Thomas F. Monteleone – Das Blut des Lammes

Vatikan – Stadt des Bösen

Pater Amerigo Ponti wird 1967 Mitglied der „Sonderkommission des Papstes“, einer Kommission, über die niemand auch nur Gerüchte zu spinnen wagt. Er soll etwas stehlen, eine geheimnisvolle Glasphiole, deren mysteriöser Inhalt Ponti in blankes Erstaunen versetzt. Als er die Phiole seinem Auftraggeber übergibt, wird ihm das Lebenslicht ausgepustet.

Nach diesem Prolog richtet Monteleone seine Kamera in das Jahr 1998, auf das Leben von Pater Peter Carenza. Der ist gutaussehend, hat eine wohlklingende Stimme, zeigt massig Einsatz und ist von idealistischer Intelligenz – einfach jeder liebt ihn. Er selbst ist mit seinem Leben zufrieden, bis plötzlich ein Blitz aus seinen Händen schießt und einen Jugendlichen tötet, der Peter gerade hatte überfallen wollen.

Gleichzeitig hat Ordensschwester Etienne beunruhigende Visionen von düsteren Dingen, die sich in unsere Welt zu kämpfen versuchen. Sie möchte den Papst sprechen. Nur der, sagt sie, könnte die wachsende Gefahr aufhalten, aber keiner ist bereit ihr zu glauben, geschweige denn, ihrem Wunsch zu entsprechen.

In Brooklyn indes ist Peter Carenza völlig außer sich über das, was er getan hat – er wendet sich erst an seinen Vorgesetzten (der ihm nicht glaubt) und dann an seinen besten Freund Daniel Ellington (der ihm glaubt). Die Journalistin Marion Windsor berichtet über den verbrannten Jugendlichen und stößt dabei selbst auf Peter Carenza, dessen Charme sie beinahe augenblicklich erliegt.

Ihre Berichterstattung jedenfalls schlägt wie eine Bombe in der Vatikanstadt ein und rüttelt dort einen geheimen Klüngel wach, der schon lange auf derartige Nachrichten gewartet hat. Jener Klüngel ist es auch, der Carenza unter dem Vorwand kirchlicher Gründe nach Rom beordert, ihn dort aber festhält, um das Geheimnis zu erforschen, das Blitze aus seinen Händen fahren lässt.

Carenza erfährt Unglaubliches über sich, flieht von nun an vor den Schergen des Vatikans und bittet Marion Windsor, ihm zu helfen. Carenza lernt unterdessen seine Kräfte zu mobilisieren und wird dabei von der Öffentlichkeit bemerkt. Plötzlich avanciert er zu einer Kultfigur, die aus den Medien nicht mehr wegzudenken ist.

Dabei bringt er eine weitere Gruppe gegen sich auf: Die Fernsehprediger. Vor allen Dingen Reverend Freemason Cooper hat es auf Peter abgesehen. Cooper erträgt es nicht, dass seine Schäflein abwandern, und fühlt sich von der moralischen Integrität Carenzas aufs Tiefste verunsichert. Währenddessen bemerkt Carenza, dass sich etwas in ihm verändert …

Streifzug durchs Plastikfiguren-Kabinett

Um gleich mit dem Fazit ins Haus zu fallen: Aus der Idee hätte man wirklich etwas machen können. Monteleone hat im „Blut des Lammes“ genügend Zündstoff zusammengerührt, um der Kirche und der TV-Gesellschaft ordentlich einen vor die Brust zu knallen. Die Idee hinter Peter Carenzas Veränderung ist eine hämische Blasphemie, die Zynikern und Geheimbundfanatikern ein dickes Grinsen hätte entlocken können. (Anmerkung am Rande: Wer sich die Spannung bewahren möchte, soll sich kilometerweit vom Klappentext fern halten!)

Aber anstatt diese Ideen auszuschöpfen, spannt sich der Bogen der Geschichte träge über 800 Seiten und schafft es dabei kaum, Spannung zu erzeugen. Monteleone verteilt seine Gesellschaftskritik mit dem Holzhammer und bedient alle Erwartungen bis zum Erbrechen: gottlose Fernsehprediger, die außer Völlerei, jungen Frauen und Geld gar nichts im Sinn haben, gewalttätige Jugendliche mit Goldzahn, die mit „drogenverzerrtem Blick“ unter ihrer Gang-Bandana hervorschielen, und schließlich Protagonist Peter Carenza, der gutaussehende Tausendsassa, der ganze Arbeiteraufstände durch sein „hypnotisches Auftreten“ besänftigen kann.

Leider überzeugen auch die Konflikte kaum. Manchmal hat man sogar fast den Eindruck, dass Monteleone seine Figuren mit Füßen getreten hat, damit sie seiner Story folgen. Carenza sei wiederum als Beispiel genannt: Erst versucht er sich mit aller Gewalt vor dem Vatikan zu verstecken, im nächsten Augenblick verbringt er ein öffentliches Wunder und bittet die faszinierte Zeugin, dass sie ihm doch bitte verraten möchte, wo er am besten campen kann. Nicht ohne ihr seinen Namen zu nennen, natürlich.

Dann wäre da noch die Sprache. Die Dialoge sind oft schrecklich holprig und wimmeln vor Allgemeinplätzen und Floskeln („Fritz, du bist schon einer, weißt du das?“), Adjektive fallen in Rudeln über Beschreibungen her („Seine erste Reaktion war Lachen. Unkontrolliert, halbwegs hysterisch.“), und bei manchen Metaphern überfällt einen der nackte Horror:

|Etwas an der Art, wie sie ihr gelb-weißes Baumwollkleid trug und wie sie geschminkt war, ließ sie sehr traurig, sehr hilflos erscheinen. Vielleicht verrieten sie auch ihre Augen – sie wirkte entmutigt, sogar furchtsam, wie ein kleiner, aus dem Nest gefallener Vogel.|

Trotz aller Schelte will ich die lichten Momente nicht vergessen: Monteleone hat ein paar ziemlich derbe Horrorszenen vollbracht, die einen unbehaglich auf dem Lesesessel herumrutschen lassen, und zwischen den vielen ungeschickten Dialogen verbergen sich durchaus einige, die einen ordentlichen Sog entwickeln. Leider reicht das nicht, um „Das Blut des Lammes“ zu einem Lesevergnügen zu machen. Was bleibt, ist Horror auf John-Sinclair-Niveau, ohne dass der trashige Charme des Geisterjägers auch nur gestreift werden konnte.

Lahm gehoppelt, alter Hase!

Thomas Francis Monteleone hat 1946 in den USA das Licht der Welt erblickt und konnte Abschlüsse in Psychologie und Literatur erzielen. Seinen ersten Roman hat er 1975 veröffentlicht („Seeds of Change“) während er seine erste Kurzgeschichte „Wendigo’s Child“ bereits 1973 auf die Leserschaft loslassen konnte. Obwohl „Das Blut des Lammes“ schon 1992 in die Geschäfte gestellt wurde, handelt es sich bereits um Monteleones sechzehnten Roman – bis zum heutigen Tag sollten fünf weitere folgen.

Man kann also durchaus behaupten, dass der Mann Erfahrung hat. Zur Untermauerung dessen sei noch angemerkt, dass Monteleone ein Werk über kreatives Schreiben veröffentlicht hat: „The Complete Idiots Guide to writing a novel“. „Das einzige Buch, das man braucht, wenn man einen Roman schreiben möchte“, verkündet er da selbstbewusst. Umso unverständlicher ist mir, was ihm im „Blut des Lammes“ aus der Feder geflutscht ist.

Vielleicht ist bei Monteleones hohem Story-Output irgendwann die Qualität auf der Strecke geblieben, vielleicht ist „Das Blut des Lammes“ einfach ein Ausrutscher, und vielleicht habe ich nur einen verteufelt schlechten Geschmack – aber wie man für dieses Buch den |Bram Stoker Award| zücken konnte, wird mir ein ewiges Rätsel bleiben. Zwischen den „Klassikern der Horror-Literatur“, die der |area|-Verlag wiederbelebt hat, wird „Das Blut des Lammes“ jedenfalls niemandem auffallen, „Dracula“, „Die Blumen des Bösen“ oder auch nur „Die Bücher des Blutes“ werfen so viel Schatten, dass dieses Pflänzchen jämmerlich verkümmern wird.

Hardcover: 800 Seiten
AREA-Verlag