Miller, Frank / Darrow, Geof – Hard Boiled

Bei dem Namen Frank Miller denkt man an Titel wie „300“, „Batman“ und „Sin City“. Mit der Neuauflage von „Hard Boiled“ findet nun ein weniger bekanntes Werk den Weg zurück in die Regale. Gewalt und Gesellschaftskritik gibt es auch hier, wie nicht anders zu erwarten von dem hartgesottenen US-Comic-Star.

Hinter dem Titel „Hard Boiled“ könnte man so ziemlich jede Art von Geschichte verstecken, die mit harten Kerlen, Action und Gewalt zu tun hat. Vielleicht haben Frank Miller und Geof Darrow diesen nichtssagenden Titel ausgesucht, weil sie nichts zu sagen hatten. Beim flüchtigen Drübergucken denkt man jedenfalls nicht lange nach, hat bloß harte Kerle, Action und Gewalt im Kopf. Und siehe da, beim Durchblättern: Auch zwischen den Buchdeckeln hält der Titel, was er verspricht! Harte Kerle, Action und Gewalt! Wurde da etwa Philip K. Dicks Science-Fiction-Satire hirnlos verwurstet und auf ein unterhaltsames Prügelvergnügen reduziert?

Zunächst soll etwas Klarheit geschaffen werden. Der harte Kerl in dem neuen Band von| Cross Cult| hat mehrere Namen. Mal heißt er Nixon, mal Harry Seltz, mal Harry Burns, mal Carl Burns und am Ende auch Einheit Vier. Trotz der vielen Namen ist es immer dieselbe Figur. Einheit Vier ist Zweierlei. Auf der einen Seite ist er ein knallharter, knallroter Roboter unter einem Fleischkostüm. Auf der anderen Seite ist er ein Steuerbeamter, der ein friedliches Leben in der Vorstadt führt. Ehefrau, zwei Kinder, Eigenheim. Die letztgenannte Person ist er nur in seiner Phantasie. Das Bewusstsein, Familienvater und ein echter Mensch zu sein, ist bloß eine Illusion, implantiert von skrupellosen Wissenschaftlern, um den Killer-Roboter besser kontrollieren zu können. Für Einheit Vier (und den Leser) ist dieser Unterschied marginal. Nixon schliddert von einem Fiebertraum in den nächsten, die Grenze zwischen Fiktion und Phantasie weicht langsam auf.

Zu Action und Gewalt braucht man eigentlich nicht viel zu sagen. In außergewöhnlich detailreichen und realistischen Bilder schildert Geof Darrow Verfolgungsjagden, Schlägereien und Schusswechsel. Trotz der realistischen Bilder werden die expliziten Szenen immer so weit übertrieben, dass man beim Lesen nie in die Verlegenheit gerät, sie für realistisch zu halten. Es ist ein ganz und gar künstliches Universum, in das Autor und Zeichner da den Leser werfen. Zur Gewalt gesellt sich übrigens auch noch Sex, nicht als zentrales Thema, aber doch wahrnehmbar, mit einer ähnlichen Gewichtung wie bei Frank Millers „Sin City“, wo Sex eben auch eine Rolle, aber nicht die entscheidende Rolle spielt.

Zwischen den Zeilen klang bereits an, dass „Hard Boiled“ Satire ist. Satire versucht, sich durch bestimmte Methoden über bestimmte Personen und Anschauungen lustig zu machen. Beispielsweise durch Ironie und Übertreibung. Und es ist herrlich ironisch, wenn Nixon auf dem Boden sitzt, das künstliche Fleisch vom Gesicht und den Händen abgelöst, so dass man seine roten Metallknochen sieht, und vor sich hinsagt: »Ich dachte, ich wäre ein Durchschnittstyp!« Es ist herrlich übertrieben, wenn der Chef von Nixons Firma gezeigt wird, unglaublich fett, angehängt an eine Apparatur, die endlos Pepsi und Pommes nachschiebt. Miller übertreibt nicht nur die Gewalt, sondern er übertreibt, wo er nur kann.

Die Person, über die sich in „Hard Boiled“ lustig gemacht wird, ist der Durchschnittstyp, für den Nixon sich hält. Dieser Durchschnittstyp hat ein Haus in der Vorstadt, eine Frau und zwei bezaubernde Kinder. Er fährt tagtäglich zu seinem langweiligen Job bei der Steuerbehörde, ohne dass sich irgendetwas verändert. Extreme sind ausgeschlossen, die Tage gleichen einander wie ein Ei dem anderen. Das Ende der Geschichte entlässt den Leser in fabelhafte Zweifel. Haben wir wirklich einem Super-Roboter zugeguckt, der sich für einen Durchschnittstypen hält? Oder haben wir einem Durchschnittstypen zugeguckt, der sich ausmalt, wie es wäre, ein Super-Roboter zu sein? Brillant, dass diese Kehrseite der Medaille in „Hard Boiled“ auch sichtbar wird. Hirnlose Verwurstung ist das auf gar keinen Fall. Ein unterhaltsames Prügelvergnügen bleibt es natürlich trotzdem.

|Originaltitel: Hard Boiled, Dark Horse Comics 1990
Ausgezeichnet mit dem Eisner Award
128 Seiten, farbig, 28,5 cm
Empfohlen ab 16 Jahren
ISBN-13: 978-3-936480-90-0|
http://www.cross-cult.de/

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