Loewe, Elke – Engelstrompete

Die deutsche Autorin Elke Loewe aus Hüll an der Niederelbe machte sich in den letzten Jahren einen Namen im Kriminal- und Historiengenre und veröffentlicht nun mit „Engelstrompete“ den dritten Roman, der sich um das Geschehen in dem fiktiven Dörflein Augustenfleth und die Erlebnisse Valerie Blooms rankt. Fans der Serie sei versichert, dass dies sicherlich nicht der letzte Roman aus Augustenfleth war, denn noch immer ist das Geheimnis um Tante Robbies Tod nicht aufgeklärt, da der dubiose Dorfarzt weiterhin untergetaucht ist …

Zur Zeit des Schützenfestes platzt in das friedliche Idyll der kleinen Deichstadt Augustenfleth der Tod des Pfarrers Jonny Sonnenberg. Die kleine Lilly ist es, die den Pastor tot in der Kirche findet und schreiend mit dieser neuen Information durch Augustenfleth läuft. Zuerst trifft sie auf Valerie Bloom, die den Abend mit ihrem Nachbarn „Taxi-Enno“ verbringt, der auch sogleich in die Kirche eilt, um nachzusehen, ob er noch erste Hilfe leisten und den Pfarrer retten kann. Schnell spricht sich dieses Unglück in der Kleinstadt herum, sodass die Einwohner höchstpersönlich in der Kirche nach dem Rechten sehen wollen.

Der neue Arzt im Dorf diagnostiziert schnell einen natürlichen Tod duch Herzversagen, doch das kann keiner so recht glauben, auch wenn Sonnenberg ein ungesundes Leben geführt hat, denn er war noch jung und sah vor seinem Tod ganz gesund aus. Die Gerüchte gehen also um in Augustenfleth und schnell werden erste Verdachte geäußert. Auch Jonny Sonnenberg wird posthum Opfer von Mutmaßungen und Verdächtigungen. Vor seinem Tod lebte er sehr zurückgezogen und hatte kaum Kontakt zu seinen Gemeindemitgliedern, nur den Kindergottesdienst führte er stets mit besonderer Sorgfalt durch. Kann es vielleicht einen Grund für einen Selbstmord gegeben haben? Oder ist er gar ermordet worden?

Die Augustenflether scheinen es zu glauben und haben in Enno auch schnell einen potenziellen Mörder gefunden, da dieser sich einige Zeit zuvor skeptisch über Sonnenberg geäußert hatte. Enno, der sich viele Freiheiten herausnimmt und beruflich als Taxifahrer arbeitet, muss schnell feststellen, dass seine Nachbarn zu harten Bandagen greifen, denn die Reifen seines Taxis werden durchstochen und eines Tages liegt sogar eine tote Ratte auf seinem Autodach. Wer will ihm hier etwas anhängen? Besonders seine Nachbarin Valerie aus München möchte wissen, was hinter Jonny Sonnenbergs Tod steckt. Was ist wirklich passiert in Augustenfleth? Ihr detektivisches Gespür ist geweckt.

Zunächst zeichnet Elke Loewe ein friedliches dörfliches Idyll der kleinen fiktiven Stadt Augustenfleth an der Elbe, die Schwalben bauen ihre Nester und beobachten die Dorfbewohner bei ihrem alltäglichen Leben. Alles ist still und friedvoll, Valerie lässt sich von Enno über Blumen und besonders die Engelstrompete belehren. In diese ruhige Szenerie platzt die kleine Lilly und verkündet lautstark, dass sie den Pfarrer tot in der Kirche hat liegen sehen. Schnell ist es vorbei mit der friedlichen Stille, denn es dauert nicht lange, bis die Augustenflether über die wahren Hintergründe des Todes oder auch Mordes anfangen zu spekulieren. Sonnenberg war ihnen nie ganz geheuer, da er viel zu zurückgezogen für einen Gemeindepfarrer lebte; kaum jemand wusste Genaueres über ihn. So sind die Einwohner des kleinen Dorfes mit Klatsch und Tratsch schnell bei der Hand, besonders Enno rückt bald in den Mittelpunkt der Verdächtigungen.

Im Mittelpunkt des Buches steht wie in den beiden Vorgängerkrimis („Die Rosenbowle“ und „Herbstprinz“) erneut Valerie Bloom, die nach dem Tod ihrer Tante Robbie deren Bauernkate bewohnt und vom geerbten Geld lebt. Erst seit drei Jahren wohnt Valerie in Augustenfleth und ist daher noch nicht vollkommen in den Dorfklatsch involviert, die meisten Einwohner deuten ihr gegenüber daher stets nur ihre Zweifel an, halten sich mit Informationen aber zurück. Valerie wird immer misstrauischer, da sich zudem Enno immer merkwürdiger verhält, doch kommt sie in ihren Nachforschungen kaum voran. Besonders am Anfang kam mir der Gedanke an Miss Marple, da Valerie ähnlich wie die Grande Dame der Krimihelden unentwegt versucht, hinter die Geheimnisse des Mordes zu blicken und dabei in jeder Situation überaus neugierig agiert.

Elke Loewe schafft es dabei, zunächst ein eindrucksvolles Bild der Landschaft und Idylle von Augustenfleth zu entwerfen, um es sogleich zu zerstören durch das hereinbrechende Unglück und Misstrauen der Dorfbewohner. Ganz unterschwellig werden Verdächtigungen ausgesprochen und Nachbarn bedroht, die Atmosphäre wird immer geladener, was nicht nur an den Unwettern liegt, die zeitweise über die Elbe herüberkommen. Im Verlauf des Romans wird nur ganz allmählich Spannung aufgebaut; so geht es erst ruhiger zu, nachdem Sonnenbergs Leiche entdeckt ist. Hier nimmt sich Loewe viel Zeit, um ihre Hauptfigur Valerie Bloom weiterzuentwickeln. Im Laufe des kurzen Buches lernen wir Valerie von vielen Seiten kennen, wir durchleben ihre Angst angesichts ihrer ungewissen Zukunft mit, ihre Zweifel in Bezug auf ihren selbst geschriebenen heiteren Frauenroman und auch die Zweifel in Bezug auf Jonny Sonnenberg und seinen angeblich natürlichen Tod. In jeder Situation ist Valerie dabei, der Leser verlässt sie nie, sodass Valerie zu einer richtigen Freundin wird.

Sämtliche Figuren wirken wir aus dem wirklichen Leben gegriffen und erscheinen völlig glaubwürdig So plagen Valerie wie viele andere junge Frauen ganz normale Selbstzweifel in Anbetracht einer eher ungewissen Zukunft. Valerie Bloom weiß nicht, was sie vom Leben erwarten soll und wo sie einmal hinmöchte; der Leser erlebt all diese Gefühlsregungen hautnah mit und kann sie verstehen und sogar nachvollziehen. Aber auch die restlichen Dorfbewohner werden mit alltäglichen Macken und Sorgen vorgestellt, selbst der typische Dorfklatsch darf hier nicht fehlen. So gefielen nicht nur die Charakterzeichnungen ausgezeichnet, sondern auch die Schilderung der gesamten Szenerie und all der handelnden Personen, auch wenn aufgrund des geringen Buchumfangs natürlich nicht jeder einzelne Mensch ausführlich hervorgehoben werden konnte.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auch auf der detaillierten Beschreibung sämtlicher Pflanzen und Blumen. Allerlei Blüten finden Erwähnung, und wenn Enno von seinen Pflanzenzüchtungen schwärmt, wird auch der Leser mit diversem Hintergrundwissen über Botanik gefüttert. Für Laien wie mich gehen diese pflanzenkundlichen Erörterungen allerdings an mancher Stelle zu weit, da mir die Historie der Engelstrompete (Brugmansia arborea) und der Unterschied zwischen Brugmansia und Datura eher nebensächtlich erschienen und die Handlung an sich nicht vorantrieben. Nebenbei entsteht durch den Detailreichtum ein immer besseres Bild von Augustenfleth, sodass der Leser sich direkt in die Deichlandschaft versetzt fühlt und hautnah dabei ist.

Über weite Strecken des Buches plätschert die Handlung allerdings nur vor sich hin, da Elke Loewe sich mit näheren Charakterbeschreibungen und Schilderungen der Szenerie im kleinen Dorf zu sehr aufhält. Die Spannung bleibt dabei ein wenig auf der Strecke, denn lange Zeit passiert nichts, das die Handlung vorantreiben könnte. Immer wieder werden unter der Hand die gleichen Verdachtsmomente geäußert, sodass die Geschichte auf fast 200 Seiten nicht recht ins Rollen kommen will. Dem Leser werden dabei genug Informationen an die Hand gegeben, um selbst Mutmaßungen über ein mögliches Mordmotiv anstellen zu können. Schnell scheint klar, was der Pfarrer Sonnenberg zu verbergen hatte. Leider verrät der Klappentext aber im Grunde genommen schon alles, was überhaupt aufgedeckt wird. Für Krimi-ungeübte Leser mag das Ende überraschend kommen, doch wenn man ehrlich zu sich selbst ist, war dies das einzig sinnvolle Ende überhaupt, das einem nicht viel mehr entlocken konnte als ein leichtes Lächeln auf den Lippen und dem Gefühl, es selbst doch schon lange geahnt zu haben. Darüber hinaus streut Elke Loewe nebenbei viele Hinweise ein, die den wahren Täter eindeutig entlarven können, wenn man die richtigen Schlüsse zieht. Ein Mitraten wird hierdurch also ermöglicht, was das Buch doch wieder lesenswert und interessant macht, da man sich als Leser eingebunden fühlt und am Ende keine hanebüchene Auflösung erfahren muss, die vom Himmel fällt.

Es hätte nicht viel gefehlt, um das Buch zu etwas ganz Besonderem zu machen, da die Schilderungen sehr sympathisch und gelungen sind, doch fehlen typische Elemente, die in einem Kriminalroman die Spannung aufrecht erhalten und aufbauen. Um überhaupt Nervenkitzel und Spannung zu empfinden, sollte man vor Lektüre des Buches tunlichst den Klappentext übersehen, da er fast alles verrät, was im Buch passieren wird. Sprachlich gefällt „Engelstrompete“ sehr gut, oftmals merkt man durch die spezielle Wortwahl, dass eine deutsche Autorin am Werke war und kein Übersetzer, der einen fremdsprachigen Text in die eigene Sprache übertragen musste. Elke Loewe hat ein nettes Buch mit glaubwürdigen Charakteren in einer hübschen kleinen Dorfidylle geschaffen, das durchaus zu unterhalten weiß. Doch kann es sich nicht mit Kriminalromanen à la Henning Mankell messen, da Spannung und Grusel etwas zu kurz kommen, fast könnte man das Buch trotz des Todesfalles als „niedlich“ bezeichnen. Mir persönlich sind die Augustenflether dennoch so ans Herz gewachsen, dass ich nun trotz schleppenden Spannungsbogens auch die anderen beiden Bücher über Valerie Bloom lesen werde. Zu einer uneingeschränkten Lobeshymne reicht es jedoch leider nicht aus.