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Henning Mankell – Wallanders erster Fall (Hörspiel)

Backpfeifen und Messerstiche: Wallander lebt gefährlich

Als Kurt Wallander seinen ersten Fall löst, ist er Anfang zwanzig, ein junger Kriminalassistent in Malmö und in seine Freundin Mona verliebt. Man schreibt den Juni 1969, und Polizisten gehen gegen Anti-Amerika-Demonstranten vor. Eines Abends findet er seinen Nachbarn erschossen auf dem Küchenboden vor. Die Kripo tippt auf Selbstmord, doch Wallander zweifelt an dieser Erklärung – ganz besonders dann, als die Wohnung des Nachbarn in Brand gesteckt wird und man wenig später auf eine zweite Leiche stößt. (aus der Verlagsinfo)
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Henning Mankell – Die Pyramide (Lesung)

An der schwedischen Küste stürzt ein Sportflugzeug von Drogenkurieren ab. In dem ansonsten so idyllischen Städtchen Ystad, wo Kommissar Kurt Wallander tätig ist, explodiert wenig später das Haus zweier ehrbarer Schwestern. Und zu guter Letzt wird Wallanders Vater in Ägypten wegen Pyramidenbesteigung verhaftet. Unser Serienheld hatte es offenbar schon im Jahr 1989 nicht leicht in seinem Beruf.

Der Autor
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Mankell, Henning – Mann, der lächelte; Der

_Kurt Wallander, der James Bond von Ystad?_

Im ZDF lief die TV-Verfilmung dieses frühen Mankell-Krimis von 1994. Ein Vergleich mit der vorliegenden Hörspielfassung fördert einige Abweichungen zutage. Dabei kommt das Hörspiel aber keineswegs schlecht weg.

_Der Autor_

Henning Mankell, 1948 in Stockholm geboren und jetzt in Mosambique lebend, sieht sich selbst weniger als Krimiautor denn als Gesellschaftskritiker. Bereits mit 20 arbeitete er in Stockholm als Autor und Regisseur an einem Theater. In den siebziger Jahren veröffentlichte er mehrere Werke, die sich den Klassenkampf und die Arbeiterbewegung zum Thema machten.

Seit 1990 widmet er sich seinem Hauptwerk: den neun Fällen des Kommissars Wallander. Sie wurden Weltbestseller und alle im |Hörverlag| in Hörspielfassungen veröffentlicht. „Der Mann, der lächelte“ erschien 1994 in Schweden und wurde 2001 von Erik Gloßmann ins Deutsche übersetzt.

_Handlung_

Kurt Wallander, Schwedens bekanntester Kommissar, ist ausgebrannt und bereits fest entschlossen, den Polizeidienst zu quittieren. Die Papiere liegen schon bereit, sein Chef hat extra eine Pressekonferenz einberufen.

Selbst als sein Freund Sten Torstensson, ein Anwalt, ihn bittet, den mysteriösen Unfalltod seines Vaters Ole, ebenfalls Anwalt, zu untersuchen, ändert Wallander seine Entscheidung nicht.

Erst als er am Tag seiner vorgesehenen Entlassung die Todesanzeige Stens entdeckt, erwacht sein kriminalistischer Spürsinn aufs Neue. Er tritt wieder seinen Dienst an, gräbt nach Spuren und wird fündig. Sten Torstensson wurde mit drei tödlichen Schüssen von Profis kaltgemacht.

Ole und Sten Torstensson waren Anwälte, die nur einen Klienten hatten: Alfred Harderberg. Der ist einer der bedeutendsten und angesehensten Unternehmer Schwedens. Allerdings gehörte ihm über Umwege auch eine Firma, über die vier Millionen Kronen Steuern hinterzogen wurden.

Nun scheint Wallander auf einmal gefährlich zu leben: Bei der Sekretärin der beiden Torstenssons stößt er auf eine Landmine, die denn auch prompt detoniert. Später wird er von einem Wagen verfolgt, als er mit seiner neuen Kollegin Ann Britt Höglund unterwegs ist. Nur durch einen winzigen Verdachtsmoment denkt Wallander an eine Autobombe, steigt mit Ann Britt aus – und schon fliegt die Kiste in die Luft!

Wer Wallander kennt, weiß, dass ihn nun nichts mehr aufhalten kann, bis er den Drahtzieher dieser Anschläge gestellt hat. Kandidat Nr. 1 auf seiner Liste: Alfred Harderberg.

_Mein Eindruck_

Der Dramaturg des Hörspiels der Produktionsgesellschaft STIL, Moritz Wulf Lange, hat den Stoff des Romans vor allem auf Aktion getrimmt: Ständig passiert etwas, das die Ermittlungen Wallanders und seiner Kollegen weiterbringt. Das ist für dieses Medium auch völlig in Ordnung. Es ist eine Todsünde, den Zuhörer zu langweilen. Dabei geht allerdings die angeblich „subtil gesponnene Gesellschaftskritik“ (|Der Spiegel|) völlig flöten.

Gegenüber dem Film fehlt auch die Figur der Maja, zu der Wallander so etwas wie eine Liebesbeziehung aufzubauen versucht – was natürlich nicht besonders gut klappt. Die Kollegin Ann Britt des Hörspiels steht jedoch nicht für Bettszenen zur Verfügung – so viel wird deutlich.

[SPOILER]

Was nun das Anliegen betrifft, das Mankell am Herzen liegt, wenn er einen Krimi schreibt: Es geht um Organhandel, den Harderberg organisiert. Nicht ganz die feine englische Art, die man einem Wohltäter Schwedens zuschreiben würde.

[SPOILER Ende]

Die Spannung ist durchweg gewährleistet, und manche Szenen erreichen beinahe schon Gruselqualität, so etwa dann, wenn Wallanders nachts um drei durch den Wald vor Schloss Farnholm kraucht und am Schloss auf eine Leiche stößt …

|Die Sprecher & die Inszenierung|

Alle Sprecher sind professionelle Sprecher, wie deutlich zu hören ist. Am wichtigsten ist natürlich die Figur des Kurt Wallander: Heinz Kloss verleiht dem ebenso beliebten wie beleibten Kommissar eine imposante Statur: einmal voller Energie, dann wieder lethargisch-verpennt, schließlich wieder gegen die Windmühlen der Bürokratie ankämpfend. Dann wird Wallander zum James Bond von Ystad. So kommt es zum Showdown auf der Flughafenpiste.

Die kühl-jazzige Musik erzeugt genügend Spannung, dass man weiterhören möchte, ist aber mehrmals ziemlich einfach gehalten. Zu einfache Tonfolgen – so etwa Arpeggios – können jedoch nerven, zumal dann, wenn sie minutenlang ohne Variation wiederholt werden.

Die Geräusche sind in der Mehrzahl ebenfalls passend eingesetzt, sei es nun eine Kuckucksuhr oder ein startenden Automotor. Insbesondere die Explosionen sind gelungen. Schade, dass diese CD keinen DD-5.1-Sound hat! Am Schluss sind jedoch Luftschutzsirenen zu hören, und das ist nun völlig daneben. Es müssten die Martinshörner eines Krankenwagens sein.

_Unterm Strich_

Aufgrund der spannenden Handlung würde ich dem Hörspiel gerne eine Höchstwertung verleihen, aber die merkwürdigen Schwächen in der Sounduntermalung bringen dem Produkt einen Punktabzug ein.

|Originaltitel: Mannen som log, 1994
ca. 107 Minuten auf 2 CDs|
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Mankell, Henning – Mann mit der Maske, Der

_Süd trifft Nord: Wallander in der Klemme_

Polizeipräsidium Malmö am Weihnachtsabend. Kommissar Kurt Wallander soll noch bei einer alten Dame vorbeisehen, die sich über einen verdächtigen Mann beschwert hat. Er findet die Frau tot vor und wird selbst niedergeschlagen. Gelingt es Wallander, den Mann mit der Maske zu überführen?

_Der Autor_

Henning Mankell wurde 1948 in Schweden geboren. Heute verbringt der Schriftsteller, Drehbuchautor und Intendant die eine Jahreshälfte in Mocambique, wo er seit 1996 das Teatro Avenida in der Hauptstadt Maputo leitet. Die andere Jahreshälfte verbringt er in Schweden. Für sein vielseitiges Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, so etwa mit dem Deutschen Krimi-Preis und mit dem Deutschen Bücherpreis.

_Der Sprecher_

Axel Milberg, geborten 1956, ist einer der vielseitigsten Schauspieler in Deutschland. Nach Absolvierung seiner Ausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule in München ist er seit 1981 Mitglied des Ensembles der Münchner Kammerspiele. Dort arbeitete er u. a. unter Dieter Dorn, Peter Zadek und Alexander Lang, so etwa in Dorns „Faust“-Inszenierung. Milberg spielte außerdem in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen mit, so etwa in „Rossini“ (1996), „Jahrestage“ (2000) und „Stauffenberg“ (2004), aber leider auch in „Harte Jungs“.

_Handlung_

Es ist Heiligabend 1975, als Kriminalassistent Kurt Wallander im Polizeipräsidium Malmo einen letzten Auftrag vor Weihnachten erhält. Bevor Wallander zu Frau und Kind nach Ystad fährt, möchte Kommissar Hemberg, dass er dem Anruf einer alten Dame namens Elma Hågmann nachgeht und bei ihr nach dem Rechten schaut. Sie mache sich Sorgen wegen einer „sonderbaren Person“. Und es würde ja bloß zehn Minuten kosten. Wallander nickt.

Als er vor dem Lebensmittelladen eintrifft, lässt er den Schlüssel stecken und die Tür offen, denn er denkt, es dauert ja eh nicht lange. Er soll sich getäuscht haben. Der Laden ist leer, doch im Hinterzimmer sieht er eine alte Frau auf dem Boden liegen, in ihrem Blut. Wo aber ist der Täter? Als er sich wegen eines Geräusches umdreht, wird er niedergeschlagen.

Wallander erwacht auf dem Boden des Ladens, gefesselt mit seinem eigenen Abschleppseil. Es ist zehn nach 18 Uhr. Hoffentlich ruft seine Frau Mona bald Hemberg an, um zu fragen, wo er nur bleibt. Ein großer Mann mit schwarzer Maske und Handschuhen bedroht Wallander mit einem Eisenrohr, sagt aber kein Wort. Als er wieder weggeht, streift der Polizist das Seil ab und stürzt sich auf den Zurückkehrenden. Doch dieser zieht eine Pistole und zielt auf Wallanders Stirn.

Wallander verlegt sich aufs Verhandeln, doch der Mann sagt weiterhin kein Wort. Auch auf das mehrmalige Klingeln des Telefons reagiert er nicht. Noch weiß der Mann nicht, dass er es mit einem Polizisten zu tun hat. Da gibt er sich zu erkennen und bittet den Maskierten, die Waffe wegzulegen. Erst da gibt es eine Reaktion. Unter der Maske kommt ein Afrikaner zum Vorschein. Deshalb also konnte er Wallander nicht verstehen. Der Polizist verlegt sich auf Englisch und erhält eine Antwort: Er heiße Oliver und komme aus Südafrika, sei geflohen.

Da wird Wallander einiges klar. In Südafrika herrscht die Apartheid und die weiße Minderheit unterdrückt die protestierende schwarze Mehrheit mit wachsender Brutalität. Er kann sich das Elend, in dem Oliver seit seiner Flucht gelebt hat, vorstellen. Und nun wollte er den Laden einer alten Dame ausrauben, um an ein wenig Geld zu kommen. Das ging schief.

Es ist inzwischen nach 18:35 Uhr. Die Situation eskaliert, als Kommissar Hemberg eintrifft und an die Tür des Ladens klopft …

_Mein Eindruck_

Wallander philosophiert über den Riss nach, den er in der Gesellschaft wahrzunehmen glaubt, erst in der schwedischen, dann in der weltweiten. Als der Mann noch maskiert ist, wundert er sich über die zunehmende Gewalt und Brutalität, die so völlig unmotiviert und sinnlos erscheint. Aber als der Mann seine Maske abnimmt und seine Geschichte von Tod, Verfolgung und Tod erzählt, erhält der Riss ein Gesicht und einen Hintergrund.

Danach verteidigt Wallander den Schwarzen, was Hemberg leider nicht verstehen kann. Der Unterschied ist der, dass Hemberg nur die „Flut von Ausländern“ sieht und deren Gewalt, Wallander aber keine „Flut von Ausländern“ wahrnimmt und im Gegensatz zu Hemberg das Kommen von Leuten wie Oliver versteht. Vertrieben aus einem Gewaltstaat, geflohen in einen Rechtsstaat, glaubte Oliver, sich in Schweden mit Gewalt behaupten zu können. Doch eine einfache Frage Wallanders entwaffnet ihn: „Was würde dein Vater über das denken, was du getan hast und was du immer noch tust?“ Olivers Vater war Mitglied des African National Congress (ANC), der um die Rechte der schwarzen Mehrheit in Südafrika kämpfte. Oliver schämt sich seiner Taten und handelt entsprechend.

Aber die Komplexität dieser Situation scheint Wallander seinem Chef nicht klarmachen zu können. Und wie soll er seiner Frau Mona erklären, was passiert ist – dass er beinahe getötet worden wäre? Sie macht sich eh schon zu viele Sorgen um ihn. Es ist 20:10 Uhr. Er befolgt den Rat Hembergs und sagt Mona nichts davon. So können beide mit Tochter Linda einen schönen Heiligabend verbringen.

|Der Sprecher|

Ich verstehe nicht, warum Axel Milberg vom Verlag so gelobt wird. Seine Leistung ist nicht gerade überragend zu nennen. Er trägt zwar deutlich und gut betont vor, doch alle seine Figuren sind nicht voneinander zu unterscheiden. Für jeden der drei Männer hat er die gleiche Tonlage und Sprechweise. (Oliver kommt eh nicht zu Wort.) Weder Musik noch Geräusche unterstützen seinen Vortrag. Die akustische Umsetzung begeistert mich also überhaupt nicht.

_Unterm Strich_

Das Hörbuch entspricht in jeder Weise dem, was man thematisch von Mankell erwartet. Der Gesetzeshüter der schwedischen Gesellschaft trifft auf einen politischen Flüchtling aus dem südlichen Afrika – ich habe sofort erwartet, er komme aus Mosambik, wo Mankell zeitweilig lebt. Dass Wallander mit einem Opfer der Apartheidspolitik der weißen Regierung in Pretoria konfrontiert wird, ist für die Zeit um 1975 äußerst aktuell. Es ist die Zeit von Steve Biko und des ANC, als sich auch zunehmend westliche Künstler des Problems bewusst werden. (Peter Gabriel komponierte ein Lied über Steve Biko, allerdings erst in den Achtzigern.)

Die Story wird schnörkellos, aber spannend geschildert. Wallanders Verhandlungsversuche werden von Kämpfen abgelöst, ohne zu einem Ergebnis zu führen. Erst als er sein Gegenüber ernst nimmt und sich in dessen Geschichte hineinversetzt, führt er die entscheidende Wende herbei. Wallander handelt hierin stellvertretend für alle westlichen Gesetzeshüter. Das ist vielleicht ein wenig idealistisch von Mankell dargestellt.

Milbergs Vortrag hat mich nicht beeindruckt, sondern eher durch mittelmäßige Kompetenz beruhigt. So konnte ich mich auf das konzentrieren, was im Text gesagt wird. Das ist zwar nicht viel, was sich für Milbergs Vortrag sagen lässt, aber es ist für den Hörer jedenfalls ein Vorteil.

|55 Minuten auf 1 CD|
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Henning Mankell – Die Pyramide (Lesung)

Gefährliche Pyramidenbesteigung: spannend gelesen

Die Aufklärung eines mysteriösen Flugzeugabsturzes in Schonen, Südschweden, führt Wallander in die schwedische Drogenszene. Dass der Mord an zwei biederen Schwestern in ihrem Kurzwarenladen damit zusammenhängt, erkennt er erst spät. Denn er muss seinen eigenen Vater aus dem Gefängnis holen, weil er versucht hat, in Ägypten auf eine Pyramide zu klettern. Es bleibt Wallander nichts anderes übrig, als selbst nach Kairo zu fliegen, nicht ahnend, dass ihn die Rettung seines Vaters auf eine entscheidende Beobachtung für die aktuelle Ermittlung führt … (Verlagsinfo)

Der Autor
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Mankell, Henning – Mörder ohne Gesicht (Lesung)

_Asylanten killen: die Mörder mit der Schrotflinte_

Auf einem abgelegenen Hof in der Nähe von Ystad wird ein altes Ehepaar überfallen und auf unerklärlich grausame Weise getötet. „Ausländer!“ hört man noch von der sterbenden Frau. Als die Öffentlichkeit davon erfährt, wird Schonen von einer Welle ausländerfeindlicher Gewalt überrollt. Wallander ermittelt, geplagt von privaten Problemen, die einen Höhepunkt erreichen, als seine Tochter sich mit einem Kenianer einlässt. (z. T. Verlagsinfo)

_Der Autor_

Henning Mankell wurde 1948 in Schweden geboren. Heute verbringt der Schriftsteller, Drehbuchautor und Intendant die eine Jahreshälfte in Mocambique, wo er seit 1996 das Teatro Avenida in der Hauptstadt Maputo leitet. Die andere Jahreshälfte verbringt er in Schweden. Für sein vielseitiges Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, so etwa mit dem Deutschen Krimi-Preis und mit dem Deutschen Bücherpreis.

_Der Sprecher_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. 1994 wurde er mit dem „Bambi“ ausgezeichnet. Er hat schon zahlreiche Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. Am bekanntesten ist er wohl für seine Mitwirkung an der POE-Hörspiel-Reihe des |Lübbe-Audio|-Verlags.

Regie führte Margrit Osterwold, den Ton steuerte Fabian Küttner. Pleitgen liest eine gekürzte Fassung, die aber immer noch dreimal so lang ist wie jene, die der |Hörverlag| anbietet. Das Titelbild zeigt einen Ausschnitt eines Freskos von Giambattista Tiepolo.

_Handlung_

Es ist der 8. Januar 1990, als morgens um 4:45 Uhr der 70 Jahre alte Bauer Nyström aus dem südschwedischen Dorf Lenhap von der Stille erwacht. Normalerweise ist sein Pferd um diese Zeit schon unruhig, heute aber nicht. Als er zum Stall geht, sieht er, dass das Küchenfenster seines Nachbarn Lövgren offen steht. Dabei ist Johannes Lövgren immer so auf Sicherheit bedacht. Sonderbar. Dann hört er einen Schrei. Auch Nyströms Frau Hanna hört ihn – und das Küchenfenster wurde eingeschlagen! Nyström holt seine Taschenlampe und leuchtet ins Schlafzimmer der Lövgrens: Von Johannes sieht man nur den Fuß auf dem Boden, aber Maria sitzt an der Wand: blutüberströmt, gefesselt. Nyström ruft die Polizei.

Krimonalkommissar Kurt Wallander findet im Schlafzimmer der Lövgrens ein Schlachthaus vor. Blutspritzer bis an die Decke. Lövgren ist seinen schweren Verletzungen erlegen, aber die Frau lebt noch. Er lässt sie schleunigst ins Krankenhaus bringen, doch Stunden später erliegt sie ihren Verletzungen. Sie sagt nur ein letztes Wort: „… Ausländer …“.

Das hat Wallander gerade noch gefehlt. Statt eines „normalen“ Raubüberfalls, für das er diese Wahnsinnstag vorerst hält, soll nun eine Attacke von „Ausländern“ stattgefunden haben? In der Teambesprechung vergattert er alle Kollegen zum Schweigen, und auch in der Pressekonferenz sagt er kein Sterbenswörtchen von „Ausländern“. Dennoch muss es irgendwo ein Informationsleck gegeben haben, denn das schwedische Fernsehen behauptet, der Kommissar ermittle im Zusammenhang mit Ausländern und Asylbewerbern. Von seinen Kollegen beteuert jeder, er habe den Mund gehalten. Es hätte ja jemand aus dem Krankenhaus gewesen sein können. Auch wieder wahr.

Der 9.1.1990. In aller Frühe fährt Wallander zu Nyströms Hof und wird sofort beschossen! Er wirft sich auf den Boden in Deckung und ruft: „Polizei! Nicht schießen!“ Nyströms hat seine Schrotflinte nur in die Luft abgefeuert, ein Warnschuss. Dennoch kann man wohl den Alten als Doppelmörder ausschließen. Wallander überbringt die Nachricht, dass Maria Lövgren verstorben sei.

Lars Herdin, ein Landwirt aus Lenhap, sagt aus, der alte Lövgren sei „ein Schwein“ gewesen. Herdin ist Lövgrens Schwager: Maria war seine „kleine Schwester“. Lövgren habe sie nach Strich und Faden betrogen. Nicht nur hatte er seit den fünfziger Jahren ein Liebchen in Kristianstad, von dem er ein Kind hatte und für das er eine Menge Unterhalt zahlte – mehr als an Maria selbst. Außerdem war Lövgren stinkreich, seit er und sein Vater im Krieg Schlachtvieh an die Deutschen verhökert hatten. Tatsächlich, so findet Wallander heraus, stimmen Herdins Angaben, was das Geld betrifft: Lövgren hatte über eine Million schwedische Kronen in Aktien, Obligationen und Bargeld. Drei Tage vor seinem Tod, also am 4. Januar, hob er 27.000 Kronen ab und im Jahr zuvor jedes Quartal nochmals um die 25.000 Kronen. Wofür brauchte er so viel Geld? Für die Unterhaltszahlungen? Er steckte das Geld auf der Raiffeisenbank in eine braune Aktentasche, doch diese ist spurlos verschwunden. Also war es doch ein Raubüberfall, oder?

Doch die Gegend um Ystad und Malmö ist mittlerweile in Aufruhr. Die Rechtsextremen rufen Wallander an und setzen ihm eine Frist von drei Tagen, um den Täter zu schnappen. Ansonsten würden sie selbst für „Gerechtigkeit“ sorgen. Was dies bedeuten könnte, wird Wallander klar vor Augen geführt, als er am 10. Januar ein Auffanglager für Asylbewerber inspiziert. Ein Molotow-Cocktail setzt eine der Barracken in Brand. Schnell füllt sich die Hütte mit giftigem Rauch. Wallander schlägt beherzt die Scheibe ein und dringt in den Rauch vor. Zum Glück findet er niemanden darin, und was er für einen Schläfer gehalten hat, stellt sich als Matratze heraus. Aber nun greift das Feuer auf die anderen Hütten über. Er schlägt Alarm und befiehlt dem Lagerleiter, die Feuerwehr zu rufen. Auch Ambulanz und Polizei rücken ein.

Nachdem Wallander seine Wunden hat verarzten lassen, ist er der Held des Tages. Doch schon gibt es einen ersten Dämpfer, als die Einwanderungsbehörde anruft und sich über den mangelhaften Schutz der Asylantenheime beschwert. Er sagt der Beamtin gehörig die Meinung, die aufgebracht auflegt. Die Ministerin werde sich bei ihm melden, droht sie. Wallander kann es gar nicht erwarten.

Von seinem Vater, der schon fast 80 und ein erfolgreicher Landschaftsmaler ist, hat Wallander erfahren, dass seine Tochter Linda, die in der Gegend von Malmö lebt, offenbar einen netten Freund hat. Es ist ein Schwarzer, aus Afrika. Wallander weiß nicht, was er davon halten soll, aber er hat kein gutes Gefühl dabei. Als er nach Malmo fährt, um Mona, seine seit drei Monaten geschiedene Frau, zu treffen, entdeckt er Linda und ihren schwarzen Freund am Bahnhof. Er spioniert ihnen nach – und kommt sich dabei wie ein Idiot vor. Das Gespräch mit Mona bringt nichts außer Ärger. Die Info, der Schwarze sei ein angehender Mediziner, beruhigt ihn auch nicht gerade. Als sie geht, beschattet er auch sie. Ein Mann, der die ganze Zeit gewartet hat, holt sie im Auto ab. Wallander fühlt sich elend.

Wenig später wird in der Nähe des Asylantenauffanglagers Hageholm einem Somalier der Kopf mit einer Schrotflinte weggeschossen. Der Rechtsradikale, der Wallander schon zweimal angerufen hat, droht mit einem weiteren Mord: Der wäre die Vergeltung für Maria Lövgren. Der Aufruhr ist erheblich, und Wallander wird vom schwedischen Reichspolizeichef angerufen. Seine Ermittlung in Sachen Ausländermord habe oberste Priorität! Nun, immerhin stehen Wallander nun unbegrenzte Mittel zur Verfügung.

Die Jagd geht nun erst richtig los. Aber der Mordfall Lövgren wird dadurch in keiner Weise gelöst. Wallander bringt sich so gesehen völlig umsonst in höchste Lebensgefahr.

_Mein Eindruck_

Mankell kontrastiert wieder einmal das von seltenen Höhen und vielen Tiefpunkten gekennzeichnete Privatleben seines Helden mit dessen beruflichen Erfolgen, die doch ganz beträchtlich sind. Es ist merkwürdig, dass Wallanders Kollegen – zumindest bis zu einer gewissen Hierarchiegrenze, wo die Politik anfängt – durchweg alle auf seiner Seite stehen, und sogar die Staatsanwältin ihn bewundert und unterstützt. Sicher würde er sich insgeheim wünschen, dass auch sein Privatleben so funktionieren würde, aber das gesteht er sich erstens nicht ein und zweitens hat Kriminalkommissar Wallander auf privater Ebene eh nichts zu befehlen. Daraus resultiert eine ganze Menge Leid für ihn. Ich bewundere, dass es ihm gelingt, die beiden konträren Verhaltensweisen stets auseinander zu halten. Misslingt ihm dies auf privater Ebene, gibt es meist Stunk. Seine Entschuldigung: Er war angetrunken. Und er schickt Blumen.

Das Thema dieses Wallander-Romans ist unübersehbar die Ausländerproblematik. Sie war Anfang der neunziger Jahre nicht das alleinige Problem Schwedens, sondern aller europäischen Länder. Das Ende des Kalten Krieges, der Zusammenbruch der Sowjetunion, der neu entbrannte Balkankrieg, der zweite Golfkrieg – sie alle erzeugten damals eine Flut von Flüchtlingen, die in aller Herren Länder vertrieben wurden. Doch unter die berechtigten Asylsuchenden mischten sich auch skrupellose Verbrecher aus dem ehemaligen Ostblock. Und auf die Unterscheidung dieser beiden Gruppen achtete bis dahin niemand. Das Asylantengesetz Schwedens war ebenso großzügig ausgelegt wie das deutsche, und Leute, die aus den Asylantenlagern verschwanden, wurden nicht verfolgt. Die Erlebnisse Wallanders spiegeln genau die damalige Wirklichkeit wider.

Wallander ist, als er auf diese Zustände stößt, verständlicherweise aufgebracht, aber er wirkt hilflos: nur ein kleiner überarbeiteter Beamter, der von den Politikern und Bürokraten auch nur in den Hintern getreten wird, weil er angeblich nichts unternehme. Die sollten sich seiner Ansicht nach mal an die eigene Nase fassen und dafür sorgen, dass den Rechtsradikalen der geistig-moralische Nährboden entzogen wird statt über Symptome ihrer eigenen Politik zu jammern. (In „Der Tod des Tanzlehrers“ greift Mankell das Thema erneut auf und zeigt eine faschistische Untergrundorganisation mit Verbindungen zur hohen Politik.)

Über all diesem Tohuwabohu gerät der Doppelmord an den Lövgrens fast in Vergessenheit. Die ungewöhnliche Schlinge, das Wort „Ausländer!“, Lövgrens rätselhaftes Verhalten, vor allem aber die sinnlose Brutalität des Überfalls beschäftigen und erschüttern Wallander. Und der Fall wäre um ein Haar bei den Akten gelandet, wenn Wallander nicht Kommissar Zufall zu Hilfe gekommen wäre. Dadurch wird dem Leser bzw. Hörer noch ein actionreiches Finale geliefert, das sich sehen lassen kann. Allerdings habe ich den beeindruckenden psychologischen Horror, den Mankell in „Die fünfte Frau“ evozieren konnte, sehr vermisst. Dafür ist die Handlung in „Mörder ohne Gesicht“ zu unausgeglichen, zu disparat.

_Der Sprecher_

Ulrich Pleitgen ist am besten, wenn er die Sprechweise von Männern gesetzteren Alters nutzen darf, um sie angemessen zu charakterisieren. Ein Wucherer, der sich als Eisenwarenhändler getarnt hat, wird beispielsweise von Wallander ausgefragt, bleibt aber die ganze Zeit äußerst ruhig und beherrscht. Die Stimmlage dieser Figur ist tief, die Sprechweise langsam, die Ausdrucksweise umgangssprachlich – ein selbstsicherer Typ aus der Arbeiterklasse.

Am beeindruckendsten ist hingegen die Figur von Rudberg, dem alten Mentor Wallander, der im Buch an Krebs stirbt. Er klingt heiser, langsam, insgesamt sehr alt, aber seine Meinung ist fest und willensstark: „Bring die Verbrecher zur Strecke, Kurt!“ Noch heftiger drückt sich Wallanders Vater aus, denn er legt seine volle väterliche Autorität in seine Ausdrucksweise. Als Wallander zaghaft protestiert, fühlt sich sein Vater angegriffen und brüllt ihn nieder. Kein netter Typ, der Opa, aber man muss sich dennoch um ihn kümmern.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist Pleitgens Darstellung von jüngeren Männern und von Frauen. Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber Figuren wie Martinsson, ein junger Kriminaler, der beherzt zupacken kann, klingen doch nur etwas schwach im Vergleich zu den älteren Herrschaften. Am sympathischsten unter den Frauenrollen ragen Annett Brolin, die äußerst attraktive Staatsanwältin, und Britta Lena Bodén, die Bankangestellte mit dem phänomenalen Gedächtnis, heraus.

Was ich noch unbedingt erwähnen muss: Pleitgen spricht die schwedischen Namen einwandfrei aus, so dass sie genauso klingen wie aus dem Munde eines Einheimischen, aber natürlich ganz anders, als man sie auf gedrucktem Papier vorfinden würde. Lund wird „Lünd“ ausgesprochen, „Peters“ wie „petersch“ und „Kristianstad“ klingt wie „krischanstad“. Das ist schon ein wenig gewöhnungsbedürftig. Aber ich verlasse mich darauf, dass das seine Richtigkeit hat, denn in den Liza-Marklund-Hörbüchern spricht Judy Winter ebenfalls auf diese Weise.

_Unterm Strich_

Nach einem horrormäßigen Anfang gleitet die Handlung unmerklich in einen ganz anderen Handlungsstrang hinüber, nur um nach dessen actionreicher Abwicklung in einer Sackgasse zu landen. Mankell kann es wirklich spannend machen, und erst kurz vorm Finale lässt er seinen Helden die rettende Erleuchtung zuteil werden. Ich kann mir gut vorstellen, aus welchen Gründen Wallander Millionen Lesern in aller Welt ans Herz gewachsen ist und sie ihm mittlerweile nachtrauern, weil Mankell ihn durch Wallanders Tochter Linda hat ablösen lassen.

Dieser Fall sorgt für etliche Überraschungen, Leidens- und Liebesszenen, aber auch für drei Verfolgungsjagden, bei denen ich mich wunderte, dass Wallander mit seinen 45 Jahren noch so sportlich agiert, wenn auch nicht immer glücklich. Einmal bricht er sich um ein Haar das Genick und wird zweimal fast erschossen. Offenbar hat der Kommissar einen wirkungsvollen „Schutzengel“. Dennoch fehlte mir die psychologische Spannung aus „Die fünfte Frau“.

Der Sprecher Ulrich Pleitgen macht seine Sache gewohnt gut und erweckt die Figuren zum Leben. Das zeigt sich besonders an den älteren Herrschaften, denen seine raue und tiefe Stimme am meisten zugute kommt. Auch zwei Frauengestalten gestaltet er auf sympathische Weise, wie es der Autor vorgesehen hat. Daher konnte ich mich kaum von Pleitgens Vortrag losreißen. Ständig wechselndes Personal und etliche Überraschungen sorgten dafür, dass ich wie gebannt zuhörte, was denn Wallander als nächstes widerfährt. Ein Wermutstropfen in dieser Freunde war lediglich der hohe Preis von knapp 30 Euroenen, aber bei Amazon.de gibt es das Hörbuch eventuell günstiger.

|Originaltitel: Mördare utan Ansikte, 1991
448 Minuten auf 6 CDs|
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