Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse

„Ich war es nicht, es war Dr. Mabuse!“

Letztlich ist der Irrenarzt Pohland in der Nervenheilanstalt gelandet, kann aber entkommen. Nun will er sich der Erfindung von Prof. Larsen bemächtigen – einem Todeslaser, der über Satellit jeden Punkt der Erde zerstören kann. Geheimdienstmajor Bob Anders erhält den Auftrag, Larsen und die Waffe zu schützen …

Die Autorin

Susa Gülzow arbeitet seit 1988 als Autorin, Regisseurin und Sprecherin. Aus ihrer Feder stammen beispielsweise die Hörspielfassungen von „Lucky Luke“, diversen Heinz-Erhardt-Filmen und „Dr. Mabuse“ sowie zahlreiche Synchronbearbeitungen.

Die Dr.-Mabuse-Reihe nach dem Krieg:

1) Die 1000 Augen des Dr. Mabuse (1957)
2) Im Stahlnetz des Dr. Mabuse
3) Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse
4) Das Testament des Dr. Mabuse (1962)
5) Scotland Yard jagt Dr. Mabuse (1963)
6) Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse (1964)

Die Inszenierung

Die Regie führte 1964 Hugo Fregonese, die Musik lieferten Oskar Sala und Carlos Diernhammer, das Drehbuch stammt von Ladislas Fodor nach der Figur von Norbert Jacques.

Die Rollen und ihre Sprecher:

Major Bob Anders: Peter van Eyck
Prof. Larsen: O. E. Hasse
Gilda: Yvonne Furneaux
Judy: Rika Rialina
Kaspar: Dieter Eppler
Admiral Quency: Leo Genn
Sowie Walter Rilla als Prof. Pohland
u. v. a.
Erzähler: Wolf Frass

Handlung

Dr. Pohland, der frühere Irrenarzt, der Mabuse, das Genie des Bösen betreute, glaubt sich nun selbst von Mabuse besessen – ein trauriger Anblick für Major Bob Anders. Pohland wiederholt ständig den Satz: „Ich war es nicht, es war Mabuse, er benutzte mein Gehirn.“ Und ächzend spricht Pohland das Wort „Todesstrahlen“ aus, als das Licht ausgeht und Anders niedergeschlagen wird. Als es wieder angeht, ist Pohland weg. Und Mabuses Krankenpfleger auch.

Bei Scotland Yard erhält Anders einen neuen Auftrag: auf Malta, im Dorf Belmare. Vier Taucher wurden im Meer vor der britischen Kronkolonie tot aufgefunden. Professor Larsen experimentiere dort mit Strahlen, doch er wolle sich noch nicht in den Dienst der Regierung Ihrer Majestät stellen – ein Jammer. Major Anders soll vor Ort den Agenten Quency treffen und zur Tarnung ein Mädel mitnehmen. Anders‘ Wahl fällt auf Judy, die von der Aussicht auf zwei Wochen Urlaub entzückt ist und sofort vom Heiraten redet …

Auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel bemerkt Anders einen Leichenwagen, der mit rasender Geschwindigkeit sein Taxi überholt. Was er nicht ahnt: Der Leichenwagen saust zu einem Hof, wo schon einige Ganoven warten. Sie laden den Sarg aus, öffnen ihn – und heraus steigt der verschwundene Krankenpfleger. Er macht Meldung: Kaspar Akontas. Ein unsichtbarer Chef befiehlt ihm: „Übernehmen Sie Boot 13!“

In der Altstadt von Belmare trifft Anders, der die unglückliche Judy sich selbst überlassen hat, statt des erwarteten Agenten Quency einen Commander Adams. Zusammen fahren sie zu Prof. Larsens Insel, wo Gilda, die reizende Nichte des Wissenschaftlers, sie empfängt und zu ihrem Chef führt, dem sie als Sekretärin dient. Larsen spielt im Labor gerade Schach mit seinem Assistenten Dr. Krishna. Larsen stellt sich als Spezialist in Hypnose und Gedankenübertragung vor (was uns sofort an Mabuse erinnert, der das auch kann). Er führt sie in den Raum, wo sich der Spiegel für seine Strahlen befindet. Der Raum liegt unter dem Meeresspiegel und ist durch einen Zugangscode geschützt. Ein Motor hebt den Spiegel, der durch einen Computer gesteuert wird, über die Oberfläche. Ein Alarm geht los: Das Echolot meldet Kontakte!

An der Meeresoberfläche beobachtet Kaspar Akontas in Boot 13, was auf der Insel des Professors vorgeht. Auf einen Befehl seines Chefs stürzen sich die wartenden Taucher ins Wasser …

Mein Eindruck

Der Agententhriller um Major Anders lässt sich – insbesondere in der gekürzten Hörspielfassung – als simpler Gruselkrimi mit eingebauter Doppel-Lovestory verstehen. Sowohl Judy als auch Gilda kommen als Love-Interest des Majors infrage. Begrüßenswert wie auch erstaunlich ist die Wandlung der anfangs naiven Judy zur Agentenbraut. Später entpuppen sich diverse Herrschaften als subversive Elemente – rechtzeitig vor dem explosiven Showdown. In diesem Aufbau hebt er sich nicht von Edgar-Wallace-Streifen deutscher Machart ab, wie sie damals mit strahlenden Helden wie Joachim Fuchsberger im Dutzend abgedreht wurden – und dennoch heute Kult sind.

Schatten der Vergangenheit

Auf einer zweiten Ebene lässt sich das Verbrechergenie Dr. Mabuse – oder dessen Nachfolger – politisch auch als Schatten der Vergangenheit interpretieren, als Schreckensbild, das aus dem Bewusstsein der Massen verdrängt worden ist. „Der braune Spuk“, wie das der BKA-Beamte nennt, ist im Jahr 1957, in dem die Filmhandlung spielt, erst zwölf Jahre zuvor vertrieben worden – und zwar keineswegs vom deutschen Volk selbst. „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ – gilt dieses Zitat weiterhin? Diesmal treffen Dr. Mabuses Machenschaften die Briten – dies ist allemal unverfänglicher als der Schauplatz Berlin, der in Fritz Langs Klassiker „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ den Zuschauer verunsicherte.

Blomfeld lässt grüßen

Obwohl an dieser Stelle nicht verraten werden darf, wer denn nun eigentlich der Nachfolger des Dr. Mabuse ist – das würde die doppelte Überraschung zerstören -, handelt es sich doch offenbar um Ex-Nazis als Drahtzieher. Das ist allerdings nur dem „Heyne Lexikon des Science-Fiction-Films“ (Seite 883f.) zu entnehmen. Im Hörspiel ist leider überhaupt nicht die Rede davon, woher die Schurken kommen und was sie genau vorhaben: Sie wollen einfach „den Todeslaser“ übernehmen. Und was dann? Da hatten doch Ernst Stavro Blofeld und Goldfinger weitaus konkretere Vorstellungen. Man kann lediglich konstatieren, dass die Drahtzieher über internationale Beziehungen verfügen, aber über keinerlei Skrupel, Leute umzulegen.

Agenten im Bordell

Was wir also zu hören bekommen, ist ein Gruselkrimi bekannter Machart. Wir haben eine Reihe von Männern, die alles Mögliche sein können. Wir haben einen aufrechten Agenten, der sein Möglichstes versucht, erstens am Leben zu bleiben, und zweitens, ein Genie des Verbrechens zu jagen. Wir haben mehrere seiner Gegner, die ihn ausschalten wollen. Wir haben ein actionreiches Finale, in dem geballert wird, was die Platzpatronen hergeben. Und als Gegenpol zu all der grimmigen Action erfreuen uns Judy, die im Bordell landet und dort als Geheimagentin mit der Nr. 008 agiert, sowie Gilda Larsen, die auf Anders scharf ist. Wer jetzt an James Bond denkt, liegt sicher nicht verkehrt.

Unsterblich

Recht kurios ist die Sache mit dem Leichenwagen. Es handelt sich ja um einen getarnten Menschentransporter, der Zuschauer assoziiert aber sofort Tod. Umso überraschender, dass aus dem Sarg stets ein Mann wiederaufersteht: erst Kaspar Akontas, dann im Finale Fausto Botani. Beide berufen sich auf Dr. Mabuse. Dadurch suggeriert der Film, dass Dr. Mabuse nicht bloß eine Person ist, sondern ein unsterbliches Prinzip, quasi ein Mythos. Und Mythen haben bekanntlich ein langes Leben.

Die Inszenierung

Nach einer Fanfare in einem schrecklich miesen Sound, die zum Glück nur 30 Sekunden dauert, geht der Hör-Film sofort los. Es gibt keine Einleitung, lediglich eindringliche Musik, wie man sie aus den 1959 gestarteten Edgar-Wallace-Verfilmungen kennt. Die Musik dirigiert die Emotionen, die den Zuhörer (so wie einst den Zu-schauer) erfüllen sollen: Beklemmung, Furcht, Entsetzen, aber auch romantische Gefühle, nach dem Finale schließlich Triumph und Erleichterung. Im Bordell erklingt sehr hübsche Vaudeville-Musik, die zu Cabaret mehr passen würde.

Schon nach wenigen Minuten gibt es die erste Leiche. Einige weitere werden folgen. Die Geräuschkulisse entspricht dem Niveau eines Edgar-Wallace-Krimis. Was mich jedoch völlig enttäuscht hat, ist die mickrige Qualität der Schüsse, Hier wurden offensichtlich nur Platzpatronen benutzt, deren Geräuschentwicklung doch sehr begrenzt ist. Aber es klingt einfach nach den Spielzeugpistolen, die wir Jungs beim Räuber-und-Gendarm- oder Cowboy-und-Indianer-Spielen benutzten (ich war immer der Indianer, logo!).

Immerhin ist die Geräuschkulisse ziemlich realistisch, besonders in den Interieurs, aber auch auf der Straße. Interessant sind das Geräusch der Prothese, aber auch der elektronische Sound des Laserprojektors – schon damals gab es elektronische Sounds. Was doch die Geräuschemacher in ihrer Stube damals alles fertiggebracht haben!

Etwas sonderbar tritt der Erzähler auf. Er sagt, er mache jetzt einen „Zeitsprung“ – na, sowas, ist ja fies! Und zwar ausgerechnet dann, als Gilda Larsen es nicht mehr aushält und über Major Anders herfällt… Auch, was Judy im Bordell alles so treibt, ist etwas undurchsichtig und möglicherweise stark gekürzt.

Da der Sound keineswegs DD-5.1-Standard entspricht, knarren auch die Stimmen der Darsteller recht kernig und obertonlastig daher. Diese Qualität ist jedoch offenbar die des Originals, denn das Hörspiel ist wurde durchgehend, wie die DDD-Signatur auf der Hülle verrät, mit digitalen Mitteln hergestellt. Um mehr aus dem Original herauszukitzeln, wäre wohl ein teures Remastering nötig. Und das können sich meines Wissens nur die großen Studios leisten.

Das Booklet

Das Booklet umfasst zwölf Seiten, die sich sehen lassen können. Neben dem historischen Filmplakat sind hier nicht nur die Macher des Film detailliert vorgestellt, sondern auch die Verantwortlichen des Hörbuchs. Natürlich fehlt auch Produzent Sven Michael Schreivogel nicht. Er dankt mehreren Quellen, ohne deren Unterstützung das Produkt wesentlich magerer ausgefallen wäre, darunter der Tochter von Filmproduzent Artur Brauner, sowie den Erben von Norbert Jacques, dem Schöpfer der Figur des Dr. Mabuse.

Im Booklet sind zahlreiche Filmfotos in ausgezeichneter Qualität abgedruckt. Zu sehen sind Dieter Eppler als Kaspar, Peter van Eyck als Major Anders, O. E. Hasse als Prof. Larsen und ein grässlich entstellter Leo Glenn als Admiral Quency. Ziemlich bizarr sind die Froschmänner, die erst alle in Reih und Glied antreten, dann am Strand das Anwesen Prof. Larsens antreten. Ganz besonders interessant ist das Foto einer Szene, die wie der Film auf Malta gedreht wurde: Yvonne Furneaux alias Gilda Larsen zeigt ihre aufregenden Kurven – und das vor einem sieben Mann starken Drehteam!

Dieser Film bedeutete das Ende der sechsteiligen Dr.-Mabuse-Reihe der 50er und 60er Jahre.

Unterm Strich

Das Hörspiel weiß auf spannende und ironische Weise zu unterhalten, ohne dass weder die Intelligenz noch die Romantik oder der Humor zu kurz kommen. Allerdings heißt es angesichts der Fülle der Dialogtexte aufpassen. Ich musste das Hörspiel in aller Ruhe zweimal anhören, um die zahlreichen versteckten Hinweise, falschen Fährten und Doppelidentitäten zu verstehen und auf die Reihe zu bekommen.

Das Drehbuch ist schon ziemlich ausgetüftelt. Doch auch beim ersten Anhören ist die Essenz leicht zu kapieren: Grusel, Spannung, Romantik und Terrorismus gehen hier eine bemerkenswerte Verbindung in einem Thriller ein, der heute leider schon wieder vergessen ist. Die antifaschistischen Untertöne des Fritz-Lang-Films von 1957 fehlen in den Fortsetzungen, dafür kamen Action und Humor besser zum Zuge, Letzteres insbesondere durch die Frauenfiguren.

Das Booklet zu der qualitativ hochstehenden Hörbuchproduktion wartet mit schönen Fotos zum Film und zum Dreh auf Malta auf. Die Filmfotos ergänzen die Informationen zu zahlreichen Mitwirkenden damals und heute. Wenn der Rest der Reihe ebenso gut produziert wird, könnte das Thema „Dr. Mabuse, der Staatsfeind Nr. 1“ eine Wiederauferstehung mit Langzeitwirkung feiern. Der Käufer erhält für sein Geld einen reellen Gegenwert. Der Preis erscheint mir angesichts der Ausstattung angemessen, aber gebraucht ist die CD schon für unter fünf Euro zu haben.

1 CD, 66 Minuten
ISBN-13: 9783821853260
www.eichborn.de