ist auf eine Verbindung zwischen dem besten deutschen Hacker Boris F. alias „Tron“ und dem Rapper Tupac Shakur gestoßen. Alle möglichen Leute, die Geheimnisse aufdecken oder vertuschen wollen, interessieren sich auf einmal für T-Rex. Während Georg mit Trons ehemaliger Freundin Tatjana Junk alias Nolo anbandelt, meldet sich Tron quasi aus dem Jenseits: Er ist seit 1998 offiziell tot. Ist er das wirklich? Jedenfalls gibt Nolo Georg eine „Chiffre“ nach der anderen in die Hand. Chiffren sind eine Umschreibung für Hinweise auf die Geheimnisse, die Tron vor seinem Tod aufgedeckt hat – brisanter Stoff sozusagen. Inzwischen haben der Arzt Nathan Mickler und Kumpel Kim Schmittke Nolo in dieser Rolle abgelöst.

Handlung

Zunächst hört man in der Nacht vom 27. auf den 28. Oktober 1994, vier Jahre vor Trons Tod, die Funksprüche, die zwischen der in Seenot geratenen MS Estonia und den Schiffen Mariella und Europa ausgetauscht werden. Auf der Ostsee herrscht zwischen Finnland und Schweden schwerer Sturm. Die Estonia hat Schlagseite und einen Stromausfall. Offenbar hält nur ein Notgenerator oder Akku das Funkgerät in Gang. Zweimal gibt der Funker die letzte Position der Estonia durch. Um 00:23 Uhr herrscht unheilvolles Schweigen …

Die Nachrichten: Die Estonia sei mit 838 Menschen Bord gesunken, nur 126 Menschen hätten die Katastrophe überlebt. Das Wrack liegt in etwa 90 Metern Tiefe, zu einem Seemannsgrab erklärt.

Die Seekarte

In Georgs Berliner Studentenbude versteckt sich Kim Schmittke im Kleiderschrank. Er ist den NSA-Typen mitsamt Trons Laptop glücklich entkommen. Na dann: Frohe Ostern! Georg testet gleich mal das edle Gerät und stößt auf eine Seekarte Trons, die eine gestrichelte Linie mitten durch die Ostsee aufweist. Ist das eine Fährroute von Estland nach Good Old Germany? Aber was soll das Kreuzchen nahe der Insel Utö? Öha, hier liegt das Wrack der Estonia! Aber wieso interessiert sich die National Security Agency der Vereinigten Staaten (NSA) für so etwas, das längst von der Ostsee verschlungen wurde?

Am Montagmorgen haben sich T-Rex und Kim mit Pizzafuttern gegen die Angriffe des Hungers gewappnet und mit Recherchen über das Estonia-Unglück kundig gemacht. Sie stoßen auf eine Personenliste von Besatzungsmitgliedern, die erst gerettet wurden und dann auf ungeklärte Weise verschwanden. Genau ihre Kragenweite! Von diesen Leuten wurde der Este Kalev Vatras erst gerettet, war dann „verschwunden“ und wurde schließlich erschlagen aufgefunden. Das wird ja immer besser! Was hat er gesehen, das er nicht sehen sollte? Kim tippt auf russische Waffen in zwei mysteriösen LKW.

Im Knast

In einem Artikel sind sie auf einen überlebenden Zeugen gestoßen, der seither im Knast einsitzt. Silve Linde ist durchaus hilfsbereit und gewährt ihnen ein Gespräch – in Finnland, versteht sich. Er war Wachmann an Bord und überlebte zusammen mit Vatras das Unglück unverletzt, doch Vatras war angeblich unterkühlt und dick in Decken gehüllt – bis er eines Nachts spurlos verschwand. Zusammen mit seinem Bett. Die Behörden logen Vatras‘ Frau an, ihr Mann sei in Stockholm. Die unkenntliche Leiche wurde nach Estland überführt, doch nicht durch einen DNS-Test identifiziert. Sehr dubios.

Auf See

Wie ihnen Linde geraten hat, schippern Georg und Kim mit einer Fähre Richtung Stockholm und gelangen so an die Untergangsstelle der Estonia. Tatsächlich! Da kurven immer noch – nach zehn Jahren – eine Menge Boote und Schiffe herum, von der Küstenwache der Finnen und Schweden. Angeblich, um die „Totenruhe“ zu bewachen. Käse! Aber was bewachen sie wirklich, nachdem der Vorschlag, das Wrack einzubetonieren, abgeschmettert worden war? Wovor haben sie Angst?

Verrat

Linde warnt Georg per Handy, dass sie in Stockholm von Geheimdienstlern in Empfang genommen werden sollen. Dreimal darf man raten, von welchem Geheimdienst! Der NSA-Mann Davidson ist also immer noch hinter ihnen her. Georg hat eine Idee: Sie verstecken sich unter der Abdeckplane eines LKW auf dem Autodeck. Der Laster rollt bei der Ankunft von Bord und alles scheint gut zu gehen, doch da lässt ein Zöllner den Laster stoppen …

Mein Eindruck

Die Estonia war offenbar ein Seelenverkäufer, ähnlich wie die Titanic. Sie war nicht einmal hochseetauglich, wurde dennoch durch einen schweren Sturm geschickt. Doch zu welchem finsteren Zweck? Die NSA-Typen drücken Georg eine Doktorarbeit des Schweizers Stefan Grund in die Hand, der den Untergang offenbar gründlich recherchiert hat. Demnach war ein Dickicht von Firmen der Besitzer des Schiffes, und dieser Besitzer benutzte sie für den Schmuggel: von Menschen, Waffen und dubiosen Materialien wie etwa Drogen oder Uran, vor allem aus der früheren Sowjetunion, der es wirtschaftlich so dreckig geht wie nie zuvor.

Doch was befand sich nun wirklich an Bord der beiden geheimnisvollen LKWs auf der letzten Fahrt der Estonia? Die Agenten sagen Georg und Kim keineswegs die Wahrheit, vielmehr spielen sie ihre Spielchen, um einen „Maulwurf“ in den eigenen Reihen zu enttarnen. Denn irgendjemand muss ja Tron alias Boris F. diese Information einst zugespielt haben, nicht wahr? Und was für eine brisante Information dies ist, stellt sich für Georg erst heraus, als die Rede auf die Radioaktivität kommt, welche der estnische Wachmann Kalev Vatras zum Opfer gefallen ist. Von wegen „Unterkühlung“! Der Mann war verstrahlt, stöhnt Georg.

Aber welche radioaktive Substanz verdient es, wegen ihrer Gefährlichkeit mit einem Betonmantel umschlossen zu werden? Und weshalb wird diese Substanz bis heute von der Küstenwache bewacht? Als Georg begreift, wofür die Linie auf Trons Seekarte wirklich steht, betet er, dass niemand das Teufelszeug jemals zu bergen versucht …

Die Inszenierung

Zunehmend hat die Dramaturgie den Bogen raus, die mehr oder weniger brisanten Informationen so zu verpacken, dass sie im Verlauf einer halbwegs spannenden Agententhriller-Handlung dargestellt werden. Jason Bourne könnte jederzeit um die Ecke kommen, doch auf dieses spezielle Action-Vergnügen werden wir noch warten müssen. Einstweilen verfolgt Ian G, ein alter Gegner von T-Rex, das Vorgehen seines Lieblingsobservationsobjekts mit elektronischen Adleraugen. Aha, ein gemütliches Geheimtreffen mit der NSA – wie nett! Dreimal dürfen wir raten, wer der „Maulwurf“ ist, den die NSA mit Georgs Hilfe jagt.

Die Sprecher

Es ist schon unterhaltsam, wenn man in einem Serienhörspiel all jene Schauspieler sprechen hört, die man sonst mit bildschirmfüllenden Actionkrachern oder großartigen Romanzen in Verbindung bringt. Das hebt die Handlung doch gleich eine Stufe höher, verleiht ihr den Glanz von Hollywood. Der Glanz ist inzwischen nicht mehr so wichtig: Die Action steht im Vordergrund.

Dynamisches Duo

Besonders David Nathan als T-Rex weiß zu gefallen gefallen, denn man hört immer einen leichten ironischen Zungenschlag bei ihm heraus. Zum Glück behält Georg Brand seinen Sinn für Humor, auch wenn dieser ab und zu in Richtung Sarkasmus tendiert. Kim Schmittke, gesprochen von dem „wunder“-vollen Dietmar Wunder, bleibt ihm in dieser Hinsicht nichts schuldig, sondern spekuliert und kommentiert ebenfalls schnoddrig frei Schnauze. Beide sind Berliner, das sollte man nicht vergessen.

Der Dritte im Bunde: Zahlenmagie

Ian G alias Till Hagen klingt wie ein hinterlistiger Kevin Spacey und fügt dem Geschehen seine eigenen hinterfotzigen Kommentare hinzu. Er ist es übrigens, der ständig irgendwelche seltsamen Uhrzeiten erwähnt. Wer darauf achtet, wird feststellen, dass fast alle Uhrzeiten die 23 in sich tragen. Doch diesmal gibt es eine Zeitangabe, die nicht ins Schema passt: „16:66 Uhr“. Schon mal von einer Stunde mit 66 Minuten gehört? Ich auch nicht, aber wichtig sind die drei Sechsen – die Zahl des Tieres aus der „Offenbarung des Johannes“, landläufig besser als „Apokalypse“ bekannt …

Geräusche und Musik

Alle Geräusche sind natürlich aus der Realität entnommen und verleihen der Handlung den Anstrich von Filmqualität. Aber sie kommen nie den Dialogen in die Quere, sondern sind in dieser Hinsicht zurückhaltend. Durch die Handhabung der Lautstärke können zum Beispiel Straßen- oder Schiffsgeräusche in den Hintergrund gerückt werden, während im Vordergrund die Figuren noch miteinander reden, und zwar durchaus verständlich.

Schiffsgeräusche sind ja generell nicht so wahnsinnig interessant, wenn man sie nicht sehen kann. Sehr heikel sind jedoch Szenen in vollen Zügen oder in einem Lokal wie dem hier erwähnten Café Vikken; die Geräuschkulisse ist einerseits detailliert zu halten, um glaubwürdig zu bleiben, muss aber so dezent gehalten werden, dass sie den Dialog nicht stört. Knifflig, aber lösbar. Und in „Offenbarung 23“ fast immer optimal gelöst.

Die wenige Musik, die erklingt, fungiert meist als Pausenfüller: Fetzige Gitarren, für die Markus Wienstroer verantwortlich zeichnet, bestimmen das In- und Outro. Während der Szenen plätschern im Hintergrund hin und wieder etwas lokale Muzak (kommerzielle Musik für Cafés und Kaufhäuser) oder elektronische Musik und Tablas so vor sich hin. Mir gefielen mehr die Gitarren. Sie fetzen am Anfang, in Szenenpausen – und am Schluss sowieso.

Unterm Strich

Dass die beiden Berliner Hacker Georg und Kim den Dingen auf den Grund gehen und auf allerlei horrible Antworten stoßen, ist ja schön und gut. Die weiterhin fortbestehende Schwäche der Dramaturgie ist jedoch die Motivation des dynamischen Duos. Für wen arbeiten diese Burschen? Welche Rolle spielt ihr Mentor Nathan Mickler, der auffallend vielseitig begabt ist? Er faselt etwas von einer „Operation Hades“ und besorgt einen „Pickup-Service“-Agenten-Jargon für vergangene Aktionen und das Herausholen von Agenten aus einer brenzligen Situation. Hinsichtlich Charakterisierung muss die Regie also noch etwas nachbessern.

Ansonsten kann diese Folge sowohl mit Agenten-Action als auch mit brisanten Infos aufwarten, die noch nicht allgemein bekannt sind – allenfalls für SPIEGEL-Leser, zu denen ich nicht zähle. Der Spiegel wird so oft erwähnt, dass der Eindruck entsteht, die Serie mache Schleichwerbung für das Hamburger Nachrichtenblatt.

Das Hörspiel

Das Hörspiel ist von Lübbe und LPL records gewohnt sorgfältig produziert worden und ich habe an der Technik nichts auszusetzen. Die Stimmen der Hollywoodschauspieler verleihen der ungewohnt handlungsarmen Inszenierung etwas Filmglamour. Die Story der Reihe wartet in der Regel mit Verschwörungstheorien, Kurzinfos, Agenten-Eskapaden und allerlei zwielichtigen Aktionen auf.

Immerhin sind die aufgegriffenen Themen bis heute in der Regel mit Rätseln behaftet. Die offenen Fragen harren der Antworten. Und Verschwörungstheorien sind heute verbreiteter denn je, weil die Regierungen keinerlei Vertrauen mehr genießen, von ihren Nachrichtendiensten ganz zu schweigen. Begierig wird daher die nächste Folge der Serie erwartet, die sich mit dem Urknall des 21. Jahrhunderts befasst, mit den Attentaten am 11. September 2001.

66 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3703-3
http://www.offenbarung-23.de
http://wikibeta-offenbarung-23.de
http://www.lpl.de
http://www.luebbe-audio.de