_Kurt Wallander, der James Bond von Ystad?_
Im ZDF lief die TV-Verfilmung dieses frühen Mankell-Krimis von 1994. Ein Vergleich mit der vorliegenden Hörspielfassung fördert einige Abweichungen zutage. Dabei kommt das Hörspiel aber keineswegs schlecht weg.
_Der Autor_
Henning Mankell, 1948 in Stockholm geboren und jetzt in Mosambique lebend, sieht sich selbst weniger als Krimiautor denn als Gesellschaftskritiker. Bereits mit 20 arbeitete er in Stockholm als Autor und Regisseur an einem Theater. In den siebziger Jahren veröffentlichte er mehrere Werke, die sich den Klassenkampf und die Arbeiterbewegung zum Thema machten.
Seit 1990 widmet er sich seinem Hauptwerk: den neun Fällen des Kommissars Wallander. Sie wurden Weltbestseller und alle im |Hörverlag| in Hörspielfassungen veröffentlicht. „Der Mann, der lächelte“ erschien 1994 in Schweden und wurde 2001 von Erik Gloßmann ins Deutsche übersetzt.
_Handlung_
Kurt Wallander, Schwedens bekanntester Kommissar, ist ausgebrannt und bereits fest entschlossen, den Polizeidienst zu quittieren. Die Papiere liegen schon bereit, sein Chef hat extra eine Pressekonferenz einberufen.
Selbst als sein Freund Sten Torstensson, ein Anwalt, ihn bittet, den mysteriösen Unfalltod seines Vaters Ole, ebenfalls Anwalt, zu untersuchen, ändert Wallander seine Entscheidung nicht.
Erst als er am Tag seiner vorgesehenen Entlassung die Todesanzeige Stens entdeckt, erwacht sein kriminalistischer Spürsinn aufs Neue. Er tritt wieder seinen Dienst an, gräbt nach Spuren und wird fündig. Sten Torstensson wurde mit drei tödlichen Schüssen von Profis kaltgemacht.
Ole und Sten Torstensson waren Anwälte, die nur einen Klienten hatten: Alfred Harderberg. Der ist einer der bedeutendsten und angesehensten Unternehmer Schwedens. Allerdings gehörte ihm über Umwege auch eine Firma, über die vier Millionen Kronen Steuern hinterzogen wurden.
Nun scheint Wallander auf einmal gefährlich zu leben: Bei der Sekretärin der beiden Torstenssons stößt er auf eine Landmine, die denn auch prompt detoniert. Später wird er von einem Wagen verfolgt, als er mit seiner neuen Kollegin Ann Britt Höglund unterwegs ist. Nur durch einen winzigen Verdachtsmoment denkt Wallander an eine Autobombe, steigt mit Ann Britt aus – und schon fliegt die Kiste in die Luft!
Wer Wallander kennt, weiß, dass ihn nun nichts mehr aufhalten kann, bis er den Drahtzieher dieser Anschläge gestellt hat. Kandidat Nr. 1 auf seiner Liste: Alfred Harderberg.
_Mein Eindruck_
Der Dramaturg des Hörspiels der Produktionsgesellschaft STIL, Moritz Wulf Lange, hat den Stoff des Romans vor allem auf Aktion getrimmt: Ständig passiert etwas, das die Ermittlungen Wallanders und seiner Kollegen weiterbringt. Das ist für dieses Medium auch völlig in Ordnung. Es ist eine Todsünde, den Zuhörer zu langweilen. Dabei geht allerdings die angeblich „subtil gesponnene Gesellschaftskritik“ (|Der Spiegel|) völlig flöten.
Gegenüber dem Film fehlt auch die Figur der Maja, zu der Wallander so etwas wie eine Liebesbeziehung aufzubauen versucht – was natürlich nicht besonders gut klappt. Die Kollegin Ann Britt des Hörspiels steht jedoch nicht für Bettszenen zur Verfügung – so viel wird deutlich.
[SPOILER]
Was nun das Anliegen betrifft, das Mankell am Herzen liegt, wenn er einen Krimi schreibt: Es geht um Organhandel, den Harderberg organisiert. Nicht ganz die feine englische Art, die man einem Wohltäter Schwedens zuschreiben würde.
[SPOILER Ende]
Die Spannung ist durchweg gewährleistet, und manche Szenen erreichen beinahe schon Gruselqualität, so etwa dann, wenn Wallanders nachts um drei durch den Wald vor Schloss Farnholm kraucht und am Schloss auf eine Leiche stößt …
|Die Sprecher & die Inszenierung|
Alle Sprecher sind professionelle Sprecher, wie deutlich zu hören ist. Am wichtigsten ist natürlich die Figur des Kurt Wallander: Heinz Kloss verleiht dem ebenso beliebten wie beleibten Kommissar eine imposante Statur: einmal voller Energie, dann wieder lethargisch-verpennt, schließlich wieder gegen die Windmühlen der Bürokratie ankämpfend. Dann wird Wallander zum James Bond von Ystad. So kommt es zum Showdown auf der Flughafenpiste.
Die kühl-jazzige Musik erzeugt genügend Spannung, dass man weiterhören möchte, ist aber mehrmals ziemlich einfach gehalten. Zu einfache Tonfolgen – so etwa Arpeggios – können jedoch nerven, zumal dann, wenn sie minutenlang ohne Variation wiederholt werden.
Die Geräusche sind in der Mehrzahl ebenfalls passend eingesetzt, sei es nun eine Kuckucksuhr oder ein startenden Automotor. Insbesondere die Explosionen sind gelungen. Schade, dass diese CD keinen DD-5.1-Sound hat! Am Schluss sind jedoch Luftschutzsirenen zu hören, und das ist nun völlig daneben. Es müssten die Martinshörner eines Krankenwagens sein.
_Unterm Strich_
Aufgrund der spannenden Handlung würde ich dem Hörspiel gerne eine Höchstwertung verleihen, aber die merkwürdigen Schwächen in der Sounduntermalung bringen dem Produkt einen Punktabzug ein.
|Originaltitel: Mannen som log, 1994
ca. 107 Minuten auf 2 CDs|
http://www.hoerverlag.de