Marmell, Ari / Shomshak, Dean / Suleiman, C.A. – Vampire: Requiem

1. |“Darf ich bitten?“ fragte sie mich. In jener Nacht starb ich.
Es war kalt, Winter, und obwohl das Wetter kaum eine Bedeutung für uns hatte, erstickte die Kälte in ihr die Glut des Feuers, das auf ihrer Terrasse brannte, und wucherte nach außen – wurde zum ebenbürtigen Pendant der eisigen Kälte der Jahreszeit. Wir tanzten, meine Hand lag auf ihrem Rücken, und doch war sie es, die mich führte. Die Musik erklang von … irgendwoher. Streicher. Ein Klavier. Das war alles. Ich bekam die Musiker nie zu Gesicht, obwohl ich die Melodie hörte, die sie spielten. Es war seltsam, zu einem solchem Stück zu tanzen: Es war ein Klagelied, fast ein Requiem. Der Wind bauschte die Vorhänge. Wir tanzten, und sie schmiegte sich an mich, als wollte sie meinen Hals küssen. Doch sie schenkte mir keinen Kuss, sondern die süßeste Verdammnis. Dann nahm sie mir das Leben, und ich spürte meine Kraft aus meiner Kehle quellen wie eine karmesinrote Blüte – und danach gab sie mir das Leben zurück.|
(Auszug aus dem Quellenband)

2. _Über die Vampire_

„Vampire: Requiem“ ist ein Quellenbuch, das auf dem [„Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“ 1607 aufbaut und in dem der Spieler in die Rolle eines, oh welche Verwunderung, Vampirs schlüpft. Der Spieler übernimmt einen Blutsauger und führt ihn durch die Welt der Dunkelheit. Doch sie sind nicht genauso wie die Vampire in vielen Romanen. Kreuze schrecken sie meist nicht, und auch der Knoblauch ist reine Geschmackssache.

Die Vampire leben unter den Menschen und halten sich an etwas, das sich die Maskerade nennt, das heißt, sie geben sich den Menschen nicht zu erkennen und leben unter ihnen als Wölfe im Schafspelz. Sie besitzen durchaus, zumindest die meisten, menschliche Züge und Verhaltensweisen, doch lauert in ihnen allen das Tier. Dies ist die raubtierhafte Seite eines Vampirs, es kennt keine Freunde, keine Angst, nur den Willen zu überleben und den unstillbaren Hunger nach Blut.

Und so kommt es zu diesem Zustand, den die Untoten das Requiem nennen. Denn je älter ein Vampir wird, desto mächtiger wird er auch. Allerdings wird dann normalerweise auch das Tier stärker. Also läuft es darauf hinaus, dass das Unleben der Kinder der Nacht, wie sich die Vampire nennen, ein gewaltiger Walzer ist, der sich zum Untergang hin bewegt. Der Vampir wird immer monströser, seine Menschlichkeit geht verloren, und er wird zum sprichwörtlichen Monster. Doch diese Phase kann Jahrzehnte oder gar eher Jahrhunderte dauern.

In der Zwischenzeit gibt er sich dem Danse Macabre hin. Vampire sind zwar eigentlich einzelgängerische Jäger, doch fühlen auch sie sich zu einer Gemeinschaft hingezogen. Die meisten unter ihnen lieben es zu intrigieren und Fehden untereinander auszutragen. Und solche Zwiste können sich über eine lange Zeit erstrecken, denn die Ewigkeit ist relativ lang … Aber bis dahin hat der Spieler genug Zeit, Spaß am Unleben seines Charakters zu haben.

3. _Aufmachung des Buches_

Das Quellenbuch ist, wie fast schon typisch für den |Feder & Schwert|-Verlag, in erstklassiger Aufmachung erschienen. Außen wird es von einem blutroten Hochglanzhardcover geschmückt, auf dem eine Frauenhand und fallende Rosenblätter zu sehen sind. Das hat einfach Stil und lässt das Herz eines jeden Vampirfans höher schlagen. Innen wechseln sich kleine Prologe und Geschichten (siehe oben zu Beginn der Rezension) mit tollen Zeichnungen ab. In den U.S.A. hat das amerikanische Original „Vampire: The Requiem“ bei den |Ennie|-Awards (amerikanischer Spielepreis) die silberne Medaille für die besten Illustrationen erhalten. Und das, wie ich denke, zu Recht. Übrigens gab es die goldene Medaille in der Kategorie bestes Quellenbuch.

In Kapitel eins wird ausführlich auf die vampirische Gesellschaft im Allgemeinen eingegangen. Erläutert werden das bereits erwähnte Requiem, der Danse Macabre, die verschiedenen Stellungen innerhalb der Vampirgesellschaft, deren Traditionen, deren Bünde und Sekten. Im zweiten Kapitel wird die Charaktererschaffung, sprich die Veränderungen vom Menschen („Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“) zum Vampir erläutert. Ebenso finden die fünf Vampirclans und deren übernatürlichen Kräfte Erwähnung, Disziplinen genannt. Kapitel vier und fünf befassen sich mit den vampirspezifischen Regeln sowie allerlei nützlichen Tipps für den Spielleiter. Zum Schluss wird noch New Orleans als Stadt mit ihrer vampirischen Gesellschaft als Beispieldomäne vorgestellt.

3. _Regeln_

Die grundlegenden Regeln sind in „Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“ enthalten und werden in „Vampire: Requiem“ nicht erläutert. Also erwähne ich noch einmal, dass dieses Quellenbuch ohne das Grundregelwerk nicht spielbar ist. So wird zum Beispiel nur gezeigt, wie man einen Charakter modifiziert, nicht, wie man einen erschafft.
Das wichtigste Detail sind die fünf Vampirclans Daeva, Gangrel, Mekhet, Nosferatu und Ventrue. Jeder Spieler muss sich einen Clan aussuchen, dem sein Vampir angehören soll. Der dieser bestimmt dann sowohl die Disziplinen, die einem Charakter zustehen, als auch eine Schwäche unter welcher der Untote leidet, die so genannte Clansschwäche. So wirken Angehörige des Clans Nosferatu auf andere abstoßend und beunruhigend.
Auch die Regeln zur Nutzung der Disziplinen und zur Aufnahme von Blut und deren Folgen sind natürlich enthalten.

4. _Änderungen zu „Vampire: Die Maskerade“_

Erstmal vorweg: „Vampire: Requiem“ ist nicht die Fortsetzung von „Vampire: Die Maskerade“ nach Gehenna. Das neue „Vampire“ hat eine gänzlich andere Vorgeschichte und ist daher lediglich vom Vorgänger inspiriert.

Allerdings gibt es einige Gemeinsamkeiten. So haben sich viele Disziplinen wie Auspex, Geschwindigkeit, Seelenstärke, Beherrschung oder Gestaltwandel nur marginal verändert. Die Seelenstärke heißt jetzt jetzt Zähigkeit und ist nicht dauern aktiv, sondern muss pro Szene mit einem Blutpunkt aktiviert werden. Auspex zum Beispiel hat sich so gut wie gar nicht verändert. Andere Disziplinen wie Quietus oder Fleischformen sind komplett weggefallen. Ich muss sagen, ich finde das positiv, da speziell Fleischformen schon ziemlich stark war und so zur Powergamig-Disziplin verkommen ist. Zudem gibt es jetzt nur noch fünf Clans und deren Blutlinien. Auch hier sind die Ähnlichkeiten unverkennbar.

So werden jedem alt gedienten Vampirespieler die Namen der Clans Gangrel, Nosferatu oder Ventrue und deren Blutlinien Malkovianer (Ventrue!!), Bruja (Gangrel) oder Toreador (Daeva), trotz veränderter Schreibweise ziemlich bekannt vorkommen. Die Reduzierung der Clans finde ich äußerst sinnvoll, da es durch die starke Spezialisierung selbiger zu einer Stereotypenbildung kam. So war ein Assamit sofort als Meuchelmörder abgestempelt und ein Tremere ein untoter Merlin. Dadurch, dass man weniger Clans hat, diese aber allgemeiner gehalten worden sind, wurde dieses vermieden. Solcherart kann man nicht so leicht auf den Clan schließen, auch deshalb, weil die Clansschwächen entschärft worden sind. Zum Beispiel nimmt ein Gangrel jetzt nur noch geistig tierische Züge an und rennt nicht mehr mit einem sprichwörtlichen Affenarsch herum.

Die Regeln für die Generationen und die Diablerie wurden sinnvoll verändert. So ist das Generationenkonzept komplett gekippt worden. Die Stärke eines Vampirs wird jetzt mit der Kraft seines Blutes (der Potestas) angegeben. Allerdings hat das Kind eines alten Vampirs den gleichen Wert in Potestas wie das Kind eines jüngeren Blutsaugers. Das bedeutet, ein Aufstieg ist nicht mehr nur durch Diablerie möglich, sondern auch durch Erfahrung, sprich Erfahrungspunkte. Wer dennoch per Diablerie aufsteigen möchte, weil das zweifelsfrei schneller geht, muss erhebliche Nachteile wie Blutsucht, Beuteeinschränkung oder gar lange Starre in Kauf nehmen. Ich hoffe, dass das sinnlose Ausgesauge damit endlich ein Ende hat.

Was ich noch besonders gut finde, sind die Bünde, die die Camarilla und den Sabbat ersetzt haben. Anstatt der zwei aus dem Vorgänger gibt es jetzt sechs Sekten, die sich untereinander alle mehr oder weniger gut leiden können. Auch hier wird es rollenspielerisch um einiges interessanter, da die Nuancen entsprechend feiner sind.

6. _Fazit_

„Vampire: Requiem“ ist eine gelungene Weiterentwicklung mit sehr sinnvollen Regeländerungen. Es ist sowohl für alte Hasen als auch für Neueinsteiger in das Thema ohne Einschränkung zu empfehlen. Mir persönlich gefällt es deutlich besser als der Vorgänger, und ich muss sagen, ich freue mich bereits auf die nächtelangen Vampirwanderungen durch die Welt der Dunkelheit!