Kirstein, Rosemary – magische Juwel, Das (Die Expedition der Steuerfrau 1)

Rowan ist eine Steuerfrau. Der Orden der Steuerfrauen hat sich dem Wissen verschrieben, und so ist Rowan seit Beendigung ihrer Ausbildung auf Reisen. Die Entdeckung eines eigenartigen blauen Juwels hat ihre Neugierde geweckt, nun versucht sie, der Herkunft der Steine auf die Spur zu kommen, indem sie andere befragt, die ebenfalls welche gefunden haben. Denn das ist das Besondere an den Steuerfrauen: Jeder steht ihnen Rede und Antwort. Im Austausch beantworten die Steuerfrauen jede Frage, die ihnen gestellt wird, so gut sie können. Und sie sagen immer die Wahrheit.

Diesmal allerdings hat Rowan mit ihren Fragen offenbar in ein Wespennest gestochen! Nicht nur, dass sie mitten in der Nacht von einen Mann mit einem Schwert angegriffen wird, in der Hafenstadt Donner wird ihre Herberge kurz vor Sonnenaufgang von einer Horde Drachenschlüpflinge überfallen und restlos niedergebrannt! In Rowan keimt der Verdacht, dass jemand ihre Nachforschungen unterbinden will. Umso entschlossener ist sie, das Rätsel zu lösen. Dafür verlässt sie sogar den Orden der Steuerfrauen. Denn um sich vor ihren Verfolgern zu verbergen, ist sie gezwungen zu lügen …

Rowan ist eine sehr selbständige und unabhängige Person. Am liebsten reist sie allein. Zu ihrer Ausbildung gehörte auch der Schwertkampf, sodass sie durchaus in der Lage ist, sich gegen die wenigen Personen, die einer Steuerfrau das Gegenteil der üblichen Achtung entgegenbringen, ihrer Haut zu erwehren. Die junge Saumländerin allerdings, die sie im Gasthof nach ihrem Juwelengürtel befragte, hat es ihr irgendwie angetan. Also erlaubt sie ihr, sie zu begleiten. Bald sind die beiden gute Feundinnen. Denn im Grunde ist Rowan eine weichherzige, freundliche Frau. Ihre herausragendsten Eigenschaften jedoch sind ihr rascher Verstand und ihre Wissbegierde.

Bel, die junge Barbarin, die Rowan neuerdings begleitet, ist in erster Linie Kriegerin. Rowans Einstellung zu vielen Dingen kann sie des Öfteren nicht ganz folgen, und gelegentlich nimmt sie sich die Freiheit, ihr den Kopf ein wenig zurechtzurücken. Abgesehen davon ist sie äußerst anpassungsfähig, gleichzeitig klug und fast so neugierig wie Rowan selbst.

Die beiden ergänzen sich wirklich gut. Willam wirkt da ein wenig wie ein Anhängsel. Die beiden Frauen haben den Vierzehnjährigen auf ihrem Weg nach Osten aufgegabelt. Er ist auf der Suche nach einem Magus, der bereit ist, ihn als Lehrling anzunehmen. Bauern- oder Handwerksburschen nehmen die Magi allerdings normalerweise nicht als Lehrlinge an, ganz im Gegensatz zu den Steuerfrauen, die ihr Wissen mit jedem teilen, der sich dafür interessiert. Immerhin hat Willam es bereits geschafft, sich ein wenig Magie selbst beizubringen, dumm ist er also nicht. Er sagt aber auch nicht immer die Wahrheit, wie Rowan und Bel ziemlich schnell bemerken. Im Gegenzug merkt auch Willam, dass mit seinen neuen Reisebegleiterinnen etwas nicht stimmt. Vor allem Rowan kann er nicht ausstehen. Es dauert eine ganze Weile, bis die drei sich zusammenraufen.

Abgesehen von diesen drei Hauptpersonen sind die Magi interessant. Die Magi sind ein recht eigenbrödlerischer Haufen, sie grenzen sich von allen ab, auch untereinander. Ihr Wissen geben sie nur an ihre Lehrlinge weiter. Nach welchen Kriterien genau diese ausgewählt werden, worin das Wissen der Magi genau besteht und was sie damit tun, weiß niemand. Auch nicht die Steuerfrauen! Denn die Magi weigern sich, den Steuerfrauen zu antworten, was zu einer recht gespannten Situation geführt hat. Die Steuerfrauen ihrerseits beantworten nur die Fragen von Leuten, die auch die Fragen der Steuerfrauen beantworten. Das schert die Magi wiederum wenig.

Beim Volk sind sie ebenfalls nicht sehr beliebt. Sie sind in zwei Gruppen gespalten, Rote und Blaue, und überziehen das Land regelmäßig mit Krieg. Damit nicht genug, wechseln einige von ihnen offenbar ständig die Fronten. Einer von ihnen scheint besonders unangenehm zu sein, Abremio, der seine Domäne in Willams Heimat hat. Corvus dagegen scheint zumindest vernünftigen Argumenten zugänglich zu sein. Denn befehlen lassen die Magi sich nicht. Eigentlich …

Kirsteins Helden sind wohltuend durchschnittlich. Keiner von ihnen ist umwerfend schön, außerordentlich begabt oder auf sonst eine Weise hervorragend. Es gibt auch keine Prophezeiung, welche die Handlung oder Charaktere in irgendeine Richtung zwingt. Zur Abwechslung ist es mal ganz angenehm, von Leuten zu lesen, die nicht vom Schicksal in ihre Rolle gepresst wurden, sondern ihre Entscheidungen aus freiem Willen treffen. Bisher geht es auch noch nicht darum, die Welt zu retten; wobei sich die Angelegenheit durchaus noch in diese Richtung entwickeln könnte.

Vorerst will Rowan lediglich etwas herausfinden. Das verleiht dem Ganzen einen Hauch von Detektivgeschichte. Die Fantasyelemente beschränken sich auf die Magie und den kurzen Auftritt der Drachen. Eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Genre fällt daher schwer, was mich persönlich aber nicht störte.

Die Handlung an sich verläuft eher ruhig. Dass jemand Rowan an ihrem Tun hindern will, auch durch Gewaltanwendung, sorgt zwar für ein wenig Action, insgesamt trägt sich das Geschehen aber mehr durch Neugierde als durch Spannung. Der Hauptansatz liegt dabei in dem blauen Juwel, an dem wohl irgendetwas Besonderes sein muss, wenn jemand sich solche Mühe gibt, Rowan auszuschalten. Abgesehen davon will der Leser natürlich auch noch wissen, was mit Janus geschehen ist, wer Slado ist und was die Magi eigentlich die ganze Zeit so treiben … Im Laufe der Geschichte werden allerdings wesentlich mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Das mag manch einer als ziemlich unbefriedigend empfinden, zumal das Buch mit seinen gerade mal vierhundert Seiten recht kurz ausgefallen ist. Andererseits ist es nicht in sich abgeschlossen, sondern nur der erste Band eines Zyklus, und in dem Gespräch zwischen Rowan und dem Magus Corvus werden einige Dinge erwähnt, die ziemlich deutlich auf die zunehmende Ausweitung des Geschehens hinweisen.

Im Grunde ist dieser Band nicht mehr als die Einleitung. Entgegen meiner Befürchtung lag das diesmal aber nicht am Verlag. Am Ende des Buches sieht der Leser sich durchaus interessanten Aussichten gegenüber. Kirsteins Ideen haben noch eine Menge Potenzial für weiteren Ausbau, ihre Charaktere sind sympatisch. Die Mischung aus Fantasy und „Schnüffelei“ war so ausgewogen, dass ich das Ganze als angenehme Abwechslung empfand. Als mitreißend oder fesselnd kann man die Geschichte nicht bezeichnen, gerade im Vergleich beispielsweise zu Clemens‘ Hexenzyklus, den ich unmittelbar davor zu Ende gelesen hatte. Interessant fand ich sie trotzdem; bisher mag der Zyklus nicht zu den absoluten Rennern gehören, aber man kann ihn durchaus mit Gewinn lesen.

Rosemary Kirstein ist Amerikanerin und hat schon in den unterschiedlichsten Berufen gearbeitet. Außerdem ist sie in der Folk-Szene aktiv, spielt Gitarre und singt. Die einzelnen Bände ihres Zyklus |Die Expedition der Steuerfrau| sind mit teilweise erstaunlichem zeitlichem Abstand entstanden. Außer „Das magische Juwel“ ist auf Deutsch bisher nur „Das Geheimnis des Saumländers“ erschienen. Das Erscheinen des dritten Bandes „Der verschwiegene Steuermann“ ist für Mai dieses Jahres geplant, für den vierten Band gibt es noch keine Angaben.

Band 2: [„Das Geheimnis des Saumländers“ 2200

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