Klönne, Gisa – Wald ist Schweigen, Der

_Die Autorin_

Gisa Könne wurde 1964 geboren. Sie studierte Anglistik und arbeitet als Journalistin sowie als Dozentin für kreatives und journalistisches Schreiben. Sie veröffentlichte Kurzkrimis und ist Herausgeberin der Weihnachtskrimi-Anthologie „Leise rieselt der Schnee“. Gisa Könne lebt in Köln und schreibt an ihrem nächsten Roman.

_Story_

Inmitten einer idyliischen Forstlandschaft im Bergischen Land findet die junge Försterin Diana Westermann eine grausam entstellte Leiche, die bereits mehrere Tage tot sein muss und seither von Krähen zerfressen wurde. Westermann ist starr vor Schock und weiß nicht, was sie tun soll. Da wird ihr die Entscheidung von einem vorbeispazierenden älteren Ehepaar abgenommen, das den Fund schließlich der Polizei meldet. Der Fall wird der Kölner Kommissarin Judith Krieger übertragen, einer arg gebeutelten Beamtin, die nach dem Tod ihres Kollegen, den sie selber nicht mehr vereiteln konnte, in einer sehr schweren privaten und beruflichen Krise steckt. Der Mord an dem nackten Mann auf dem Hochsitz stellt für sie so etwas wie die letzte Chance zur Rehabilitation dar, doch nach wie vor fällt es ihr schwer, die schreckliche Erinnerung zu verdrängen.

Mit einer chronischen Müdigkeit und der Hilfe von massenhaft Zigaretten begibt sich die Kettenraucherin trotzdem an die Arbeit und ist überzeugt davon, dass die Lösung des Falles mit dem Aussteiger-Yoga-Aschram „Sonnenhof“ zusammenhängt. Dort treiben sich mehrere seltsame Gestalten herum, die allesamt ein Geheimnis mit sich herumzutragen scheinen. Doch Judith unterlaufen bei den Ermittlungen einige Fehler – ganz im Gegensatz zu ihrem ungeliebten neuen Kollegen Manfred Korzilius, der schließlich erste Erfolge vorweisen kann und als unerfahrener Beamter die langjährige Kommissarin in den Schatten stellt. Für Judith hat dies ernsthafte Folgen: Sie wird für einige Zeit vom Dienst suspendiert. Erst jetzt findet sie wieder zu ihrem alten Biss zurück und beginnt, den Fall auf eigene Faust zu ergründen. Doch bevor sie damit so recht voranschreiten kann, wird im Wald eine weitere Leiche entdeckt …

_Meine Meinung_

Ein ganz normaler Krimi, das scheint „Der Wald ist Schweigen“ auf den ersten Blick zu sein. Es gibt eine Leiche inmitten einer spektakulären Kulisse, einige merkwürdige und schweigsame Verdächtige und Polizisten, die weit und breit keine Spur sehen. Alles wie gehabt. Doch dieser Roman ist weitaus komplexer, als die Inhaltsangabe es vermuten lässt. Gisa Klönne setzt sich nämlich nicht nur mit den kriminellen Aspekten auseinander, sondern verleiht der Geschichte erst so richtig Leben, indem sie die einzelnen Menschenschicksale der beteiligten Akteure sehr genau beleuchtet. Vor allem das Portrait der Hauptfigur Judith Krieger ist ihr dabei sehr gut gelungen. Klönne beschreibt das Bild einer Frau, die auf dem besten Wege zum psychischen Wrack ist und in den normalsten Lebenssituationen oft nicht weiß, wie genau sie handeln soll. Im Bezug auf ihre Arbeit ist sie aufgrund der grausamen Geschehnisse in ihrer beruflichen Vergangenheit stark gehemmt und kaum in der Lage, im Außendienst zu arbeiten. Und durch den neuen Fall und die damit verbundenen Fehlgriffe wird sie in ihrem Selbstbewusstsein noch stärker eingeschränkt, was beinahe zum totalen Kollaps führt. Doch Judith fängt sich und zeigt sich kampfeslustig, bereit, ihrem seelischen Empfinden zu trotzen und ihren Frust zu bekämpfen – so lange, bis der nächste Rückschlag folgt.

Im Wechselspiel mit dem eigentlichen Mordfall entwickelt sich so ein menschliches Drama mit ungewissem Ende, weil die Autorin sich überhaupt nicht in die Karten schauen lässt. Die Frage, ob die Hauptperson an ihrem Schicksal und dessen Folgen zerbrechen wird, ist somit ein weiterer zentraler Punkt in diesem Roman, dem eine gleichrangige Wichtigkeit wie der Mordserie beigemessen wird.

Doch die Kommissarin ist nicht die einzige Dame, der das Leben übel mitgespielt hat. Auch Diana Westermann lebt sehr unglücklich, wird in ihrer beruflichen Rolle nicht akzeptiert, kann ein zerrüttetes Liebesleben vorweisen und wird in ihrem Befinden durch die jüngsten Ereignisse zurückgeworfen. Zu dieser Liste gesellt sich schließlich auch noch die junge Laura, die im Yoga-Aschram glaubt, ihr zeitweiliges Heil gefunden zu haben. Doch das naive Mädchen leidet weiterhin unter seiner Vergangenheit und der verkorksten Kindheit und kommt auch nicht so recht zur Ruhe. Das sind alleine schon drei (und gleichzeitig die wichtigsten) Personen, auf deren Psyche im Verlauf des Buches immer wieder genauer eingegangen wird, doch es ist nur eine Auswahl der vielen Charaktere, mit denen die Autorin ihr Buch ausschmückt.

Der Mordfall an sich soll natürlich nicht außen vor bleiben. Aber auch hier wirkt Gisa Klönne hinsichtlich des Spannungsaufbaus und der mehrfachen Wendungen als Krimi-Autorin sehr souverän. Durch die Verknüpfung der beiden Hauptelemente – Tragik und Spannung – gelingt es der Autorin problemlos, den Leser an das Buch zu fesseln, zumal der Schreibstil sehr frisch und umgangssprachlich gewählt wurde. Kurze Sätze und die Betonung bestimmter prägnanter Begriffe helfen, den stellenweise komplexen Inhalt leichter zu verdauen. So entspricht „Der Wald ist Schweigen“ ganz klar auch dem modernen Zeitgeist – schließlich spielt das Buch auch in der Jetztzeit – und ist für sämtliche Altersgruppen geeignet. Ein wichtiger Aspekt heutzutage!

Und „geeignet“ heißt in diesem Falle auch „sehr empfehlenswert“, denn solch intelligent inszenierte und genreübergreifende Geschichten bekommt man im Bereich von Thriller und Krimi nur selten geboten. Für Liebhaber der Materie sollte „Der Wald ist Schweigen“ daher ganz klar auf der Liste für die Vorweihnachtszeit stehen!

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|Siehe auch: [„Unter dem Eis“ 3047 |